Wie viel Licht darf sein?

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Bildmotiv auf der Innenseite des Sommerbriefes von Erzbischof Stefan
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Das Bildmotiv auf der Innenseite des Sommerbriefes von Erzbischof Stefan. Es gab drei Versionen. Mecklenburger bekamen ein Foto mit Blick über die Müritz auf Waren. 

Der Sommerbrief des Erzbischofs an alle Katholiken sorgt für große Resonanz. Einige Empfänger sind begeistert und schicken ihre Licht-Fotos. Andere stört der Satz „Licht sei Dank!“. Muss es nicht heißen „Gott sei Dank?“

„Teil dein Licht!“ So hat Erzbischof Stefan Heße in seinem sommerlichen Brief die Adressaten aufgefordert. Dieser Brief ging an 280 000 Adressen, an alle katholischen Haushalte im Erzbistum. Im vergangenen Jahr hieß die Botschaft „Kein Haß“. Angeschrieben wurden nur junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. 

In diesem Jahr schrieb Erzbischof Stefan über etwas ganz anderes: Die Freude über das frühsommerliche Licht, die langen, sonnigen Tage – die im Norden noch länger hell sind als im Süden. „Licht sei Dank!“, heißt es auf einem großen Foto unter gelben Sonnenstrahlen. 

Dieser Brief hat viel Resonanz ausgelöst, von Begeisterung bis zur Kritik. „Es ist ähnlich wie bei den bisherigen Aktionen“, sagt Andreas Wöhrl, Leiter der Stabsstelle Statistik und Fundraising. „Etwa die Hälfte der Einsendungen sind Danksagungen und Zustimmung, die andere Hälfte ist kritisch, ablehnend, einige wollen auch gar nicht angeschrieben werden.“ Etwa 80 Briefe und 150 E-Mails haben Wöhrl und sein Stab gesammelt. Erstaunt ist er vor allem über die vielen eingesandten „Lichtbilder“. „Ich habe so etwa mit 20 Bildern gerechnet“, sagt Andreas Wöhrl. Aber heute kann man 400 eingeschickte Fotos auf der Internetseite www.lichtseidank.de bewundern. 

Doch es gab auch klare Kritik – und diese kam vor allem aus den kirchenverbundenen Adressatenkreisen. Zu wenig christliche Botschaft stecke in diesem Brief, so die Ansicht vieler Einsender. 

Es gebe wichtigere Themen, wozu der Erzbischof in diesen Tagen Stellung nehmen sollte, heißt es in einem Leserbrief: die Debatte über den Umgang mit Asylsuchenden an den EU-Grenzen, die hohen Zahlen der Kirchenaustritte etwa.

Die im Brief erwähnte Insel Sylt („17 Stunden und 6 Minuten – so lange steht die Sonne heute über Sylt am Himmel“) gab Anlass zu der Bemerkung: Sylt können sich nur wenige leisten.

Die Hamburger Gruppe der „Christians for Future“ vermisst den Aspekt des Klimawandels: „Wir verstehen und würdigen das Vorhaben des Erzbischofs, den Gläubigen die Augen zu öffnen für die Schönheit der Schöpfung“, heißt es in einem Offenen Brief der christlichen Umweltgruppe. „Bei all der guten Absicht vermissen wir jedoch ein Bewusstsein dafür, dass die Sonne nicht nur das Licht und die Wärme spendet, die uns und unseren Mitgeschöpfen gut tun. Im Gegenteil: Die Welt brennt.“ Die Kirche müsse in dieser Krise ihre „prophetische Aufgabe“ wahrnehmen und deutlicher für den Klimaschutz eintreten. Kontrovers diskutiert wurde der Brief auch in Kirchengemeinden. In Schwerin hing bis jetzt an vier Standorten das Brief-Motiv zusammen mit einer Alternativ-Version des Bildes. Statt „Licht sei Dank“ steht neben den Sonnenstrahlen: „Gott sei Dank – für das Licht“, ergänzt durch biblische und literarische Licht-Zitate aus Bibel und Choraldichtung. 

„Alle sind eingeladen, sich zu äußern“

Als Diskussionsanregung sei das zu verstehen, sagt der Initiator Dr. Georg Diederich – und als Reaktion auf „heftige Kritik“ in der Gemeinde: „Denn gerade die Katholiken im Osten Deutschlands haben über Jahrzehnte leidvoll erfahren müssen, wie mit der Verherrlichung einer allmächtigen Natur (Weltall, Erde, Mensch) die Aufgabe des Glaubens an Gott erzwungen werden sollte.“ 

Andreas Wöhrl äußert Verständnis für die Kritik, vertei­digt aber auch das Anliegen des Briefes. „Der Erzbischof äußert sich ja auch zu Umweltfragen oder Flüchtlingen.“ Der Sommerbrief aber sei kein Hirtenwort, das sich an die kirchenverbundenen Katholiken richte. „Dieses war ein Brief, der an alle geht – auch die vielen, die nicht in die Kirche gehen. Da muss die Botschaft niederschwellig sein.“ 

Dass ein Schreiben des Bischofs Diskussionen anrege, sei auch ein Erfolg. „Alle sind ja eingeladen, sich zu äußern und Rückmeldungen zu geben“, sagt Andreas Wöhrl. Wer keinen Brief wolle, könne sich aus dem Postverteiler streichen lassen. Oder statt eines Briefes auf Papier den gleichen Brief per E-Mail-Versand bestellen. Denn das senke die Kosten für eine solche Rundbrief-Aktion.

Andreas Hüser