Die Sorben in der Lausitz pflegen eigene Traditionen

Wjesołe jutry. Christus ist auferstanden!

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Die Sorben in der Lausitz sind eins der kleinsten Völker in Europa. Sie kamen vor 1300 Jahren in das Gebiet an Oder und Elbe und galten einst als die letzen Heiden. Als Christen haben sie dann später ihre
eigene Tradition entwickelt, das Osterreiten ist die bekannteste. 


Der auferstandene Christus vor einer historischen
Fahne der Oberlausitzer Osterreiter.

So viele Kreuze. Sie stehen an ruhigen Landstraßen, unter den frühlingskahlen Ästen der Bäume, am Feldrand, vor einfachen Häusern in Dörfern, die Nebelschütz heißen, Storcha, Ralbich oder Crostwitz und die du lange auf der Landkarte suchen musst. Die Kreuze stehen auf sorgältig geschlagenen Sockeln aus Sandstein, sind frisch und schwarz lackiert. Und wenn der auf goldenen Hochglanz polierte Christus sich umschauen könnte, würde er in eine wellige Landschaft blicken, in der sich hinter den Kurven die Dächer ducken und ein Kirchturm in den Himmel streckt.

Mal anhalten, den Text lesen auf einer eichenblattumrankten Kreuztafel, „mój serbski lud“, sich wundern: Was heißt das? Wäre ich von hier, dann könnte ich übersetzen: „Gnädiger Gott, erhalte gesund und rüstig mein sorbisches Volk“.

Ein frommer Wunsch, eine Art Stoßgebet von Jakub Bart-Ćišinski, einem Pfarrer und immer noch bekannten Dichter, auch wenn er schon über hundert Jahre tot ist. Gerne hätte er sich als Seelsorger mehr um das sorbische Volk gekümmert. Aber die kirchliche Obrigkeit sah in ihm nur einen aufmüpfigen Dickkopf und versetzte ihn nach Gutdünken in deutschsprachige Gemeinden weitab von seinen Leuten. Die nervenaufreibenden Konflikte kompensiert der Pfarrer mit der Flasche und landet für ein paar Jahre in der Trinkerheilanstalt. Im kurzen Ruhestand auf eigenen Wunsch (Bart-Ćišinski starb 1909 mit gerade 53) wird er zu einem wichtigen Sprecher der sorbischen nationalen Bewegung und schreibt eines seiner bekanntesten Gedichte: „Unser Land ist wirklich klein, mein Freund, klein auch unser Volk, das sorbische, wie ein winzig Inselchen, vom Meer umspült. Und doch, ich glaub‘ es fest, niemals werden seine Wogen überfluten unsern Erdstrich, Dörfer nicht und Höfe. O, dass jedes Sorbenherz ein Fels doch wäre, standhaft in der fremden Flut, jede Hand ein Schild und Liebe jeder Atemzug, und unser bleibt was unser sei: das Land, das Leben und das Lied.“
 


Bautzener Osterreiter, ein Gemälde von Gernhard
Benzig (um 1955).

Die kirchliche Obrigkeit scheint ihren Frieden mit dem seinerzeit ungeliebten Mitbruder gemacht zu haben. Im Park von Kloster Marienstern jedenfalls, einer alten Zisterzienserinnenabtei und bis heute wichtiges geistliches Zentrum der Oberlausitz, haben sie ihm ein Denkmal gebaut. Jedes Sorbenherz ein Fels? Machen wir den Test. „Sind Sie Sorbin?“ Die Serviererin im Klostercafé reagiert kurz angebunden. Was denn sonst?, fragt sie zurück und stellt den Teller mit Mohnkuchen mit mehr Nachdruck als nötig auf den Tisch. Noch ein Versuch, die ältere Kollegin ist gesprächiger. „Nu, so wie früher ist es nicht mehr, manche Traditionen brechen weg, das ist nicht zu ändern.“ Welche Traditionen? „Die Tracht zum Beispiel, die hängt meistens im Schrank. Nur am Sonntag oder zu den Festen wird sie noch angezogen. Höchstens alte Frauen sieht man damit noch in der Woche.“ Aber als Gemeinschaft fühle man sich immer noch. Und bei den Jungen gebe es in den letzten Jahren durchaus ein neues Selbstbewusstsein.

