„Der Herrgott hat mich gelockt“

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Günter Hirt mit Katja Heidemanns von Missio und Ministerpräsident Daniel Günther bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in Kiel.
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Foto: Peter Meister

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Günter Hirt (li.) mit Katja Heidemanns von Missio und Ministerpräsident Daniel Günther bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in Kiel.

Im Ruhestand hat sich Pfarrer Günter Hirt mit aller Kraft für das Projekt „Lebenshaus“ in Uganda engagiert, wofür er jetzt das Bundesverdienstkreuz erhielt. Über einen Badener, der in Emmelsbüll-Horsbüll eine neue Heimat fand.

Der mit 84 Jahren schon etwas betagte ältere Herr, der den Besucher in seinem abgelegenen Haus unter Bäumen in Emmelsbüll-Horsbüll nahe der dänischen Grenze empfängt, macht nicht den Eindruck, als wäre er ein durchsetzungsfreudiger Organisator. Allenfalls der deutlich hörbare badener Dialekt, der auf seine Heimatstadt Pforzheim verweist, könnte Zweifel sähen. Schließlich gilt dort doch der Wahlspruch: „Net schwätze, mache.“ 

Überhaupt ist der Pfarrer im Unruhestand Günter Hirt ein zurückhaltender, bescheidener Mann. Dass er jetzt von Ministerpräsident Daniel Günther mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, scheint ihm fast ein wenig unangenehm zu sein. Er nahm es an, weil er es als Würdigung auch all seiner Mitstreiter versteht, die sich aus christlicher Überzeugung für die Ärmsten einsetzen.

Sein größtes Projekt ist die Errichtung des „Lebenshauses“, eine Zufluchtsstätte für jeweils etwa 30 Kinder in Ugandas ländlicher Region Kyato, die er gemeinsam mit „Bannakira Daughters of Mary“ auf die Beine gestellt hat. Die Ordensschwes­tern stellten Land zur Verfügung und füllen das Haus, unterstützt von Ärzten und Fachpersonal, mit Leben. Die Konzeption, das Geld und der Bau, bei all dem war Pfarrer Hirt die treibende Kraft. Seit Bestehen des Hauses, das 2010 nach vielen Widrigkeiten und Hindernissen endlich rea­lisiert werden konnte, wurden dort über 600 Kinder versorgt und aufgepeppelt, sodass sie in ihre Familien zurückkehren oder in Ersatzfamilien untergebracht werden konnten. Ohne das Lebenshaus hätten sie keine Lebensperspektive gehabt. 

Es sind Kinder, die durch Ernährungsdefizite und Krankheiten geschwächt waren – und deren Mütter in den meisten Fällen bei der Geburt gestorben waren. Ein Waisenkind, das schon dem Tod geweiht schien, wurde von den Ordensschwestern sogar nach dem Pfarrer benannt: Günter Hermann Josef. 


Missio: „Botschafter der aktiven Nächstenliebe“


Doch es geht nicht nur um akute Nothilfe beim Lebenshaus. Vielmehr wurde durch eine Stromversorgung mit Photovoltaik und das Bohren eines Tiefbrunnens die Voraussetzung geschaffen, dass die Ärmsten der Armen in der Region von der Einrichtung nachhaltig profitieren. Die Versorgung werdender Mütter konnte verbessert werden, weil dank des Kindermissionswerks eine Projektstelle für eine Hebamme eingerichtet werden konnte, sodass die ehemals vielen Sterbefälle bei den Müttern praktisch auf Null sanken. Dank der Einrichtung eines Stiftungsfonds bei Missio und dem Einsatz und der Spendenbereitschaft vieler Menschen steht die Einrichtung auf wirtschaftlich gesunden Füßen. „Pfarrer Hirt ist ein ausgezeichneter Botschafter der aktiven Nächstenliebe, für die Missio steht. Sein Engagement zeigt, was möglich wird, wenn Menschen sich vernetzen – so, wie es die Grundidee von Missio bei der Gründung vor über 190 Jahren war“, sagt Katja Heidemanns, Leiterin der Missio-Spendenabteilung. Der Stiftungsfonds stehe beispielhaft dafür, „wie es gelingt, persönliche Herzensanliegen auf Dauer und nachhaltig zu sichern.“

