Eine Liebeserklärung Gottes an die Menschen

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Nach der Taufe übernimmt Stephanie Hilberink die Salbung mit Chrisamöl.
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Foto: Matthias Petersen

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Nach der Taufe übernimmt Stephanie Hilberink die Salbung mit Chrisamöl.

Bisher dürfen in der Regel nur Priester und Diakone das Taufsakrament spenden. Es sei denn, die Taufe ist eine „Nottaufe“. Das Bistum Osnabrück geht jetzt einen neuen Weg. Dort dürfen künftig auch Laien taufen. Am 24. November wird Weihbischof Johannes Wübbe 14 Laien mit diesem Dienst beauftragen. Seit Monaten schon haben sie sich darauf vorbereitet. Auch mit einer praktischen Übung.

Wer hat das nicht schon mal bei einer Taufe erlebt? Ein Baby, das sich einfach nicht beruhigen lässt und Eltern, Paten und dem Taufspender den Schweiß auf die Stirn treibt. Das vermeintliche Baby, das Heike Bertke jetzt in den Arm nimmt, wird heute nicht schreien. Streng genommen wird es nicht einmal getauft werden, wenn auch sämtliche dafür nötigen Utensilien neben dem Taufbecken bereitgestellt sind: Weihwasser, Taufkerze, das weiße Taufkleid, Chrisamöl. Marie, wie der Täufling genannt wird, ist nämlich eine Puppe, und Bertke hat die Rolle der Mutter nur für eine Übung übernommen. In der Fürstenauer Kirche St. Katharina proben heute Frauen und Männer, die demnächst die Beauftragung für eine außerordentliche Taufspendung erhalten. Das Bistum Osnabrück geht damit einen Sonderweg. 

Die ordentliche Taufspendung dürfen nur geweihte Männer vornehmen: Diakone, Priester, Bischöfe. „Außerordentlich“ taufen darf jeder. Zum Beispiel, wenn ein Baby droht zu sterben. Dann kann eine anwesende Person eine sogenannte Nottaufe vornehmen. Diese besitzt alle Gültigkeit, auch wenn das Baby doch überlebt. Da es im Bistum Osnabrück aber immer weniger „ordentliche“ Taufspender gibt, kam vor längerer Zeit der Gedanke auf, die außerordentliche Taufe zu ermöglichen. Im Laufe der Jahre hatten sich immer wieder Gemeindemitglieder beim Bischof gemeldet und gefragt, ob es die Möglichkeit gibt, die Taufe zu spenden. Vor seinem Rücktritt als Bischof hatte Franz-Josef Bode diese Möglichkeit noch angeschoben, die Notlage gewissermaßen zur Regel erklärt. Zumindest für besonders betroffene Regionen wie die Inseln oder ländliche Gebiete.


Pastoral gesehen ist das eine große Chance


Taufe durch Laien – im Großen und Ganzen ist der Vorschlag in allen Berufsgruppen (Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten) auf Zustimmung gestoßen. Theologisch könne man das diskutieren, pastoral sei es eine große Chance, heißt es heute. Kirchenrechtlich gibt es ohnehin kein Hindernis.  
Und so verabschiedete Franz-Josef Bode kurz vor seinem Rücktritt noch eine Ordnung für den außerordentlichen Taufritus. Für den ersten Ausbildungskurs wurden vor allem jene angesprochen, die sich schon länger dafür eingesetzt hatten und Leiter von Wort-Gottes-Feiern sind. Dann sollten verschiedene Gemeindestrukturen abgebildet werden, zum Beispiel sollte jemand von einer Insel dabei sein. Bewusst ausgeklammert wurde der großstädtische Bereich, weil vor allem in Osnabrück bisher ausreichend Priester und Diakone für eine Taufe zur Verfügung stehen. 

Bald ging es mit dem Kurs los, den 14 haupt- und ehrenamtliche Frauen und Männer mitgemacht haben. Auf dem Stundenplan stand Liturgie, Basiswissen für die Verkündigung und Exegese. Jetzt, beim letzten Treffen, geht es in die Praxis. Mit einer Puppe als Hauptperson. Nicola Santel ist als Taufspenderin vorgesehen. Heike Bertke fungiert als Mutter, Ruth Schmitz-Eisenbach als Patin. Kein Vater aufzutreiben? „Dann bin ich eben alleinerziehend“, sagt „Mutter“ Bertke trocken und hört Nicola Santel zu, die die Festgemeinde begrüßt und ein paar einladende Worte spricht. 

Dann wechseln die Rollen. Gerd Wieners mimt jetzt den Taufspender und spricht zunächst den Segen über das Taufwasser. Dabei hat er die Mutter und die Patin im Blick und wendet sich öfter an „Marie“, die doch das neue Gemeindemitglied werden soll. Carsten Lehmann, Diakon aus Osnabrück, greift zwischendurch immer mal wieder ein. Er hat den Kurs zusammen mit der Theologin Lisa Koch geleitet. Lehmann lobt viel, gibt Anregungen, weist auf Ungenauigkeiten hin, erzählt aus seiner eigenen Praxis. Schließlich kommt der wichtigste Moment: Wieners gießt dem Täufling Wasser über den Kopf. Und auch wenn es nur eine Übung ist, scheint jeder zu spüren, dass es sich um einen besonderen Moment handelt.


