Stadtmuseum Nordhorn

Der Charme der Sixties

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Ausstellungsnische mit Originalkleidern der Firma Povel aus der Emma-Peel-Kollektion, im Hintergrund hängt ein Foto der Schauspielerin Diana Rigg.
Nachweis

Andrea Kolhoff

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Im Stadtmuseum sind Originalkleider von Povel aus der Emma-Peel-Kollektion zu sehen. 

Schräge Muster! Schrille Farben! Trevira und Diolen! All das ist im Nino-Hochhaus in Nordhorn im Stadtmuseum zu sehen, in einer Zeitreise mit Mode aus der deutschen Nachkriegsära, mit Textilien von Nino, Povel und Rawe.

Unter den Ausstellungsstücken sind Kleider, Kostüme und auch die schicken Mäntel von Nino aus hochwertiger Baumwolle, die aus winddichtem und atmungsaktivem Material hergestellt wurden, zu einer Zeit, als es noch nicht das große Angebot der heutigen Outdoorhersteller gab. Wer modisch mithalten wollte und es sich leisten konnte, trug einen Mantel von Nino, als „Autocoat“ in kniekurzer Länge, für Frauen in Farben wie gelb, zinnoberrot oder „beatgrün“. 

Farbenfrohe M>äntel von Nino auf Schneiderpuppen. Geschäftsführer bei Nino war Bernd Niehues, der mit der Designerin Sonja Esser verheiratet war, beide knüpften schon früh Kontakte nach Paris und arbeiteten Ende der 1960er Jahre auch mit Karl Lagerfeld, Daniel Hechter und Louis Feraud zusammen. Bernd Niehues hatte auch dafür gesorgt, dass die Firma, die als „Niehues & Dütting“ gegründet worden war, 1959 in „Nino“ umbenannt wurde. Das konnte sich jeder Kunde merken.

Die Ausstellung erzählt auch von der Entwicklung der anderen großen Textilunternehmen Nordhorns, Rawe und Povel. Stoffe aus dem Hause Rawe wurden bekannt für Farbbrillanz und aufwendige Muster, die Firma Rawe hatte 1952 eine moderne Stoffdruckerei eröffnet und später in eine Acht-Farben-Druckmaschine investiert. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg stellte Rawe vor allem Baumwollsäcke her, die als Verpackungen für Salz, Kaffee oder Bleichsoda dienten. War der Inhalt aufgebraucht, konnte man die Säckchen auftrennen und als Taschentücher oder Handtücher weiterverwenden. 

Werbung mit Diana Rigg

Die Firma Povel war ab 1888 mit der Produktion der Waterschürze groß geworden, nach dem Krieg entwickelte sie die Trevira-Faser mit, konzentrierte sich auf Stoffe für Anoraks und Mäntel und engagierte Ende der 1960er Jahre die Schauspielerin Diana Rigg als Werbeträgerin für eine „Emma-Peel-Kollektion“, benannt nach der Filmfigur aus „Mit Schirm, Charme und Melone“. Doch die Qualitätsware aus Nordhorn hatte es auf dem Markt immer schwerer, Povel, Rawe und Nino mussten gegen die billiger produzierende Konkurrenz aus Fernost bestehen. 1979 kam das Produktionsende bei Povel, 1994 wurden Spinnerei und Weberei von Nino geschlossen. Bei Rawe lief die Produktion Ende Juni 2001 aus.

Die Ausstellung bietet auch Einblicke in geschichtliche Zusammenhänge. Schon 1929 produzierten die Nordhorner Textilfabriken Produkte für einen internationalen Markt und waren auf der Weltausstellung in Barcelona vertreten, zehn Jahre später bestand der Großteil der Produktion bei Niehues und Dütting aus Uniformstoffen, Mänteln und Jacken für die Wehrmacht. 

Stoffbeutel von Rawe als Verpackungsmaterial für Waschmittel und Vogelsand.Povel hatte Anfang der 1930er Jahre schon das Drei-Schicht-System eingeführt. Weil wegen des Zweiten Weltkrieges immer mehr junge Arbeiter als Soldaten zur Wehrmacht eingezogen wurden, arbeiteten dann mehr Frauen in der Textilindustrie, ab 1941 waren auch viele Zwangsarbeiterinnen aus Polen und der Sowjetunion darunter.  

In einem Raum am Ende der Ausstellung hängen historische Kleidungsstücke, die Besucherinnen können sie anprobieren. Ein Blick in den Spiegel offenbart, dass die meisten dabei nicht so stylish wirken wie die Models der 1960er Jahre auf den Fotos von FC Gundlach, Charles Wilp oder Regina Relang. Diese Fotokünstler haben für Nino die Modereportagen aufgenommen, sind mit den Models und Nino-Mode im Gepäck nach Hamburg, Italien und Brasilien gereist. Die Strände von Rio de Janeiro und Brasiliens Hauptstadt Brasilia wurden zum Hotspot der Modefotografie, die Fotografen ihrerseits Trendsetter in Sachen „Lifestyle“. So war Fotograf Franz Christian Gundlach 1956 beim ersten Transatlantikflug der Lufthansa nach Brasilien mit an Bord.

 

Andrea Kolhoff