Der Vorbildcharakter wird auch von offizieller Seite in Uganda gesehen: 2017 zeichnete der 
Distrikt Kalungu das Lebenshaus als beste Einrichtung für Kinderpflege und Jugendschutz aus. Und das Sozialministerium von Uganda würdigte es jüngst als beste Einrichtung des Landes. Zuvor schon hatte sich Pfarrer Hirt beim Bau eines Krankenhauses und der Umstrukturierung einer Berufsschule in Kyamullibwa engagiert.

 
Günter Hirt stammt aus einer frommen fünfköpfigen Familie, die Mutter ursprünglich evangelisch, der Vater katholisch. Ein Grund, warum ihm auch heute die Ökumene sehr am Herzen liegt. Bei einer Pilgerfahrt mit seinem älteren und inzwischen verstorbenen Bruder spürte er als Zwölfjähriger den Ruf, Priester zu werden. Ein Weg mit Hindernissen, auf dem er Unterstützung erfuhr, aber schon als Bub nebenher Geld verdienen musste, um das Schulgeld bezahlen zu können. Nach dem Studium in Freiburg und Würzburg war er zunächst als Religionslehrer tätig, leitete dann eine Landpfarrei in Mittelbaden und später ein Vierteljahrhundert lang eine Großpfarrei in Waghäusel-Wies­ental.

Obwohl eigentlich kein Draufgänger und Reisefreund, war er in früheren Jahren für ein Projekt seiner damaligen Pfarrei unter lebensgefährlichen Bedingungen in Peru und zu Zeiten des Nord­irlandkonflikts auch dort mitten im Geschehen – aus innerem Antrieb, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dennoch, es ist nicht so, dass sich Pfarrer Hirt diese Aufgaben gesucht hätte. Vielmehr war es wohl Fügung, dass er sie übernahm, wie er selbst sagt: „Der Himmel hat mich immer geleitet. Ich brauchte nur zu hören und zu folgen.“ Gerne zitiert er da Jeremia 20,7: „Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören.“ Doch während Jeremia das gar nicht recht war, folgte Günter Hirt gern: „Der Herrgott hat mich gelockt und ich bin gefolgt – und, im Unterschied zu Jeremia –, ich bin glücklich dabei.“


Im Norden viele neue Freunde gefunden


Er hat so viel erlebt, dass er ein Buch schreiben könnte, sagt er. Und es stimmt, er hat viel zu erzählen. Nicht nur aus fernen Ländern, sondern etwa auch von der Jugendarbeit in Nordfriesland. 2005 hatte er sich mit 67 Jahren wegen seiner chronischen Bronchitis vorzeitig pensionieren lassen und zog aus Baden-Würt­temberg an die Nordsee, wo er sich heimisch fühlt und viele Freunde hat. Dort engagierte er sich vor allem in den Gemeinden von Niebüll und Harrislee auf vielfältige Weise. In seinem Garten entstand eine „Apostelrunde“, gestaltet von jungen Leuten, die bei ihm im Garten sogar zelteten.
Bei allem, was er aufgebaut hat, war ihm die Nachhaltigkeit wichtig. Deshalb hat er inzwischen die Verantwortung in andere Hände abgegeben, damit es weitergeht. Vertrauen haben und auf Augenhöhe agieren, das sei die Essenz seiner Arbeit, sagt Hirt. Sein letztes Projekt, das Modell des Lebenshauses mit Hilfe der Schwestern auch auf andere Landesteile Ugandas auszudehnen, ist schon auf einem guten Weg. Mission erfüllt, darf man wohl sagen.

www.uganda-lebenshaus.de

Marco Heinen