Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus
„Sollten uns Sorgen machen“
Rechte Tendenzen in der Gesellschaft nehmen zu. Die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ in Rheinland-Pfalz unterstützt Menschen, die sich dagegen wenden. An diesem Angebot wirkt auch die Kirche mit. Von Anja Weiffen
Erst vor ein paar Tagen warnte Generalbundesanwalt Peter Frank wieder vor der sogenannten Reichsbürger-Szene. Im Dezember gab es dort wegen eines geplanten Staatsstreichs eine Großrazzia. Was medial wie ein einzelnes Ereignis wirkt, ist für die Mitarbeitenden der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz“ Dauerthema. Seit rund 15 Jahren gibt es die „Mobile Beratung“. Ihre Aufgabe ist es, Menschen, Gruppen und Einrichtungen in der Region zu unterstützen, die mit Rechtsextremismus und Rechts-populismus konfrontiert sind und etwas dagegen tun wollen. Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Mainz ist hier mit im Boot.
Parlamentserstürmung als Symbol
Auf die Frage, ob sich Bürgerinnen und Bürger nach der Reichsbürger-Razzia Sorgen machen müssen, bestätigt ein BDKJ-Mitarbeiter in der „Mobilen Beratung“: „Ja, Sorgen sollten wir uns schon machen; wir wissen, dass Vertreter:innen dieser Denkrichtung im wahrsten Sinn des Wortes missionarisch unterwegs sind.“ Die Ereignisse um die Reichsbürger hätten ihn nicht verwundert. Auch Geschehnisse wie Parlamentserstürmungen, 2021 in den USA oder vor kurzem in Brasilien, seien Symbolhandlungen. Auch in Deutschland gab es Ansätze zum Beispiel während der Corona-Pandemie oder kürzlich beim Versuch der Erstürmung des Kreistags in Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern. Sorgen machen sich die Mitarbeitenden der „Mobilen Beratung“, dass sich Szenen vermischen und sich neurechte und antidemokratische Argumentationslogiken in bürgerlichen Milieus verbreiten.
Von rechten Tendenzen hört man nicht nur in den Nachrichten, sie betreffen Menschen im Alltag, auch in Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Der Mitarbeiter der „Mobilen Beratung“ nennt Beispiele: „An manchen Kirchen gibt es Kriegsdenkmäler, und wenn dort jemand zu Daten, die eine rechtsextreme Gesinnung durchblicken lassen, Kränze niederlegt, beraten wir Kirchengemeinden, wie sie mit so einer Situation umgehen können.“ Auch wenn es in Teams von Einrichtungen oder Gemeinden Konflikte wegen rassistischer, antisemitischer und sexistischer Haltungen gibt, „kann sich die jeweilige Gruppen oder Person an uns wenden“, erläutert er mit dem Hinweis: „Die Beratung ist immer vertraulich.“
Die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz“ ist ein Angebot des Landes. „Der Staat delegiert diese Aufgabe auch an zivilgesellschaftliche Träger wie etwa die Kirchen. Daher ist die Mitarbeit des BDKJ bei der ,Mobilen Beratung‘ eine Dienstleistung, die in die Fläche des Bundeslands wirkt, wozu auch das kirchliche Leben gehört“, erklärt der Mitarbeiter. Aktuell wird sein Arbeitsbereich umstrukturiert. „Wir arbeiten jetzt statt wie bisher von neun sehr kleinräumlich zugeschnittenen Beratungsstellen aus mit vier ,Regionalstellen‘, die für größere Räume zuständig, aber mit einem deutlich günstigeren Personalschlüssel ausgestattet sind.“ Die „Mobile Beratung“ will auch vorbeugend wirken, denn rechtsextreme und antidemokratische Einstellungen „entstehen nicht mal einfach so aus dem Nichts“. Hier spielen auch Verschwörungserzählungen eine Rolle
(siehe „Zur Sache“). Der BDKJ-Mitarbeiter nennt sie „eine große Herausforderung unserer Zeit“.
Themen Familie, Frauen, Sexualität als Einfallstor
In kirchlichen Kreisen dienen die Themen Familie, Frauen und Sexualität als „Einfallstore“ für rechtes Gedankengut. Politische Gruppierungen nutzen sie für ihre Interessen. „Wir müssen unterscheiden, welches Politikangebot konservativ ist und welches letztlich völkische, nationalistische oder auch antidemokratische Inhalte mit sich führt oder vielleicht sogar als Grundlage hat“, sagt der BDKJ-Mitarbeiter. Die christliche Botschaft ist mit menschenverachtenden Haltungen nicht vereinbar. Texte zur Orientierung haben Christen zu Genüge. „Wir müssen sie nur wieder lesen wie das Dokument ,Gaudium et Spes‘ des Zweiten Vatikanischen Konzils.“ Entscheidend sei dabei eine zeitgemäße Bibelauslegung.
Kontakt Mobile Beratung RLP: regionalstelle-mitte@mbr-rlp.de, Telefon 0163 / 4 14 52 36
Literatur: Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen, (Nummer 305), www.dbk.de
Internetseite der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, https://bagkr.de
ZUR SACHE
Gesprächstipps
Die Mobile Beratung RLP gibt Empfehlungen zum Thema Verschwörungserzählungen: Vertreten Sie eine pluralistische Position und lassen Sie sich nicht dazu verleiten, eine Diskussion zu führen, die auf einem dualistischen Weltbild beruht. Unsere Welt ist komplex, und es kann durchaus hilfreich sein, eigene Ungewissheiten offen zu kommunizieren. Konzentrieren Sie sich darauf, die menschenfeindlichen Inhalte der Verschwörungstheorien aufzuzeigen. Nicht der Mensch als solcher sollte angegriffen werden, sondern kritisieren Sie konkret die Inhalte innerhalb der verschwörungs-theoretischen Aussagen, die ein autoritäres Weltbild, einen antidemokratischen Gesellschaftsentwurf oder antisemitische Narrative beinhalten.
Fragen können eine hilfreiche Methode sein, um Zweifel beim Gegenüber zu wecken. Fragen Sie nach möglichen anderen Ursachen. Auch hier ist es Ziel, die menschenfeindlichen Inhalte der Verschwörungstheorie aufzuzeigen und gleichzeitig zu verdeutlichen, dass es andere Erklärungen für die Ereignisse in unserer Welt gibt. Seien Sie sensibel in der Diskussion und versuchen Sie, Ihrem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen. Das Gefühl einer Ausgrenzung kann den Glauben an sein Weltbild verstärken.
Von Anja Weiffen