Selbstbewusstsein bei den jungen Leuten – keine schlechten Aussichten sind das für eine der offiziell anerkannten nationalen Minderheiten, zu denen in Deutschland noch Friesen, Dänen und Sinti und Roma gezählt werden. Wobei sich die Sorben auf ein Gebiet konzentrieren, das sich südlich von Berlin bis hinunter nach Görlitz erstreckt. Rund 60 000 sind es, so schätzt es die Domowina, eine Art politischer und kultureller Interessenverband mit Sitz in Bautzen. Die Urahnen der Sorben sollen vor 1300 Jahren in das Gebiet von Elbe und Oder gekommen sein, Aus dem Gebiet der nördliche Karpaten waren sie vor kriegerischen Reitervölkern der östlichen Steppen geflohen. Um die 50 Stämme, darunter Herellier, Raunen, Lusitzi, deren Namen heute niemand mehr kennt, haben Wissenschaftler rekapituliert. Lange galten sie als die letzten Heiden Europas. Selbst Karl der Große, der erst nach jahrelangen blutigen Kämpfen die Sachsen von den Vorzügen der christlichen Taufe hatte überzeugen können, schottete sich mit einer Art Limes gegen sie ab. Erst König Heinrich I. gab dann hundert Jahre später den Befehl für die letztlich erfolgreichen Eroberungsfeldzüge gegen die Elbslawen. Auf dem Fuß folgten den Truppen wie damals üblich die Missionare, wobei sich manche durch vorbildhaftes und überzeugendes Auftreten Anerkennung und Respekt erarbeiteten. Benno beispielsweise, ausgebildet im Hildesheimer Benediktinerkloster St. Michael und im 11. Jahrhundert Bischof von Meißen, wird von den katholischen Sorben als ihr Apostel und Heiliger verehrt.
 

Diese katholischen Sorben konzentrieren sich heute auf die Oberlausitz. Nördlich von Hoyerswerda, in der Niederlausitz, sind die Sorben überwiegend protestantisch – wobei es in Bautzen, der konfessionellen Grenzstadt, mit dem Dom St. Petri die erste und eine der größten Simultankirchen Deutschlands gibt: Seit 1543, allerdings erst nach heftigen Auseinandersetzungen, feiern Katholiken und Protestanten in der Kirche mit dem augenfälligen Knick in der Längsachse ihre Gottesdienste unter einem Dach – die einen im Langhaus, die anderen im Chor. Getrennt sind sie durch das sogenannte Lettnergitter. Eigentlich sollte es nach den umfangreichen Sanierungsarbeiten vor einigen Jahren als Zeichen der Ökumene veschwinden. Beide Konfessionen hatten sich bereits geeinigt, das Veto kam von unerwarteter Seite: Die Touristenführer kämpften vehement für die Absperrung, weil sie auf einen der skurillen Höhepunkte bei ihren Rundgängen nicht verzichten wollten.
 


Der slowenische Künstler Ane Trstenjak malte 1930
während einer Reise durch die Oberlausitz die Sorben
in ihrer Tracht.

Ein kurzer Fußweg, und wir können eintauchen in die reiche Tradition der Sorben: Das bemerkenswert gut gemachte Sorbische Museum auf dem Gelände der Ortenburg über der Spree mit Blick auf die alte Handelsstraße Via Regia bietet einen umfassenden Blick auf Geschichte, Kultur, Alltag und Sprache – und lohnt sich derzeit vor allem wegen einer Sonderausstellung, die das Osterfest in den Mittelpunkt stellt. Wie das noch heute gefeiert wird, hat die Sorben weit über die Lausitz hinaus bekannt gemacht.

