Grabesritter – ein Laienorden

Ritter für das Heilige Land

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Grabesritter in Jerusalem
Nachweis

Foto: privat/Komturei Hildesheim

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Hildesheimer Ritter vom Heiligen Grab nehmen an der Palmprozession am Palmsonntag 2019 teil. Auf ihren Mänteln prangt das Jerusalemer Kreuz, das Symbol des Laienordens.

In einem feierlichen Gottesdienst in Vechta wurde die Präsidentschaft des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem an Georg Graf von Kerssenbrock übergeben. Damit steht Kerssenbrock den Mitgliedern des päpstlichen Laienordens in der Norddeutschen Provinz vor und löst nach acht Jahren Arnold Spallek ab. Auch in der Komturei St. Oliver in Hildesheim steht ein Wechsel an. Andrea Weinhold-Klotzbach übernimmt demnächst die Leitung der Komturei von Michael Brandt.

Die Verehrung des Heiligen Grabes in Jerusalem hat eine lange Tradition. Schon im frühen Mittelalter war das Grab Christi Ziel zahlreicher Pilger. Sie riskierten ihr Leben, um in Jerusalem dem Gekreuzigten und Auferstandenen im Gebet nahe zu sein. Die wachsende Wallfahrtsbewegung ins Heilige Land zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist die Wurzel des Pilgerordens der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem. „Wichtig ist dabei, dass dieser Ritterorden erst nach den Kreuzzügen entstanden ist und so keine Altlasten aus der Kreuzfahrerzeit mit sich trägt“, sagt Andrea Weinhold-Klotzbach, die designierte Leiterin der Komturei St. Oliver in Hildesheim. Damals übertrug der Papst dem Leiter der Jerusalemer Franziskanerniederlassung die Befugnis, adeligen Pilgern den begehrten Ritterschlag am Heiligen Grab zu erteilen. 

Diese Ritter schlossen sich in der Heimat zu lockeren bruderschaftsähnlichen Gruppen zusammen. War anfangs nur Adeligen der Ritterschlag vorbehalten, konnten ab Ende des 15. Jahrhunderts auch Nicht-Adelige den Ritterschlag empfangen.

Neubeginn des Ritterordens

Als 1847 das Lateinische Pat­riarchat in Jerusalem wiederhergestellt wurde, übertrug der Papst die Erlaubnis zur Erteilung des Ritterschlags dem Patriarchen und gab 1868 dem Ritterorden als päpstlichem Orden eine feste Struktur und eine Aufgabe. Die hat sich bis heute nicht geändert. Wie es in der Satzung heißt, sollen die Mitglieder des Ritterordens den Eifer für die Verteidigung und Förderung des katholischen Glaubens im Heiligen Land in den Herzen der Menschen entzünden. Wie Weinhold-Klotzbach betont, heißt das: „Der Orden  unterstützt Bildungs- und Sozialprojekte im Heiligen Land – vor allem in Israel, Palästina und Jordanien.“ 

Ohne Ansehen von Religion und Volkszugehörigkeit

Genutzt werden die Einrichtungen von Christen, Juden und Muslimen. Konfession, Religion, Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit spielen für die Ordensmitglieder keine Rolle. „Wir wollen durch unser Engagement das Zusammenleben der Menschen im Heiligen Land fördern und so zum Frieden im Nahen Osten beitragen“, betont die Ordensdame und weist darauf hin, dass sich die deutschen Ordensmitglieder Sorgen um die hohe Zahl der christlichen Flüchtlinge machen, die aus Syrien und dem Irak Zuflucht in katholischen Gemeinden in Jordanien gefunden haben. „Dort leben in manchen Ortsgemeinden inzwischen mehr Flüchtlinge als Einwohner.“

Neben dem Bau und der Unterstützung  von Schulen, Hochschulen, Altenheimen, Kirchen, Krankenhäusern und Sozialstationen hat der Orden auch einen Soforthilfefonds eingerichtet. Während über alle Projekte die Ordenszentrale in Rom entscheiden muss, kann über den Soforthilfefonds der Lateinische Patriarch in Jerusalem mit seinen Priestern frei verfügen. „So kann unbürokratisch und schnell christlichen Familien oder Einzelpersonen geholfen werden, die in Not geraten sind“, betont Weinhold-Klotzbach.

Das Jahr 1868 gilt als Gründungsjahr des heutigen Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, in den seit 1888 auch Frauen aufgenommen werden. Sie werden als Ordensdamen oder kurz Damen bezeichnet. 

