Auferstanden aus Ruinen

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Schloss Kliczków (Klitschdorf) ist heute ein Hotel mit Konferenz- und Freizeitzentrum. Sein letzter deutscher Besitzer, Friedrich Hermann zu Solms-Baruth, engagierte sich im Kreisauer Kreis im Widerstand gegen die Nationalsozialisten.
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Stefan Branahl

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Schloss Kliczków (Klitschdorf) ist heute ein Hotel mit Konferenz- und Freizeitzentrum. Sein letzter deutscher Besitzer, Friedrich Hermann zu Solms-Baruth, engagierte sich im Kreisauer Kreis im Widerstand gegen die Nationalsozialisten.

Nur noch in Frankreich gibt es so viele Schlösser auf kleinem Raum wie im schlesischen Hirschberger Tal. Sie waren Landsitze des preußischen Adels und reicher Tuchhändler. Nach Krieg und Vertreibung verfielen sie, inzwischen sind aus den meisten der Ruinen wieder echte Schmuckstücke geworden – und Orte deutsch-polnischer Begegnung.

Im Salon ist der Tisch mit feinstem Porzellan eingedeckt, in der Küche im Keller deutet alles auf ein großes Festessen hin, der zimmerhohe Kachelofen im Raucherzimmer glänzt frisch poliert. Und für die Nacht hat das Dienstmädchen im Schlafgemach den Herrschaften die Kissen unter dem vom Gobelin einge­rahmten Holzkreuz aufgeschüttelt. Wir sind in Schloss Lomnitz, erleben in einer aufwendigen Ausstellung auf drei Etagen Zeitgeschichte und wissen nicht, worüber wir mehr staunen sollen: über die detailverliebte Darstellung des adeligen Alltags über drei Jahrhunderte oder über den Wiederaufbau eines Trümmerhaufens.

Denn genau das war Schloss Lomnitz noch bis weit in die 1990er-Jahre: Auf einem Foto sehen wir eingestürzte Dächer, feuchte Mauern, abgebröckelten Putz, die leeren Fenster mit Brettern vernagelt, das weitläufige Parkgelände mannshoch verwildert. Sein Erbauer Martin Frantz, einer der großen niederschlesischen Barockbaumeister des 18. Jahrhunderts, hätte sich bei diesem Anblick wohl genauso im Grab umgedreht wie der bekannteste Besitzer der repräsentativen Anlage, Christian Menzel. Der Leinenhändler aus dem benachbarten Hirschberg hatte sich auch als Mäzen einen Namen gemacht und der dortigen Gnadenkirche eine wertvolle Orgel gestiftet. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der damit verbundenen Vertreibung der Deutschen erlitt Lomnitz das gleiche Schicksal wie alle Schlösser der Umgebung, sie wurden enteignet, zweckentfremdet, standen leer, verfielen. Nichts erinnerte mehr an die einstige feudale Herrschaft.

Historisches Schlafgemach in Schloss Lomnitz.
Historisches Schlafgemach in Schloss Lomnitz.

Lange galt das Hirschberger Tal zu Füßen des Riesengebirges, auf halbem Weg zwischen Görlitz und Breslau, als ein Inbegriff der Romantik. Der deutsche Hochadel des 18. Jahrhunderts entdeckte es als eine Art Sehnsuchtsort, suchte Zerstreuung, gab rauschende Feste, blies in den weiten Wäldern zur Jagd, entspannte sich bei Ausflügen zur Schneekoppe. Geld spielte keine Rolle, als sogenannte Schleier-Herren war man durch die Leinenweberei zu Reichtum gekommen. Fischbach, Stonsdorf, Lomnitz, Klitschdorf – an die 30 Schlösser wurden gebaut. Eine solche Zahl auf kleinem Raum gab es sonst nirgends in Deutschland, allenfalls vom französischen Loire-Tal war eine ähnliche Dichte an Residenzen bekannt. Wie dem auch sei – am Ende war Schluss mit der ganzen Pracht und Herrlichkeit, Ist es also ein Wunder, dass die verfallenen Bauten wieder in neuem Glanz erstrahlt? Denn inzwischen sind viele der Schlösser nach alten Plänen komplett saniert worden, dienen nicht nur als großzügige (und preisgünstige!) Hotelanlagen, sondern auch als Orte für Kultur und deutsch-polnische Begegnung. Beide Seiten haben mit erheblichem Aufwand Anteil an dieser Erfolgsgeschichte.

Beispiel Lomnitz: Kurz nach ihrer Hochzeit ersteigerten Ulrich von Küster (sein Großvater war letzter Eigentümer) und seine Frau Elisabeth zunächst das Schloss, später das angrenzende Witwenschlösschen und den Park. Nicht nur das junge Paar steckte erst jede Mark, später jeden Euro in das Mammutprojekt, ohne die Unterstützung privater Spender und der EU, durch Stiftungen (der Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur hat inzwischen in Lomnitz seinen Sitz) und Vereine wäre das nicht zu stemmen gewesen. Auch die polnische Bevölkerung zog mit und ließ sich von der Aufbruchstimmung anstecken. Lomnitz wurde zu einer Art Pilotprojekt, andere zogen nach, und inzwischen haben sich die Schlösser im Hirschberger Tal zu Tourismusmagneten entwickelt.

Die Zeiten, als ihre deutsche Geschichte tabu war, sind längst vorbei.

Stefan Branahl