Ein ganzer Raum zeigt kunstvoll verzierte Ostereier, filigrane Kunstwerke allesamt. Jahr für Jahr messen sich die Besten der Besten im Wettbewerb, die Sieger sind Stadtgespräch. Aber auch die alte Frömmigkeit behauptet sich: Noch treffen sich vor allem in den Dörfern während der Passionszeit die Mädchen zum Kreuzsingen, ziehen die Kinder mit Holzklappern zu den Wegekreuzen und ersetzen so das tägliche Angelusläuten.
Auch wenn die Zahl der Touristen Jahr für Jahr größer wird: Bittgänge und Prozessionen sind alles andere als fremdenverkehrsfördernde Trachtenumzüge, sondern nach wie vor Ausdruck einer tief verwurzelten Frömmigkeit. Das Osterreiten, bei dem hunderte Männer im schwarzen Anzug und mit Zylinder auf geschmückten Pferden erst Kirche und Friedhof umrunden und sich dann auf den Weg machen von Dorf zu Dorf, um die frohe Botschaft von der Auferstehung Christi weiterzutragen, ist immer noch ein Höhepunkt des Jahres. Das ließen sich die Sorben zu DDR-Zeiten von der Partei nicht nehmen, das ließen sie sich vor 150 Jahren nicht vom Bischof verbieten, der im Zeitalter der Aufklärung die alten Bräuche abschaffen wollte.

So ziehen sie hoch zu Ross mit dem Segen des Pfarrers über Land, beten mal leise und singen oft laut. Auch wenn sie an Ostro vorbeikommen. Da ist das Grab von Jakub Bart-Ćišinski, dem Kämpfer für die Sache der Sorben. Und sicherlich hört er ihre Botschaft: „Wjesołe jutry. Frohe Ostern, Christus ist auferstanden!“

Stefan Branahl
 

Schmuckstücke


Verzierte Ostereier aus dem Sorbenland sind ein echter Knaller. Aber eine Warnung vorweg: Mal eben auf die Schnelle geht da gar nichts, wer sich daran versuchen will, braucht vor allem Geduld, ein gutes Auge und Fingersptzengefühl. Dagegen ist das Werkzeug eher simpel: Federn, Stecknadel, Löffel, Teelicht, Bleistift, Wachs und Eierfarbe – das wär‘s auch schon.

Vorbereitung:
Die Federn von Gänsen, Hühnern oder Tauben werden gespleißt, das heißt: Wir rupfen den Kiel bis auf eine kleine Spitze frei und schneiden die dann in ein winziges Dreieck oder einen Rhombus.
Ein alter Löffel wird gebogen und in eine Tasse mit Sand gesteckt. Darunter stellen wir ein Teelicht, mit dem wir das Wachs erhitzen, damit es flüssig wird. Um das Muster auf der weißen Eierschale erkennen zu können, färben wir das Wachs – zum Besispiel mit der Wachsschicht, die Mini-Käselaibe ummantelt. Die sauberen Eier werden ausgeblasen. Dafür gibt es ein Hilfsmittel (Drogerie oder Internet), mit dem wir durch ein Loch in der Schale Wasser pumpen, das den Inhalt herausdrückt.

Jetzt werden wir kreativ:
Mit Bleistift und Schablonen zeichnen wir Linien auf das Ei als Orientierung für unser Mustern. Für den Anfang machen wir es nicht zu kompliziert und nehmen uns einfarbige Eier vor: Die Federspitzen tauchen wir ins- Wachs und tupfen unsere Muster auf die Schale, für Linien nehmen wir eine Stecknadel mit rundem Glaskopf. Dann färben wir das Ei, tupfen es mit einem Küchentuch ab und lassen es gut durchtrocknen, zwei bis drei Stunden sollten es sein. Anschließend erwärmen wir vorsichtig das Wachs auf der Schale und reiben es ab.

Für mehrfarbig verzierte Eier wiederholen wir das Auftupfen von Wachsmustern auf die Grundfarbe, in diesem Fall arbeiten wir uns von Hell nach Dunkel voran und entfernen das Wachs erst nach dem letzten Durchlauf.

Übung macht den Meister, und am Anfang werden Sie mit Sicherheit Lehrgeld bezahlen. Was soll’s, zumindest den Inhalt der Eier können Sie ja in der Küche verwenden – für Rührei oder den Osterkuchen.