Kein Bach zum Bügeln

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Dommusikdirektor Christian Weiherer vor dem Pult der Beckerath-Orgel im St. Marien-Dom.
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Foto: Andreas Hüser

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Dommusikdirektor Christian Weiherer vor dem Pult der Beckerath-Orgel im St. Marien-Dom. Seit kurzem verfügt er auch über eine sogenannte Truhenorgel, die beweglich ist. Sie kommt auch bei der Konzert­reihe „Passion Paths“ zum Einsatz und gestattet es, den Raum der Kirche variantenreich zu bespielen.

Mit der Konzertreihe „Passion Paths“ bietet Dommusikdirektor Christian Weiherer zur Fastenzeit in der Kathedrale ein besonderes Erlebnis, indem er Stile verschiedener Epochen miteinander korrespondieren lässt.

„Das Ganze ist total heterogen“, bricht es geradezu aus Christian Weiherer heraus. In der Tat: Schon beim ersten Konzert der vierteiligen Musikreihe „Passion Paths“, das am Freitag, 1. März um 19.30 Uhr im St. Marien-Dom geboten wird, trifft der Liederzyklus „Winterreise“ des Romantikers Franz Schubert auf die barocken Orgelklänge Johann Sebastian Bachs. Später sind gregorianische Choräle zusammen mit Saxophonklängen zu hören und Dietrich Buxtehudes medidative Passionskantaten „Membra Jesu Nostri“ treffen auf zeitgenössische elektronische Musik. Auch die künstlerische Begegnung zweier Franzosen findet in der Bistumskathedrale statt, und zwar im zweiten Konzert am 8. März um 19.30 Uhr, wenn „Der Kreuzweg“ des Organisten Marcel Dupré und Texte von Paul Claudel zu hören sind.

„Jedes der vier Konzerte bringt etwas zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammenzugehören scheint“, erläutert Weiherer. „Das ist ein Steckenpferd von mir“, bekennt der 52-Jährige. Natürlich könne man Buxtehude oder die Winterreise auch allein aufführen. „Das gibt es aber so oft.“ Wenn man das wolle, könne man sich auch eine Schallplatte auflegen oder die Stücke strea­men. „Mich interessiert aber, in welchen Kontext ich das stellen kann. Was kann ich den Stücken noch an anderen Gedanken mitgeben? Wie bringe ich sie in die heutige Zeit?“ Eben das macht die Aufführungen im St. Marien-Dom auch zu einer außergewöhnlichen, einzigartigen Attraktion, die nur dort zu erleben ist. „Mir ist es lieber, wenn sich jemand über mein Programm aufregt, als es nur nett zu finden“, ergänzt Weiherer. „Ich will keinen Bach zum Bügeln oder Mozart für die Badewanne bieten. Das hat zwar auch seine Berechtigung, ist aber etwas Privates und nichts, was man in der Öffentlichkeit teilen sollte.“

Es seien vier verschiedene Arten der Annäherung an ein und dasselbe sie verbindende Thema, nämlich die Passion, sagt der Dommusikdirektor. Dabei ergänzten sich die verschiedenen Stücke auch. „Bei Schuberts Winterreise beispielsweise stellt sich ein verzweifelter Wanderer Fragen. Die bleiben aber in dem Liederzyklus schlussendlich unbeantwortet. 

Bach gibt dann die Antworten mit seiner vollkommenen Musik, gibt eine geistliche Antwort auf die weltlichen Fragen eines Leidenden.“ Auch bei der Leidensgeschichte Jesu, bei der Passion gehe es ja um ein Ergebnis, darum, wo das Ganze hinführe, erläutert Weiherer weiter. Demnach stellt Bachs Musik gewissermaßen das Ergebnis dar. 

Duprés Kreuzweg sei die direkteste Annäherung an die Passion, eigentlich nur ein Ausschnitt aus der Passion. Beim dritten Konzert werde das Geschehen vom Palmsonntag ausgehend dargestellt. „Am Schluss befinden wir uns thematisch schon nach der Kreuzigung, denn Buxtehudes Kantaten sind ja Meditationen über den Leib Jesu.“

Neue Formate für neues Publikum

Wichtig ist Weiherer auch, dass der Raum der Kathedrale bespielt wird. „Die Künstler werden sich bewegen. Die Schola beispielsweise wird gregorianische Gesänge an verschiedenen Orten darbieten, der Saxophonist Chris­tian Segmehl wird mal im Statio­gang und dann wieder auf der Empore spielen. „Es wird keine statische Aufführung sein, wie sie typischerweise im Konzertsaal geboten wird.“ 

Für die Aufführungen konnten Weiherer und Domkantor Ulrich Cordes, der auch im ersten Konzert auftritt, renommierte Musiker gewinnen. So die Akkordeonspielerin Margit Kern und den Organisten Frank Stanzl, die ebenfalls am 1. März auftreten werden. Eine Woche später sind dann der Organist Norbert Düchtel und der Sprecher Peter Bieriunger im Dom zu Gast. Am 15. März tritt neben der Schola des Mariendoms der Saxophonist Christian Segmehl auf. Und beim abschließenden Konzert am 22. März sind das Ensemble Vox cathedralis, das Ensemble Schirokko und der Elektro-Musiker Randomhype zu hören. „Es kann sein, dass er auf die Musik Buxtehudes live reagiert. Vieles ist vorbereitet, aber es bleibt ausreichend Spielraum zur Improvisation“, betont Weiherer.
Neuartig und ungewöhnlich an der Reihe ist auch, dass nach den Konzerten die Zuhörer bei Brot und Wein im Statiogang mit den Künstlern ins Gespräch kommen können. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch großes Interesse daran besteht, dass die Ausführenden den Zuhörern erzählen, was sie bei der Musik bewegt“, sagt Weiherer. Außerdem könnten Fragen aufkommen, an die man selbst vorher nicht gedacht habe.

Seit Weiherer vor eineinhalb Jahren Dommusikdirektor geworden ist, probiert er immer wieder neue Dinge aus – so auch mit dieser Reihe. „Es ist der Versuch, neue Kanäle zu bedienen und neue Wege zu finden, um den Dom stärker in Erscheinung treten zu lassen“, sagt er. Es verbindet sich damit also auch die Hoffnung, viele Menschen und neues Publikum in die Kathedrale zu locken.

Der Eintritt zu einem Konzert kostet 15 Euro, ermäßigt 8 Euro. Es kann auch ein Kombiticket für die ganze Konzertreihe für 45 Euro, ermäßigt 24 Euro erworben werden. Der Vorverkauf findet bei der Dom-Info „Geist und reich“ sowie der Konzert­kasse Gerdes statt. Weitere Informationen auf der Website 
www.mariendomhamburg.de

Matthias Schatz