Ist zum gewünschten Termin ein Gastpriester auf der Insel?


Christiane Dettmer gehört zu denjenigen, die aus regionalem Gesichtspunkt zur außerordentlichen Taufspenderin bestellt wird. Sie ist Pfarrbeauftragte auf der Insel Juist und damit für alles zuständig, was sich in der Gemeinde abspielt – ob Sonntagsgottesdienst, Firmvorbereitung, Bestattung, ob Bildungsarbeit, Hostienbestellung oder das Einsammeln von Pferdeäpfeln auf dem Weg vor der Kirche. Taufen kommen in der Gemeinde immer wieder vor, allerdings selten unter den wenigen Einheimischen. Meistens sind es Urlauber. 

Sie muss dann in den Kalender gucken. Ist zum gewünschten Termin ein Gastpriester anwesend? Wenn nicht, muss sie ablehnen. Vor kurzem musste sie zum ersten Mal nicht ablehnen. Dettmer konnte sich für den Terminwunsch im Frühjahr 2024 selbst als Taufspenderin anbieten, was auf Zustimmung stieß. „Nur eine Frage hatten sie: nämlich, ob die Taufe auch im Erzbistum Paderborn gültig sein wird“, sagt Christiane Dettmer und lächelt. Die Bedenken konnte sie nehmen. 

Nicola Santel aus Hollenstede hat bereits mehrere Nottaufen gespendet. Als Hebamme half sie schon vielen Babys auf die Welt – einzelne waren nicht lebensfähig. Darüber hinaus merkt sie bei der Begleitung von Familien, die sich auf eine Geburt vorbereiten, wie wichtig vielen diese Aufnahme des Kindes in die Gemeinschaft der Kirche ist. Santel selbst hat fünf Kinder. „Für uns war es selbstverständlich, dass sie getauft werden“, sagt sie. Und so hat sie sich gefreut, als sie gefragt wurde, ob sie am Taufkurs teilnehmen möchte. „Ich finde es unglaublich wichtig, dass Laien jetzt auch ein Sakrament spenden können.“ Wann sie das erste Mal zum Einsatz kommt, wird sie noch mit den anderen außerordentlichen Taufspenderinnen aus ihrer Pfarreiengemeinschaft absprechen. Auf jeden Fall wird sie im nächsten Jahr das Kind ihrer Schwester taufen, das in diesen Tagen zur Welt kommen soll.  

Ursula Wingert aus Leer ist seit vielen Jahren Leiterin von Wort-Gottes-Feiern. Über Taufspendung hat sie sich nie Gedanken gemacht, bis vor eineinhalb Jahren eine junge Mutter auf sie zukam und fragte, ob sie ihr Kind taufen könne. „Danach hat mich das nicht mehr losgelassen und ich habe dem Bischof einen Brief geschrieben, in dem ich ganz formal die Tauferlaubnis beantragt habe.“ Die Antwort kam vom Bischöflichen Seelsorgeamt: Man sei dran am Thema, werde aber zunächst Hauptamtliche mit dieser Aufgabe betrauen. „Einige Zeit später hieß es, der Zug sei aufs Gleis gesetzt und auch als Ehrenamtliche könne ich nun dabei sein.“ Als Religionslehrerin am Gymnasium kennt sie sich auch mit theologischen Fragen aus. Im Taufkurs hat sie erlebt, „mit wie viel Freude wir alle dabei sind“. Die praktischen Übungen fand sie wertvoll: „Das ist eine schöne Tätigkeit. Die Puppen haben einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie es werden könnte.“ Spätestens am 7. Juli 2024 wird sie zum ersten Mal ein Kind taufen. „Unser Pfarrer hat eine entsprechende Terminanfrage bekommen. Und weil er dann nicht da ist, hat er das an mich weitergegeben.“


Katechetinnen sind mit „viel Liebe und Herzblut“ dabei


Christian Griep-Raming schwärmt. Der Pfarrbeauftragte erzählt von 16 Frauen, die schon seit langer Zeit Familien auf die Taufe eines Kindes vorbereiten. Griep-Raming bescheinigt den Katechetinnen „viel Liebe und Herzblut“ in ihrem Engagement. Einige von ihnen werden jetzt auch beauftragt. Begeistert beschreibt Griep-Raming das Sakrament der Taufe, das eine intensive Nähe zwischen Gott und Mensch zeige. „Die Taufe ist die Liebeserklärung Gottes an die Menschen. Sie zu spenden, ist für mich eine wunderbare Aufgabe.“ Dass das jetzt auch Laien übernehmen dürften, zeige ein „Zusammensein auf Augenhöhe“. 

Am Freitag, 24. November, wird Weihbischof Johannes Wübbe in einem Gottesdienst im Dom die 14 Frauen und Männer offiziell beauftragen. 

Matthias Petersen