Strukturiert ist der weltweite Orden in Statthaltereien, die jeweils in Ordensprovinzen unterteilt sind. Die kleinste Einheit bilden die örtlichen Komtureien. „Eine solche Komturei gründete die damalige Niedersächsische Ordensprovinz der Deutschen Statthalterei 1965 in Hildesheim. Die Komturei St. Altfrid war die erste im Bistum Hildesheim. Nachdem die Mitgliederzahl stark gewachsen war, wurde 1982 beschlossen, sie zu teilen. So wurden die beiden heutigen Komtureien St. Altfrid Braunschweig und St. Oliver Hildesheim promulgiert“, erläutert die zukünftige Leiterin der Komturei St. Oliver.

Mit Rittercodex fit für das 3. Jahrtausend

Als Papst Paul VI. 1977 die neue Fassung der Ordenssatzung bestätigte, hat er ein neues Kapitel der Ordensgeschichte aufgeschlagen. So heißt es in der aktuellen Satzung: „Im Orden leben die ritterlichen Ideale in neuzeitlicher Form weiter im Geist des Glaubens, des Apostolates und der 

christlichen Caritas.“ 
Bei offiziellen Treffen fallen die Ordensritter und Ordensdamen durch ihre Ordenskleidung auf. Die Ritter tragen schwarze Baretts und weiße Mäntel, die Damen schwarze Mäntel mit einem schwarzen Schleier. Auf der linken Seite der Mäntel befindet sich jeweils das Jerusalemer Kreuz, ein fünffaches Kreuz als Symbol für die fünf Wundmale Jesu. Die Kleidung und der Ritterschlag bei der Investitur erinnern zwar an das Mittelalter, doch die Ritter vom Heiligen Grab leben im Hier und Jetzt. 

Kein Ritter, aber Ordensdame: Andrea Weinhold-Klotzbach. Foto: privat

„Da  hat sich einiges verändert. Vieles geschah früher unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ganz bewusst tritt der Orden heute offener in Erscheinung. Viele Veranstaltungen wie auch unser 50-jähriges Jubiläum 2015 oder die Investituren, die Aufnahme neuer Ordensmitglieder, finden in Gemeindegottesdiensten statt. Über die Investituren mit Ritterschlag und Einkleidung mit dem feierlichen Gelöbnis wird immer wieder in den öffentlichen Medien berichtet“, so Weinhold-Klotzbach. Damit soll deutlich werden, dass der Ritterorden auch Verantwortung für die Gesellschaft trägt und kein Geheimbund ist.

Der Kardinalgroßmeister, der im Auftrag des Papstes den Orden leitet, hat 1999 Richtlinien zur Erneuerung des Ordens im Hinblick auf das 3. Jahrtausend erlassen. Grundlage ist dabei der mittelalterliche Rittercodex – allerdings in einer modernen und dem Ritterorden angepassten Fassung. So haben auch in der heutigen Zeit die ritterlichen Tugenden ihre Gültigkeit: Prudentia (Klugheit), Justitia (Gerechtigkeit), Fortitudo (Tapferkeit) und Temperantia (Maß) sind heute wie früher entscheidende Eigenschaften, die alle Ordensmitglieder erstreben sollen, um für ihren besonderen Auftrag, die Sorge für die Menschen im Heiligen Land, gerüstet zu sein. „Ohne Ritterrüstung und Schwert, sondern in geschwisterlichem und sozialem Engagement“, sagt Weinhold-Klotzbach.

 

 
Zur Sache

Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem …

… ist ein päpstlicher Orden, eine Gemeinschaft des Betens, der Spiritualität und der Aktion. Ihm gehören katholische Laien – Frauen und Männer – und Geistliche an.
… hat zum Ziel die Förderung der christlichen Lebensführung seiner Mitglieder.
… gibt geistige und materielle Unterstützung für die Aktivitäten und Einrichtungen der katholischen Kirche im Heiligen Land, insbesondere der des Lateinischen Patriarchats. 
… finanziert diese Unterstützung aus Jahresbeiträgen und Spenden.
… pflegt Gemeinschaft in Gottesdiensten, Vorträgen und Gesprächen sowie Pilgerfahrten.
… ist weltweit in 35 Staaten verbreitet, mit circa 30 000 Mitgliedern in 59 Statthaltereien (Stand November 2013).
… wird geleitet durch den Kardinalgroßmeister in Rom, Großprior ist der Lateinische Patriarch in Jerusalem.
… hat in der Deutschen Statthalterei rund 1400 Mitglieder in 6 Ordensprovinzen mit 38 Komtureien.
… wählt seine Mitglieder unter geeigneten Persönlichkeiten, die Gewähr bieten, die Ordensziele zu erfüllen. Eine Bewerbung um die Mitgliedschaft ist nicht möglich.
 

Edmund Deppe