Gefragte Frauen: Sae-Nal Lea Kim

Die Frau am Flügel

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Sae-Nal Lea Kim ist als Kind von Südkorea nach Deutschland gekommen. Als Professorin für Klavier lehrt sie heute die internationale Sprache der Musik an der Hochschule Mainz. Sie ist überzeugt, dass Musik das Herz berührt – wie im Projekt „CORDA“ im Krankenhaus. Von Ruth Lehnen


Pianistin Sae-Nal Lea Kim will Menschlichkeit, Wärme und Großzügigkeit weitergeben – mit Musik.


Mit sieben Jahren ist Sae-Nal Lea Kim nach Deutschland gekommen und landete mit ihrer Familie in einem kleinen Ort im Odenwald, in Spechbach. Der Vater war evangelischer Theologe und Luther-Fan, sein Traum: Deutsch und Theologie lernen auf den Spuren Luthers. Sae-Nal Lea, ihre Schwester und ihre Mutter gingen mit: „Die Spechbacher waren so herzlich, ich habe die besten Erinnerungen an meine Kindheit.“
Während der Vater in Heidelberg studierte, war es für die Kinder manchmal auch hart: „Wir kannten ja nichts.“ Am Anfang ist es vorgekommen, dass Lea und ihre Schwester vor der geschlossenen Schule standen: Feiertag! Aber davon hatten sie nichts gewusst.

Musikhören ist gesund und bringt auf andere, neue Gedanken

Der Vater, in dieser Sache streng, bestand darauf, dass die Kinder ein Tagebuch führten, von Anfang an auf Koreanisch und auf Deutsch. So haben die Schwestern zügig Deutsch gelernt. Nach acht Jahren beendete der Vater seine Studien, es sollte zurück nach Korea gehen. Nun aber wollte Lea nicht mehr. Nach all der Zeit zurückverpflanzt? Nein, sie war 15 Jahre und begann ihr eigenständiges Leben in Deutschland.
Zwischen Sprachen und Kulturen – so lebt die 37-Jährige und kann diese Situation auch bei anderen nachfühlen. Die heutige Professorin für Klavier an der Hochschule Mainz und Pianistin kennt die Telefonate nachhause, die Trennung von der Familie, die auch ihre Studentinnen und Studenten durchleiden: Viele stammen aus Asien, und die Vorweihnachtszeit ist gerade für ausländische Studierende nicht einfach. Ihre Professorin versucht, ihnen Wärme und Freundlichkeit zu geben, so wie sie es selbst von ihrem Professor erfahren hat: „Menschlichkeit, Wärme und Großzügigkeit.“ Anders, als das Klischee will, wird das Klavierspiel nicht nur durch Strenge und Üben erlernt, sondern immer wieder auch durch gemeinsames In-die-Tiefe-Gehen. So hat es Sae-Nal Lea Kim während ihrer Ausbildung zunächst an der Hochschule für Musik in Karlsruhe, dann an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover erfahren.

Das Projekt "CORDA"

Sich selbst vorstellen, Deutsch sprechen, vorspielen: Für die jungen Musiker und Musikerinnen in ihren schwarzen Kleidern und Anzügen, die an einem Abend im November im Marienhaus-Klinikum in Mainz auf ihren Auftritt warten, ist es ein herausfordernder Tag mit einem anspruchsvollen Programm, das sie alle mit Bravour meistern. Strahlend, ermutigend und mit herzlicher Umarmung nach dem Auftritt steht die Professorin ihnen bei. Aber eins tut Sae-Nal Lea Kim nicht: Sie spricht kein Koreanisch mit denen, die wie sie aus Korea stammen. „Um die Musik, die Sprache und die Kultur kennenzulernen, dazu sind sie ja hier!“ Es ist ein Abend von „CORDA“, dem neuen Projekt der Kardiologin und Chefärztin Innere Medizin, Sabine Genth-Zotz, und Sae-Nal Lea Kim. Die beiden Wiesbadenerinnen sind Freundinnen, und sie haben für das Marienhaus Klinikum in Mainz diese besondere Kooperation auf die Beine gestellt. Beide sind überzeugt, dass die Musik den Patientinnen und Patienten gut tut, ob sie nun auf ihren Zimmern zugeschaltet sind oder in die Kapelle des Krankenhauses kommen können.
Professorin Genth-Zotz sagt: „Das ist eine dreifache Freude: für uns, für die Patienten und für die Spielenden.“ Es sei ganz eindeutig, dass Musik beruhige, die Herzfrequenz und Blutdruck senke und die Menschen auf neue Gedanken bringe. Sae-Nal Lea Kim formuliert es so: „Musik ist wichtig für die Kranken. Sie kann Liebe, aber auch Wut, Trauer und Schmerz ausdrücken.“ Im Krankenhaus erlebten viele Menschen großes Leid: „Wenn Worte nicht trösten können, kann Musik ein Trost sein.“ „CORDA“, wie die beiden Professorinnen ihr Projekt genannt haben, heißen einerseits die Saiten, andererseits die Fäden im Halteapparat des Herzens.

