Positionspapier des Osnabrücker Laienrates

Katholikenrat zur Lebensmittelverschwendung

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Podiumsdiskussion
Nachweis

Foto: Matthias Petersen

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Podiumsdiskussion beim Katholikenrat im Lingener Ludwig-Windthorst-Haus.

Der Katholikenrat des Bistums Osnabrück hat sich während seiner jüngsten Vollversammlung mit dem Thema Lebensmittelverschwendung beschäftigt. Neben einer öffentlichen Podiumsdiskussion kam es zu einem Positionspapier.

Manchem Gartenbesitzer ist es dieses Jahr zu viel. Zu viele Äpfel, zu viele Pflaumen, zu viele Birnen - es ist einfach ein Jahr mit jeder Menge Obst an den Bäumen, das hier und da für einen Verarbeitungsstau sorgt. Da kann ein gelbes Band an den Bäumen helfen, das signalisiert: In meinem Garten darf geerntet werden. Eine einfache Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung. 

Damit hat sich der Katholikenrat Osnabrück jetzt beschäftigt. Herausgekommen ist ein Positionspapier, das wir hier dokumentieren.

"Die Bewahrung der Schöpfung ist ein wichtiges Thema der aktuellen Berufungsperiode des Katholikenrates. Welche Verantwortung tragen Kirchen und Gläubige und was können sie tun, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, den Ressourcenverbrauch zu vermindern, die wachsenden Müllberge einzudämmen und die Biodiversität zu erhalten? Der Handlungsbedarf in der Verantwortung der Institution Kirche steht dabei ebenso im Fokus wie auch die Bewusstseinsbildung und Haltung jedes Einzelnen. 

In diesem Zusammenhang wirft der Umgang mit Lebensmitteln sowohl in den verschiedensten kirchlichen Einrichtungen als auch in den privaten Haushalten immer wieder Fragen nach der Nachhaltigkeit unseres Handelns auf. Wie nachhaltig werden diese Lebensmittel produziert? Wie ist die CO2-Bilanz der einzelnen Produkte, auch unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Nährstoffkonzentrationen? Welche Transportwege haben sie zurückgelegt? Wie hoch ist der Energieaufwand für Verarbeitung, Konservierung und Lagerung? Welches Ausmaß haben die Lebensmittelverluste? 

Einer Erhebung aus dem Jahre 2020 zufolge beträgt die jährliche Gesamtmenge an Lebensmittelabfällen in Deutschland ca. 11 Millionen Tonnen, wobei 15 % davon bei der Verarbeitung und 7 % im Handel anfallen. Die größten Quellen für Lebensmittelverluste sind mit 17 % die Außer-Haus-Verpflegung und mit 59 % die privaten Haushalte. Allein hier sind es 78 kg pro Person und Jahr. 

In Anbetracht der großen Mengen an Lebensmitteln, die bei uns im Müll landen, möchte der Katholikenrat an die Verantwortung aller Menschen appellieren, einen persönlichen Beitrag zur Verringerung dieser aus ethischer Perspektive bedenklichen Situation zu leisten. 

Zunächst sind wir alle gefordert, unser persönliches Verhalten so zu gestalten, dass weniger Lebensmittel verloren gehen. Dazu gehören ein überlegter Einkauf von Lebensmitteln, damit möglichst wenig durch zu lange Lagerung verdirbt, ein kritischer Umgang mit Mindesthaltbarkeitsangaben und vor allem die Verwertung von zu viel zubereitetem Essen an den Folgetagen bzw. durch Einfrieren und späteren Verzehr. 

Begrenzten Einfluss auf die Menge von Lebensmittelabfällen haben die Einzelnen bei der Gemeinschaftsverpflegung. Hier liegt die besondere Verantwortung bei der anbietenden Institution. Die Kirchen in Deutschland betreiben Krankenhäuser, Altenheime, Kindergärten, Schulen, Bildungshäuser u.a. und sind daher unmittelbar betroffen. Der nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln ist hier seit langem ein besonderes Anliegen. Einer weiteren Verminderung der Lebensmittelverluste stehen aber viele Vorschriften entgegen. Die Konsumenten erwarten, dass alle Bestandteile eines Gerichtes für jeden ausreichend zur Verfügung stehen. Die zum Schluss übrigbleibenden Essensmengen in Schüsseln und an Buffets dürfen nicht weiterverwertet werden und müssen nach den gegenwärtigen Hygienevorschriften entsorgt werden. Sie dürfen nicht einmal an Tiere verfüttert werden. Besonders in der Zeit der BSE-Krise wurden viele Regelungen erlassen, die den Verbraucher schützen sollten, jedoch aus heutiger Sicht und mit heutigem Wissen ihren Zweck nicht mehr erfüllen, dennoch aber strikt eingehalten werden müssen. 

Es stellt sich die dringende Frage, wie die Lebensmittelverschwendung in der Gemeinschaftsverpflegung verringert werden kann, ohne die hygienischen Risiken zu erhöhen? In Fachkreisen wird diese Problematik seit langem diskutiert und es liegen auch Vorschläge vor, zu einem zeitgemäßen, nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln zu kommen, der das Ausmaß der Lebensmittelverluste auf ein hygienisch und ethisch vertretbares Maß reduziert. 

Naheliegend ist es, die in Schüsseln und am Buffet übriggebliebenen Mengen kreativ weiter zu verwerten (Aufläufe, Suppen, Eintöpfe usw.). 

Für Speisen, die für den menschlichen Verzehr nicht mehr infrage kommen, wäre aus ethischer Sicht die Verwertung durch Tiere sinnvoll und entspricht seit jeher dem praktischen Handeln der Menschen. Die Fütterung von Nutztieren mit Küchen- und Speiseabfällen oder Futtermittel-Ausgangserzeugnissen, die Küchen- oder Speiseabfälle enthalten oder daraus hergestellt wurden, ist aber in der EU - nicht zuletzt aus seuchenhygienischen Aspekten - verboten. Hier sind EU-Politiker gefordert, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, um insbesondere die Abfälle der Systemgastronomie der tierischen Verwertung zuzuführen. 

Der Katholikenrat möchte alle Menschen motivieren, gerade in Zeiten des Überflusses wertschätzend und sorgfältig mit Lebensmitteln umzugehen, Lebensmittelabfälle im eigenen Wirkungsbereich auf ein Minimum zu reduzieren sowie auf den Handel und die Politik in diesem Sinne einzuwirken. 

Der Katholikenrat appelliert an Politiker auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, die bestehenden Gesetze und Verordnungen auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit einer Prüfung zu unterziehen, damit der Anteil verworfener Lebensmittel bei der Gemeinschaftsverpflegung verringert werden kann. Das ist angesichts von aktuell über 600 Millionen hungernden Menschen in der Welt unbedingt ethisch geboten."