Klösterreise – Von den Orden lernen

In Balance mit Benedikt

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In Gleichgewicht Steine am Strand
Nachweis

Foto: AdobeStock Alesandr Simonov

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Im Gleichgewicht bleiben, gar nicht so einfach. Wie schaffen Ordensfrauen Balance in ihrem Leben?

„Klösterreise – Von den Orden lernen“: Die Jahresserie der Kirchenzeitung führt in Klöster der Region. Heute sind wir zu Gast bei Schwester Maria Magdalena Hörter im Kloster Engelthal. Ein Gespräch über „Ora et labora“ und die Kunst, Arbeit und Leben in Balance zu halten. Von Johannes Becher

„Work-Life-Balance“, das Gleichmaß von Arbeit und Leben, diesen modernen Begriff gibt es nicht in der Regel des Ordensgründers Benedikt (entstanden um 540). Was dem Mönchsvater indes wichtig war: Die Gottsuche in allen Lebensvollzügen und das Streben nach „discretio“, also dem rechten Maß. 
 

Papst Gregor der Große (gestorben 604) nennt die Regel Benedikts „durch discretio ausgezeichnet“. Unter er meint damit die Unterscheidung zwischen dem guten und bösen Geist, zwischen gut und besser, zwischen dem, was auf dem Weg zu Gott nützt und was nicht. 
 

Schwester Maria Magdalena Hörter, die in der Benediktinerinnenabtei Engelthal das Gästehaus leitet, hat für die Balancen im Leben einen anderen Begriff. Sie spricht von Ordnung – „und zwar in Raum, Zeit und Beziehungen“. Sie sagt: „Ordnung hat etwas mit Orientierung zu tun. Ich muss wissen, unter welchen Prinzipien ich etwas ordne. Und da sind wir dann bei der Regel. Sie ordnet das Leben so, dass die Mitte erkennbar bleibt. Und auf diese Mitte hin das Leben organisiert werden kann. Und das ist bei uns Jesus Christus.“ 
 

Die Benediktinerin betont: „Von daher sind die Kriterien ,work‘ (Arbeit) und ,life‘ (Leben) nicht die Fragen, um die es letztlich geht. Die Frage ist: Wie gestalte ich mein Leben? Meinen Alltag. Und zugleich das Leben einer Gemeinschaft, die dasselbe will, aber die aus unterschiedlichen Typen besteht. Wie gestalte ich das so, dass für jede einzelne Christus die Mitte und das Ziel zugleich bleiben kann? Und für die Gemeinschaft als ganzer und im Idealfall für die Menschen, die als Gäste ins Kloster kommen, auch.“ 
Die Gäste finden bei den Schwestern einen „geordneten Raum“, der die Möglichkeit bietet, „den eigenen Raum“ zu finden. Schwester Maria Magdalena: „Wir geben einen äußeren Rahmen vor, der aber nach innen Freiraum lässt.“ 
 

Die Ordensfrau, die seit Jahren Stille-Seminare im Kloster anbietet, zu Oasentagen einlädt, Menschen bei Exerzitien begleitet, hält in dieser Ordnung auch Rituale und Routinen für hilfreich. „Routinen befreien davon, ständig darüber nachdenken zu müssen und sich ständig neu entscheiden zu müssen. Man muss nur zwischendrin mal gucken, ob die Routine noch stimmt“, stellt sie fest.

Die Benediktinerin Maria Magdalena Hörter. Foto: Johannes Becher

Für eine Ordensfrau gehört zu dieser Ordnung von Zeit und Raum und Beziehungen natürlich vor allem das Gebet. Oder mit Gründervater Benedikt gesprochen: „Auf dass in allem Gott verherrlicht werde.“ Schwester Maria Magdalena bekennt, dass auch sie natürlich nicht in jedem Stundengebt beim Singen der Psalmen ein „erhebendes Gefühl“ erlebt. Und doch: „Geordnete Zeit heißt zum Beispiel: Alles hat auch ein Ende. Das gibt einen großen Freiraum. Ich brauche nichts ins Endlose machen. Bei der Arbeit zum Beispiel ... Tagsüber gilt: Es läutet, und ich gehe in die Kirche. Dann beschäftigt sich mein Hirn natürlich immer noch mit dem, was auf dem Schreibtisch liegt, und was ich machen müsste. Aber wenn ich Glück habe, bin ich am Ende der halben Stunde da, wo mein Körper schon zu Beginn der Gebetszeit war. Auch innerlich.“ 
 