Im asiatischen Raum hat klassische Musik einen hohen Stellenwert

Für die Ärztin und die Musikerin ist die Kooperation eine Herzensangelegenheit. Zuletzt traten sie zusammen auf mit Musik und Text zu Antoine de Saint-Exupérys Klassiker „Der kleine Prinz“.
„CORDA“ ist für alle ein Gewinn: Die Musikstudenten und -studentinnen üben den Auftritt vor Publikum, und die Patientinnen und Patienten und andere Zuhörer erfreut die Musik.
Kim berichtet, dass sich besonders viele asiatische Studierende für ein Musikstudium entscheiden. Und das, obwohl jungen Musikliebhabern in aller Welt oft nahegelegt wird, doch lieber einen Beruf zu wählen, mit dem sie auf der sicheren Seite sind, auch beim Geldverdienen. Die Musik kann den Erfolg nicht versprechen. Stattdessen fordert sie große Opfer, viele Stunden des einsamen Übens
Nicht zufällig steht über Sae- Nal Lea Kims Noten fürs Klavier dieses Bibelzitat: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“
Auf diesem hohen Niveau zu musizieren heißt für sie, alle Oberflächlichkeit abzulegen: „Es erschüttert mich, es beglückt mich.“ Die Pianistin geht auf die Suche nach dem, was der Komponist oder die Komponistin ausdrücken wollte: „Ich steige tief ins Tagebuch eines Menschen ein. Mit mehr Wissen und mehr Können lerne ich die Sprache des Komponisten besser zu verstehen und steige tiefer ein.“
Der Aufwand ist sehr hoch. Dabei gibt es für Kim kein Schwarz-Weiß. Es mag sein, dass Studierende zu anderen Schlüssen kommen als sie selbst. Am Ende aber entscheidet, ob die Musik schlüssig und überzeugend klingt. Auf dem Weg der Musik nicht den Mut zu verlieren, ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Wer nicht, manchmal unter Tränen, übt, wird nicht ernten.
Ist sie auf dem richtigen Weg? Wenn manchmal Zweifel aufkamen, war für Sae-Nal Lea Kim ihr Glaube ein Antrieb. Sie nennt ihren Glauben ihre „Mutquelle“, um den Anforderungen  ihres Berufs immer wieder gerecht zu werden. Sie hat oft erlebt, dass sie Druck und Angst an Gott abgeben kann, und dass er ihr zur Hilfe kommt. Diese Erfahrungen hat sie aus ihrer Erziehung mitgenommen. Ihr ist es auch wichtig, anderen Menschen etwas Gutes zu tun: „Jeden Tag eine gute Tat!“ – das nimmt sie sich täglich vor.  
Lange war Mozart ihr „Lebens-idol“, jetzt aber beschäftigt sie sich vor allem mit Franz Schubert. In der heimischen Wohnung ist das Klavier nur für sie selbst über Kopfhörer zu hören. Sie ist allein mit Schubert, versucht, seine Musik zu ergründen. Irgendwann heißt es, hinauszugehen aus der Abgeschiedenheit, in den vollen Klang, wenn viele ihr zuhören. Dann braucht Sae-Nal Lea Kim ihr ganzes Können und auch viel Mut. Und sehr oft erntet sie Glück.

