Der Elisabethempfang in der Spannung unserer Zeit

„Es geht derzeit um viel“

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Der Elisabethempfang am  16. November in der Erfurter Brunnenkirche
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Maria Schmidt

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Der Elisabethempfang am  16. November in der Erfurter Brunnenkirche

Der Krieg im Nahen Osten, die politischen Entwicklungen hierzulande, aber auch der Katholikentag 2024 in Erfurt prägten inhaltlich den Elisabethempfang. Dazu kamen Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche zusammen.

„Der Terroranschlag der Hamas auf Israel hat uns auch hier in Thüringen schwer getroffen. Und: Wir sind auch betroffen. Wenn unseren jüdischen Freunden hier in Thüringen das Herz schwer ist, ist uns allen das Herz schwer. Und bei wem das nicht so ist, dem müssen wir das sehr dringend beibringen.“ Mit diesen eindringlichen Worten begrüßte der Leiter des Katholischen Büros Erfurt, Ordinariatsrat  Claudio Kullmann, beim diesjährigen Elisabethempfang am 16. November die Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche in Thüringen.
„Dass sich Menschen überhaupt trauen, unsere Synagoge zu beschmieren, ist unsäglich und geht uns alle an“, sagte Kullmann weiter und bezog sich damit auf antisemitische und antiisraelische Vorkommnisse an der Neuen Synagoge in Erfurt am vorausgegangenen Wochenende. Dabei waren Papierzettel mit Solidaritätsbekundungen auf der Treppe vor der Neuen Synagoge angezündet und wenige Stunden später eine Parole neben dem Haupteingang an die Wand geschmiert worden. Umso mehr war es Kullmann ein wichtiges Anliegen, neben vielen anderen Gästen beim Elisabethempfang die jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Thüringen, Irina Levin, zu begrüßen.
Bischof Ulrich Neymeyr hatte bereits zu Beginn des Wortgottesdienstes vor dem Empfang auf die „furchtbaren Nachrichten“ aus Israel und dem Gazastreifen, aber auch aus der Ukraine Bezug genommen. In seiner Ansprache widmete er sich dem Katholikentagsmotto „Zukunft hat der Mensch des Friedens“, einem Vers aus Psalm 37. Dabei kam Neymeyr, der seitens der deutschen Bischöfe für die Beziehungen zu den Juden zuständig ist, auch auf die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten und die gesellschaftliche Situation hierzulande zu sprechen: Deutschland habe gegenüber den Juden eine große Verpflichtung: Die Bundesrepublik müsse ein Staat werden, in dem Juden sicher leben können. „Leider“, so der Bischof, „muss ich sagen, Deutschland muss solch ein Staat werden, er ist es nicht. Jüdinnen und Juden werden bei uns nicht nur beschimpft oder angegriffen, in weiten Kreisen unserer Gesellschaft sind abschätzige Bemerkungen über Juden salonfähig geworden.“ Handeln sei angesagt: „Es braucht nicht nur polizeiliche und ausländerrechtliche durchgreifende Maßnahmen gegen Judenhasser unter Muslimen und Nazi-Deutschen, es braucht eine Sensibilisierung unserer Gesellschaft für die Juden, die unter uns leben“, mahnte der Bischof. 

