Ein Ort des Friedens

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Fünf Missionsschwestern
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Foto: Andreas Hüser

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Die letzten Missionsschwestern in Schwerin: Schwester Andrea, Schwester Margret, Schwester Bernadette, Schwester Gemma, Schwester Katharina.

101 Jahre wirkten Missionsschwestern vom heiligen Namen Mariens in Mecklenburg. 40 Jahre bestand ihr Kloster Maria Frieden. Jetzt verlassen die Ordensfrauen das Land, in dem sie unzähligen Menschen Gutes getan haben.

„Maria Frieden“. Das ist ein schöner Name für ein Kloster. Man denkt an eine barockes Idyll im Süden, umgeben von Weinbergen oder Berggipfeln. Die Landschaft um das Kloster Maria Frieden in Schwerin ist sehenswert: an der einen Seite ein Winterwald im Schnee. Auf der anderen Seite die Plattenbauten von Mueßer Holz. Dazwischen die St. Andreas-Kirche mit den modernen, dunkelrot verklinkerten Nebengebäuden. 

Als das Kloster 1983 gebaut wurde, war das Neubaugebiet erst im Werden. Die Schwestern erinnern sich, wie neugierig die Nachbarn auf die modernen, mit bestem Baumaterial errichteten Klostermauern blickten. „Es kamen ganze Pilgerscharen, die das sehen wollten“, erzählt sich Schwester Gemma. Sie selbst war von Anfang an Klosterfrau in der Gemeinschaft. Ebenso Schwester Margret, die als Küchenschwester noch eine besondere Rolle spielen sollte. Zur Gemeinschaft gehören außerdem Schwester Katharina, die bis vor kurzem noch in der Schweriner Pfarrseelorge tätig war, Schwester Bernadette und Schwester Andrea. 

Wir sind hier eine Auffangstation für ehemalige Oberinnen“, scherzt Schwester Katharina. Sie selbst war Regionaloberin, Bernadette und Andrea waren lange Generaloberinnen der Missionsschwestern vom heiligen Namen Mariens. Dieser Orden wurde 1920 vom Osnabrücker Bischof Wilhelm Berning für die Missionsgebiete in der Diaspora gegründet. In Mecklenburg waren die Missionsschwestern zeitweise mit 80 Ordensfrauen tätig. Allein Schwerin hatte drei Niederlassungen. Aber diese Ära geht jetzt dem Ende entgegen. Ende des Jahres wird das Kloster Maria Frieden als letzte Station der „Netter Schwestern“ in Mecklenburg aufgelöst.

Die fünf Schwestern, die nun am Patronatsfest ihrer Kirche um den Kaffeetisch sitzen, jammern nicht. Die Entscheidung ist richtig, sagen sie – allein wegen des fortgeschrittenen Alters der meisten. Ihr Auftrag ist erledigt. Es war eine gute Zeit – und eine lange Zeit. 

1954, vor 70 Jahren ist Schwester Gemma, die in Meppen mit neun Geschwistern aufgewachsen ist, nach Mecklenburg gekommen. „Als ich hörte, dass ich nach Mecklenburg sollte, habe ich mich riesig gefreut“, sagt sie. War ihr nicht klar, dass die Tätigkeit in der „Ostzone“ schwierig werden konnte? „Aber ich bin ja Missionsschwester! Genau das wollte ich!“ 

13 Jahre war Schwester Gemma in der Aspirantur in Graal-Müritz tätig. Diese Aspirantur, eine Vorstufe zur Ausbildung für katholische Erzieher und Sozialarbeiter, spielte in dieser Zeit eine wichtige Rolle. Auch Schwester Katharina gehörte zu den Jugendlichen, die sich dort nach einem pädagogischen Beruf umsahen. Aus dem Berufswunsch wurde schnell Berufung: Sie trat in den Missionsorden ein.