Neben dem Rhythmus der Gebetszeiten, der Freiräume eröffnet – für die Pflege der Beziehung zu Gott und ohne Arbeit –, erlebt die Ordensfrau auch, wie wichtig Stille und Schweigen sind. Ihr persönlich, für die Gemeinschaft, aber auch den Gästen. In einer Gesellschaft, „in der es kaum noch einen Raum gibt, wo man keine menschengemachten Geräusche hört, die immer Appellcharakter haben“, erlebt sie, wie fasziniert Gäste sind, die zu ihren Stille-Tagen kommen. Die sind zunächst meist begeistert, „dass endlich mal keiner etwas will von mir“. Mit der Zeit werde allerdings die Stille erschreckend und anstrengend. Dann brauche es auch „den Durchgang durch dieses Mühsame“. Weil es mit der Übung gelingen kann, „in die tiefere Ebene zu kommen“. Das hätten schon die Wüstenväter gelehrt, sagt sie: „Bleiben und warten, dass da etwas geschieht.“ Wer das Geschenk der Stille erstmals entdecke, der habe „nur daran genippt“. Um die Tiefe zu erfahren, „muss ich mich länger aussetzen“. Dabei helfe natürlich eine Motivation, das Wissen, warum man sich etwas aussetzt. Und das gelte ja nicht nur im Kloster: Nicht wegzulaufen vor Dingen, die ich aushalten muss. 
 

Balance. Gleichgewicht von Tun und Lassen. In der Regel warnt Benedikt vor „Müßiggang“. Gibt es in einem Kloster auch „unverzweckte Zeit“? Die Ordensfrau  schmunzelt  und  sagt:  „Liturgisch gesehen ist natürlich der Gottesdienst die unverzweckte Zeit schlechthin.“ Schwester Maria Magdalena findet die „kleinen Zeitspannen, über die ich selbst verfügen kann“ als wertvoll für sich: der Gang in den Wald am Morgen, die persönliche Meditation, „eine Zeit, mit der ich die vorrangige Beziehung, die ich leben will, ein bisschen mehr pflege“. 
 

Seinen Gästen verspricht das Kloster Engelthal, man bemühe sich, „Himmel und Erde zu verbinden“. Schwester Maria Magdalena: Es ist nichts Zusätzliches, das ist ineinander verwoben.“ Das meinen wohl auch die Besucher der Abtei, wenn sie sagen: „Ich komme durch das Klostertor und bin woanders.“ 
 

Wie viele dieser „Andersorte“ hat Kloster Engelthal seit Jahrzehnten seine Ausstrahlung in die nähere und weitere Region. Seit das Bistum Mainz auf seinem „Pastoralen Weg“ die Abtei zu einem seiner beiden geistlichen Zentren gekürt hat, werden die Schwestern im ganzen pastoralen Großraum Oberhessen noch stärker angefragt – für Besinnungszeiten, spirituelle Impulse, Oasentage … Ein Aushängeschild für die Kirche im Heute und im Morgen. Darauf hoffen auch die Benediktinerinnen an diesem besonderen Ort. 
 

HINTERGRUND

Das Kloster Engelthal 
 

„Gebet und Arbeit, Himmel und Erde verbinden, Schöpfung Gottes pflegen, schützen und gestalten.“ So steht es programmatisch auf der Internetseite der Abtei Kloster Engelthal. Heute gehören 14 Ordensfrauen zur Gemeinschaft der Benediktinerinnen. Seit 2003 ist Elisabeth Kralemann die dritte Äbtissin des Konvents. Die Gebäude des Klosters gehören dem Bistum Mainz. 2010 wurde ein Neubau des Schwestern-Trakts unter ökologischen Kriterien errichtet. Überhaupt sieht sich die Abtei der Bewahrung der Schöpfung besonders verpflichtet. Auf der Homepage schreiben die Schwestern: „Ausdruck unserer Lebensform ist seit jeher maßvolles und vorausschauendes Handeln. Konkret wollen wir dies in unserer Welt durch ein ganzheitliches ökologisches Konzept umsetzen.“ Für das Konzept des „Biotop Kloster Engelthal“ gab es 2012 den Umweltpreis des Bistums Mainz. 
 

Eine Gemeinschaft der Benediktinerinnen lebt seit 1962 hier. Vom Kloster Herstelle in Nordrhein-Westfalen aus besiedelten 20 Schwestern den Ort in der hessischen Wetterau. Die Klostergeschichte in Engelthal ist indes viel älter. Bereits 1268 stifteten die Ritter von Buches und Karben den Ort für ein Zisterzienserinnenkloster. Es wurde zerstört im 30-jährigen Krieg, wiederbesiedelt, aufgehoben in der Sälkularisation 1803. 
 

Heute ist die Abtei „ein Ort, der dem geistlichen Leben dient“, wie es das Bistum Mainz beim Erwerb der Mauern wünschte. Oder wie die Äbtissin sagt: „Wenn wir in dem Wachsen in der Beziehung zu uns selbst, zu Gott und zum anderen bleiben, kann der Ort, an dem wir leben, ,Haus Gottes‘ und ,Tor des Himmels‘ sein.“ Mit anderen Worten: „Engelthal soll ein Ort sein, der dem Leben dient und der damit zugleich die Präsenz Gottes in unserer Welt preist.“ (job)

www.abtei-kloster-engelthal.de

 

Johannes Becher