Von Ruth Lehnen

 

GEFRAGT... GESAGT...
 

„Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“

In der Rubrik „Gefragt ... gesagt“ geben die „gefragten Frauen“ möglichst spontan Antworten.

Durch wen/wie sind Sie zum Glauben gekommen?
Sae-Nal Lea Kim: Der Glaube wurde mir in die Wiege gelegt. Mein Vater ist Pastor – der Glaube gehörte immer dazu.  

Was gibt Ihnen Ihr Glaube?
Zuversicht, Sicherheit und das Urvertrauen, die Dinge anzugehen. Ich bin mir sicher, dass der Glaube mein Antrieb ist.

Haben Sie schon einmal daran gedacht, aus der Kirche auszutreten, und wenn ja, warum?
Die meisten Menschen nennen ja die Kirchensteuer als Grund für den Austritt, aber ich glaube, viele Menschen haben den Bezug zur Kirche verloren und die Kirche hat den Bezug zu ihnen verloren. Ich persönlich denke nicht an Austritt.

Welches war für Sie das schönste Erlebnis im Zusammenhang mit Ihrem Glauben?
Das sind kleine Erlebnisse: Wenn ich zum Beispiel Angst hatte und beschlossen habe, diese Angst abzugeben. Ich habe oft erlebt, dass ich Antwort bekam und Gott mir die Hand gereicht hat.

Ihre liebste Bibelstelle?
Die steht in meinen Noten vornan:  „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ (aus Psalm 126)

Welche Veränderung wollen Sie als Frau (in der Kirche) noch erleben?
Ich bin ja Gleichstellungsbeauftragte an der Hochschule Mainz. Ich möchte erleben, dass es diese Funktion nicht mehr geben muss. Dass wir ein Miteinander finden, so dass jede Frau gern Frau, jeder Mann gern Mann sein darf und alle gleiche Chancen haben.

Ihr Rat an Frauen auf der Suche?
Ich schließe mich da ein als täglich Suchende. Es ist wichtig, das zu suchen, was einen bestärkt. Sei es auch nur eine Kleinigkeit, die den Tag lebenswert macht. Es ist gut, suchend zu sein. Wer sucht, ist auf dem richtigen Weg. Es ist auch wichtig, dass man gut mit dem umgeht, was man gefunden hat.

 

ZUR PERSON

Sae-Nal Lea Kim, Pianistin

  • Sae-Nal Lea Kim wurde 1985 in Seoul, Südkorea, geboren. Seit ihrem siebten Lebensjahr lebt sie in Deutschland.
  • Sie erhielt ihre Ausbildung zunächst an der Hochschule für Musik Karlsruhe bei Professor Peter Eicher, später an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover in der Klasse von Professor Bernd Goetzke. Dort schloss sie ihr Studium mit Diplomen in Instrumentalpädagogik, Künstlerischer Ausbildung und dem Konzertexamen ab.
  • Kim ist mehrfache Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe und Stipendiatin namhafter Stiftungen (Piano Campus Pontoise, Prix AmadeO, deutscher Musikwettbewerb, Gundlach Musikpreis)
  • Zahlreiche Konzerte führen sie durch ganz Deutschland, in die USA, nach Asien und in viele europäische Länder in Säle wie der Carnegie Hall (Zankel Hall), in den Beethoven Saal der Liederhalle Stuttgart, in die Nürnberger Oper, die Oper Hannover und den großen Sendesaal des NDR Hannover.
  • Sie ist seit Oktober 2018 Vertretungsprofessorin an der Hochschule für Musik Mainz.
  • Sae-Nal Lea Kim ist künstlerische Leiterin und Initiatorin der Konzertreihe CORDA – einer Kooperation des Marienhaus Klinikums Mainz und der Hochschule für Musik Mainz. Zusammen mit der Kardiologin Professorin Sabine Genth-Zotz, Chefärztin Innere Medizin, veranstaltet sie Konzerte in der Kapelle des Marienhaus Klinikums Mainz, bei dem auch Schülerinnen und Schüler von ihr auftreten. Im Dezember ging es beim CORDA-Konzert um den „Kleinen Prinzen“.

https://www.saenalleakim.de/

 

 

Ruth Lehnen