„Die kennen uns nicht. Wir müssen anfangen“

All das war lange vor dem Bau des Klosters. Zu dem Neubau in Mueßer Holz kam es, weil das Schwesternhaus in der Klosterstraße (heute Haus der Caritas) Schäden hatte. Schwester Gemma: „Es stand Feuchtigkeit im Haus, so dass die Schwestern krank wurden. Also haben wir gesagt: Wir müssen hier raus.“ 

Offiziell war der Bau hinter der ebenfalls neuen Andreaskirche nur „Wohnheim“ für ältere Ordensschwestern. Aber bald sprach auch Bischof Heinrich Theissing vom „Kloster“, das gleichzeitig zentraler Ort für die Mecklenburger Missionsschwestern sein sollte. 

Und der Name? Diese Frage war leicht beantwortet. Im Gästebuch des neuen Hauses standen immer wieder Sätze wie: „Es ist so ruhig bei euch, und so friedlich.“ Also: Maria Frieden. 

In ihrer Umgebung – einem Neubaugebiet für 30 000 Menschen – wollten die Schwestern keine bestaunten Exoten sein. „Wir hatten uns vorgenommen: Wir schauen alle Leute, denen wir begegnen, an und grüßen sie. Die kennen uns nicht. Wir müssen anfangen.“ Zur gleichen Zeit wurde auch die Gemeinde aufgebaut. Die Schutzmantel-Madonna, die heute in der St. Andreas-Kirche steht, wanderte von Familie zu Familie. Interessant war das Kloster Maria Frieden aber auch für ganz andere Menschen. Dem friedlichen Winterwald hinter den Fenstern sieht man nicht an, dass in den Bäumen einmal Senderanlagen versteckt waren, auch in den Telefonen im Kloster steckten „Wanzen“. Schwester Katharina erinnert sich noch an den Mann, der ihr immer wieder bei ihren Krankenbesuchen in der Straßenbahn folgte – ein bisschen zu auffällig. Eines Tages stellte sie ihn zur Rede, das war das Ende der Beschattung. 

Wo jeder Besucher etwas zu essen bekam

Die Zeit nach 1989 brachte neue Aufgaben für die Ordensfrauen. „Es kamen Kinder, die haben bei uns geklingelt, weil sie Hunger hatten“, erzählt Schwester Margret. Zum ersten Mal gab es Arbeitslose im Viertel, und offensichtlich auch viele Kinder, deren Eltern sich nicht um sie kümmerten. Und viele zog es zum Kloster, wo Schwester Margret und ihre Mitschwestern Essen für Bedürftige kochten. „Manchmal kamen 20 Leute“, sagt Schwester Margret. Um das Kloster herum wurde gespeist. „Und wenn das Essen mal nicht reichte, haben wir Stullen geschmiert.“ Der soziale Einsatz ist in anderer Form noch heute da. In einem Begegnungscafé treffen sich Menschen unterschiedlicher Nationalität, mit dem Angebot „Spielend Deutsch lernen“ hilft die Caritas Kindern, in einer neuen Umgebung heimisch zu werden. 

Die fünf Schwester verlassen nun ihre vorübergehende Heimat im Kloster Maria Frieden. „Was wir jetzt noch tun können, das können wir auch an einem anderen Ort tun“, sagt Schwester Andrea. Sie meint das Gebet für andere, das die Missionsschwestern immer mit ihrer nahen und fernen Umgebung verbunden hat. Schwester Andrea wird künftig in Twist an der holländischen Grenze tätig sein, Schwester Margret und Schwester Bernadette ziehen nach Wallenhorst, Schwester Gemma nach Meppen und Schwester Katharina ins Mutterhaus nach Osnabrück. „Wir gehen ja nicht in die Fremde und hängen nicht in der Luft. Auch die neuen Orte sind uns vertraut“, sagt Schwester Gemma. Die fast letzte Aktion der Schweriner Missionsschwestern war – wie so oft – ein Geben. Auf einem Tisch haben sie ihre ganze Haushaltseinrichtung nach und nach aufgebaut und verschenkt. Jeder konnte mitnehmen, was er wollte. 

Nun bleibt nur noch der Dank zum Abschied. Dafür gibt es einen besonderen Dankgottesdienst, zu dem Erzbischof Stefan Heße kommen wird: am Sonntag, 17. Dezember, um 11 Uhr in der St. Andreas-Kirche. 

Andreas Hüser