Das Ethik-Eck: "Fastenessen für Afrika"

Erster Schritt oder sinnlose Übung?

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Die Frage lautet diesmal: „Jetzt ist wieder die hohe Zeit der Fastenessen für Afrika. Ich finde das einen Hohn. Denn erstens wird dabei ja nicht gefastet, sondern sich der Wanst vollgestopft. Und zweitens tun wir immer so, als wäre es mit dem Almosen-Geben gut getan. Müssten wir nicht viel lauter mitkämpfen für andere Strukturen im Welthandel?“


Ein erster Schritt
Herzlichen Glückwunsch: Anscheinend hat das Fastenessen für Afrika bei Ihnen einen Prozess verstärkt oder neu angestoßen. Man merkt Ihnen an, dass Sie sich intensiv mit weiterführenden Fragen zum Welthandel und der sozialen Gerechtigkeit beschäftigen.


Bernadette Wahl
hat Theologie und Religionspädagogik
studiert, ist systemische Beraterin
und arbeitet für das Bistum Fulda in
der Citypastoral.

Bei den lokalen Fastenessen in Kirchengemeinden, von denen es gar nicht mehr so viele gibt, wie man meinen könnte, geschieht ein erster Schritt: Menschen, die sich sonst weniger oder kaum damit beschäftigen, werden bei den Fastenessen sensibilisiert und zur weiteren Auseinandersetzung ermutigt. Die Spenden, die dort gesammelt werden, gehen an Misereor, eines der größten Hilfswerke in Deutschland, das in der Arbeit für globale Gerechtigkeit vor allem auf Subsidiarität setzt: Misereor unterstützt Menschen, sich selbst zu helfen. Damit gewährleistet Misereor einen nachhaltigen Beitrag.
Ihre engagierte Reaktion auf ungenügende Maßnahmen und das fehlende Verständnis für die große Ungerechtigkeit und Not, die anderen Menschen widerfährt, halte ich für angemessen. Ja, Sie haben recht: Wir müssen mehr tun, als Fastenessen zu organisieren und danach wieder so weiterzumachen wie bisher. Trotzdem sind Fastenessen ein guter erster Schritt, um Bewusstsein zu bilden und die Thematik bei den Menschen hier in ihrer Gemeinde wach zu halten.
Es geht sicher vielen Menschen wie Ihnen – sie lassen sich anrühren von der Not und der Ungerechtigkeit, die weltweit erfahren wird, und wollen helfen. Und das mehr, als ein Fastenessen leis-ten kann. Dafür gibt es einige Optionen: Nachdem Sie jetzt selbst sensibilisiert wurden, könnten Sie es sich zur Aufgabe machen, andere Menschen in Ihrem Umfeld zu sensibilisieren. Ich fände es spannend, Freunde und Bekannte einmal danach zu fragen, wie sie mit diesen Fragen nach Not und Gerechtigkeit weltweit umgehen.
Wenn Sie sich weiter engagieren wollen, könnten Sie schauen, inwiefern Sie und Ihre Kirchengemeinde vor Ort schon etwas getan haben, um einen Beitrag für eine gerechtere Wirtschaft und Umwelt lokal zu leisten. Konkret: Ist unser Pfarrfest schon „fair“ – oder nutzen Sie noch viel Plastik beim Grillen? Ist unser Pfarrbüro schon klimaneutral?
Auch ein Engagement bei Misereor direkt ist möglich, auch wenn das Zentralbüro in Aachen ist. Auf der Homepage finden Sie über das Stichwort „Ehrenamt“ viele politische, praktische und innovative Projekte, bei denen Sie sich nach Zeit und Ressourcen einbringen können.

 

Etwas versuchen
Ja – ohne Einschränkungen – das wäre gut und wichtig: kämpfen für andere Strukturen im Welthandel. Für den fairen Handel im Eine-Welt-Laden stehen, eigene Konsumgewohnheiten ändern oder sich reinhängen und politisch engagieren.


Ruth Bornhofen-Wentzel
war Leiterin der Ehe- und
Sexualberatung im Haus der
Volksarbeit in Frankfurt.