In Israel müssen Juden sicher leben können

Neymeyr äußerte seine Freude darüber, dass drei historische jüdische Stätten in Erfurt den Welterbestatus erhalten haben. „Aber dieses Erbe verpflichtet für die Gegenwart zum Beispiel dazu, dass alle mithelfen, dass wir in Erfurt einen Kindergarten für jüdische Kinder bekommen“.
Im Blick auf die Situation im Nahen Osten sagte der Bischof: Auch aufgrund ihrer Geschichte müsse die Bundesrepublik Deutschland „ohne Wenn und Aber dafür einstehen, dass Israel ein völkerrechtlich anerkannter souveräner Staat ist, in dem Juden sicher leben können“. Im gegenwärtigen Konflikt bewege ihn aber nicht nur das Geschick der Israelis, sondern auch das der Palästinenser, so der Bischof. „Auch sie haben ein Existenzrecht, das aus meiner Sicht ohne eine Zwei-Staaten-Lösung nicht gesichert werden kann. Krieg wird keinen Frieden schaffen.“
Landtags-Vizepräsidentin Diana Lehmann verlangte angesichts des um sich greifenden Antisemitismus und des rauer werdenden Tons auch im Landtag einen „lauten Widerspruch der Zivilgesellschaft“. Die Kirchen würden dies tun und dafür sei sie sehr dankbar, sagte Lehmann. „Es reicht nicht, den Antisemitismus zu verurteilen, es ist nötig, an seiner Überwindung zu arbeiten“, zitierte sie den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing.
Für Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ist seit dem Terrorakt der Hamas gegen Israel am 7. Oktober die „Welt ver-rückt worden“: „Selbstverständlichkeiten stehen auf einmal in Frage“, sagte Ramelow in seinem Grußwort. Antisemismus, Israel- und Ausländerfeinlichkeit breiteten sich aus. Mit dem Anzünden der Solidaritäts-Zettel vor der Neuen Synagoge in Erfurt und den Schmierereien sei eine rote Linie überschritten worden. Es gelte, „Hass und Hetze keinen Platz zu geben“ und die „ver-rückte Welt“ wieder gerade zu rücken. Er freue sich auf den Katholikentag in Erfurt mit seinem Motto „Zukunft hat der Mensch des Friedens“, sagte Ramelow. Schließlich lebe man gerade „in einer Zeit, in der das Wort Frieden nicht groß genug geschrieben werden“ könne. 
Claudio Kullmann erinnerte die politisch Verantwortlichen beim Empfang daran, dass Beratungsstellen und Bildungseinrichtungen in Thüringen „dringend“ auf einen Landeshaushalt warten, da sie sonst im Dezember ihre wichtige Arbeit einstellen müssten und notwendige Investitionen gar nicht mehr umgesetzt werden könnten. Das Problem sei aber noch größer: „Tatsächlich macht mir, wie sicher vielen von Ihnen, die politische Stabilität unseres Landes und unserer parlamentarischen Demokratie so einige Sorgen. Wie werden wir nach den ganzen Wahlen im nächsten Jahr hier beim Elisabethempfang sitzen?“ fragte der Leiter des Kommissariats der Bischöfe in Thüringen im Blick auf mögliche Wahlerfolge der AfD in die Runde und mahnte die versammelten Politker: „Gehen Sie mit Ihrer Macht und Ihren Möglichkeiten behutsam um. Es geht um viel.“

Der Gesellschaft Hoffnung zusprechen

Für Christen, so Kullmann, müsse in der gegenwärtigen Situation gelten, der Gesellschaft Hoffnung zuzusprechen: „Wir sollten unsere gelassene, zuversichtliche und von Gottvertrauen geprägte Haltung einbringen. Durch unser konkretes Tun und Sprechen. Wir dürfen unser Land nicht denen überlassen, die mit vermeintlich einfachen Antworten in ein ,Früher‘ zurückwollen, das es schon damals nicht mehr gegeben hat.“
Bischof Neymeyr warb erneut für die Teilnahme am Katholikentag im kommenden Jahr in Erfurt. Die Straffung des Programms werden den Tagen gut tun. Da alle Angebote in der Innenstadt geplant seien, werde es kurze Wege und viele Möglichkeiten zur Begegnung geben.
Weihbischof Reinhard Hauke hatte in der Andacht zu Beginn des Abend die Anwesenden ermutigt, nach dem Beispiel der heiligen Elisabeth bewusst einfach zu leben und etwa durch Spenden etwas für Menschen in Not zu tun. Dies könne zudem helfen, selbst inneren Frieden zu finden.

Ansprache des Bischofs: 
www.bistum-erfurt.de

Eckhard Pohl