Die Urkirche als Vorbild

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Schwester Maria Magdalena  bei der Kräuterweihe-Andacht im August.
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Foto: Marco Heinen

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Einladend und freundlich, so kennen die Menschen Schwester Maria Magdalena – so wie hier bei der Kräuterweihe-Andacht im August.

Schwester Maria Magdalena hat in der Diaspora gelernt: Kirche muss für alle offen sein und kreativ auf die Nöte der Menschen reagieren. Am Dienstag wurde die Franziskanerin in Kiel mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

„Erst die Diaspora hat mich innerlich freigemacht“, sagt Schwester Maria Magdalena. „In Kiel bin ich zu einem katholischen Freigeist geworden.“ 1999 ist die Franziskanerin nach Kiel gekommen – eine katholische Ordensschwester in einer Stadt mit heute sechs Prozent Katholiken. Arbeit für Obdachlose zu machen, das war der Plan. Bald aber sah sie: Es gibt in Kiel und Umgebung nicht nur die sichtbare Obdachlosigkeit. Es gibt Menschen, die im geistlichen Leben kein Zuhause haben. Deshalb entstand 2003 das Gästeklos­ter Haus Damiano – ein Kloster mitten in der Stadt, in dem jeder willkommen ist. Ganz unabhängig von Religion und Lebenssituation finden die Gäste dort eine Zeit der Ruhe, ein offenes Gespräch, Gemeinschaft im Gebet oder geistliche Begleitung. Das Motto dieses Klosters ist ein Satz des heiligen Franz von Assisi: „Wenn es dir gut tut, dann komm!“  

Heute, 20 Jahre später, gehört Schwester Maria Magdalena zur Kieler „Stadtprominenz“. Unter Insidern ist „Schwester M.M.“ ein Begriff. Und man findet sie in vielen Tätigkeiten: in ihrer Gemeinde Liebfrauen, in offenen meditativen Gottesdiensten oder Kräutersegnungen im Park, bei den Pfadfindern und nicht zuletzt als Seelsorgerin im Kieler Landeshaus, wo sie unter anderem Morgenandachten macht. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) war deshalb ein Treffen unter Bekannten.  

Maria Magdalena Jardin ist in Kiel geworden, wie sie ist. Ursprünglich aber kommt sie aus dem nördlichen Ruhrgebiet. Es gibt dort keine Ostsee. Aber es gibt Kanäle. Das Schiffshebewerk in Henrichenburg, dem Heimatort der Franziskanerin, ist ein weit bekanntes Ausflugsziel. Dort hatten ihre Eltern ein Café. Als die Tochter 1988 in den Orden der Franziskanerinnen von Müns­ter St. Mauritz eintrat, ahnte sie nicht, dass sie selbst einmal ein Café aufmachen würde. Und schon gar nicht, dass dieses „Café unterm Kirchturm“ ihrem eigenen Kloster in der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein angeschlossen sein würde; dazu mit einem Paketshop, in dem man Pakete und Päckchen abgeben kann. „Es ist unser Dienst, für das Leben der anderen zu sorgen“, sagt Schwester Maria Magdalena. Im Stadtviertel vermissten vor allem die älteren Leute eine Paketstation – also taten die Schwestern etwas, um das Leben ihrer Nachbarn zu erleichtern.  

Die Aktion war neu, so wie vieles, was Schwester Maria Magdalena in den vergangenen Jahren angestoßen hat. Aber im Grunde greift sie auf ein ganz altes Vorbild zurück. Die Urkirche, hat sie einmal gesagt, ist ihr in Kiel zur Inspirationsquelle geworden. „Wie die ersten Christen sind auch wir heute angewiesen, uns nicht zu verschließen, sondern uns zu öffnen, für unsere Stadtteile und unsere Nachbarn. Lese ich über die ersten Christen und über Pfingsten, dann erkenne ich, wie vielfältig Menschen, Religionen und Kulturen immer schon waren. Für mich ist das eine lebendige Erinnerung, dass unser Glaube immer schon international und vielstimmig war.“ International ist auch die Gemeinschaft der „Mauritzer Franziskanerinnen“ im Haus Damiano. Ihr Orden hat seine Zentrale in Münster, ist aber weltweit tätig, von Japan bis in die USA. International ist auch die Gemeinschaft in Kiel: Zwei der fünf Schwestern kommen aus Indien. 


Sehen, was die Menschen brauchen


„Ich habe in der Diaspora erfahren, dass Gott viele Möglichkeiten in mich hineingelegt hat.“ Es komme nur darauf an, offen zu sein, zu sehen was Menschen brauchen – und dann die passenden Antworten selbst zu entwickeln. „Aber dann muss es auch Menschen geben, die meine verrückten Ideen aufgreifen und mitmachen.“  

Die Ehrung mit dem Bundesverdienstkreuz nimmt die Franziskanerin deshalb nicht „zu persönlich“. „Bei einer Ehrung“, sagte die Schwester im Namen aller drei Verdienstkreuzempfänger, „geht es nie nur um die zu Ehrenden. Vielmehr steht etwas Größeres im Raum: dem Leben anderer dienen.“ 

Andreas Hüser