Wirklich wichtig – aber warum steckt hier so viel Ärger drin auf die, die es anders machen?
Sich einsetzen für gerechte-ren Welthandel, bedeutet ein zähes Ringen, das Ausdauer, Geduld und immer wiederkehrende Initiative fordert. Und manchmal wie ein Kampf gegen übermächtige Gegner erscheint.
Ein Kampf, der Kraft braucht und manchmal erschöpft. Wie bei allen gesellschaftlichen
Veränderungsprozessen, wie auch in der Klimakrise, ist es schwer auszuhalten, dass sich scheinbar so wenig und alles so langsam ändert. Und auch Resignation und Angst klopfen an, dass sich das alles nie ändert: der Hunger, die Ausbeutung, die weltweite Ungerechtigkeit.
Ärger kann da helfen, aus diesen miesen Gefühlen herauszukommen. Zorn über die Akteure des Welthandels sowieso. Aber die sind weit weg und schwierig zu erreichen. Und manchmal ist es gar nicht so klar, um wen es genau geht.
Der Ärger sucht sich dann ein Ziel. Und findet es hier bei denjenigen, die es sich scheinbar leicht machen. Die „nur“ Almosen geben oder sich zum Fastenessen treffen und dabei noch gute Laune haben.
Schade!
Tatsache ist ja, dass die, die etwas geben, sich auch engagieren wollen. Auch die, die spenden, tun was.
Und die, die zum Essen kommen, treffen sich oft für mehr. Unter dem Gedanken der Solidarität geht es oft um ein bestimmtes Land oder Projekt. Es wird nicht nur ein ungewohntes Rezept ausprobiert und gegessen, was in dem Projektland auf den Tisch kommt. Es werden auch Informationen angeboten, vielleicht öffnen sich sogar neue Perspektiven.
Sind das nicht einfach unterschiedliche Wege und Versuche, sich mit den Weltproblemen zu befassen? Sich den erschütternden Nöten, den schrecklichen Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen zu nähern?
Alles Versuche, sich einzufühlen in die Lebenssituation anderer, Beziehung aufzunehmen. Nicht hier auf der Insel der Seligen zu bleiben, sondern die Probleme an sich heranzulassen.
Und etwas zu tun: ob Spenden, Aktionen, Projekte, politischer Kampf; etwas zu tun – im Rahmen der eigenen Möglichkeiten.
Die Schwierigkeiten sind übergroß und
überfordern den einzelnen. Keiner hat die einzig richtige Lösung. Man könnte gut verzweifeln. Oder anerkennen, dass viele etwas versuchen und dass alle diese Versuche wertvoll sind.

 

Strukturen hinterfragen
Bei Ihrer Frage kommt mir ein Zitat des Theologen Burkhard Hose in den Sinn: „Man kann nicht Suppe an Arme ausschenken, ohne irgendwann die Frage zu stellen, warum die Armen eigentlich arm sind.“ Ich erlebe selbst oft ein Gefühl der Überforderung angesichts der vielen Ungerechtigkeiten auf der Welt. Wenn ich Geld spende, dann befreie ich mich zumindest etwas aus dieser Überforderung. Ich nehme das Heft des Handelns in die Hand. Grundsätzlich sind Geldspenden gut, denn viele Hilfsorganisationen sind darauf angewiesen. Allerdings bleibt damit die Frage nach der gerechten Verteilung von Ressourcen außen vor.


Stefan Huber ist
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Lehrstuhl für Theologische
Ethik an der Otto-Friedrich-
Universität Bamberg.

Von strukturellen Aspekten der Armut ganz zu schweigen. Um es mit den Worten Hoses zu sagen: Man kann nicht Geld an Bedürftige spenden, ohne irgendwann die Frage zu stellen, warum die Bedürftigen eigentlich Not leiden.
Ich glaube daran, dass Christ:innen den Auftrag haben, am Reich Gottes mitzuwirken. Und das heißt auch: die Welt und menschengemachte Strukturen zu hinterfragen. Reich Gottes verstehe ich als etwas, bei dem Menschen immer wieder neu anfangen. Reich Gottes heißt, die Gleichgültigkeit gegen-über den vielen Problemen auf der Welt überwinden. Heißt, sich einzusetzen für gerechte Strukturen. Unser Miteinander lebt vom Engagement Einzelner, die sich (ehrenamtlich) in verschiedenen Einrichtungen und Organisationen für eine gerechtere Welt einsetzen. Sie konzentrieren sich dabei nicht nur auf Geldspenden, sondern formulieren unter anderem Forderungen an die Politik. Das Fastenessen kann auch so ein „Ideenort“ für das Engagement für eine gerechtere Welt sein. Denn im Kern geht es hier um Solidarität. Sprichwörtlich blicke ich dabei über meinen eigenen Tellerrand hinaus. Ich nehme die Menschen in den Blick, denen es schlechter geht als mir. Dass ich dabei selbst etwas erhalte, Gemeinschaft und eine warme Mahlzeit, macht mir sinnlich klar, wie wichtig beides ist: Nahrung und Tischgemeinschaft.
Und: Vielleicht nutze ich die Gelegenheit, meine Tischnachbarn anzusprechen, sie zu fragen, wie sie sich bei all der Not auf der Welt fühlen und wie sie damit umgehen. Vielleicht ergibt sich daraus ein konkretes Engagement für eine gerechtere Welt?