Priesterseminar Redemptoris Mater in Berlin

Kein Ort der „Leistungsfrömmigkeit“

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Priesteramtskandidaten beten die Laudes
Nachweis

Fotos: Priesterseminar Redemptoris Mater

Im Berliner Priesterseminar Redemptoris Mater leben derzeit 14 Seminaristen aus sechs Ländern. Einige von ihnen haben ungewöhnliche Berufungswege hinter sich. Doch eins haben sie alle erfahren: Gott liebt bedingslos. Drei der Priesterkandidaten erzählen, wie sie zu dieser Überzeugung kamen.

Er ist der Senior unter den Seminaristen im Priesterseminar Redemptoris Mater des Erzbistums Berlin: Francesco Coccitto, 53 Jahre. „Im ersten Leben“ war der Italiener Geschäftsführer eines großen Baumarkts. „Ich habe meine Arbeit geliebt“, erzählt er. „Eigentlich war alles gut. Ich hatte eine schöne Beziehung, keine wirtschaftlichen Sorgen.“ Eigentlich. Doch dann kam das „Aber“: „Ich habe alles, aber warum bin ich nicht glücklich?“

Mit der Frage nach dem Glück beginnt seine Suche nach Gott. Er weiß sogar das Datum: Am 13. Juni 2013 kauft er sich einen Rosenkranz und fragt seine Mutter, wie man den betet. Den Vater bittet er, ihn zum Gottesdienst mitzunehmen. „Ich war wie ein Kind“, sagt er und schmunzelt.

Äußerlich läuft alles wie gewohnt, doch etwas ist neu: Eine tiefe Freude erfüllt ihn. Francesco fragt sich, ob er verrückt geworden sei. „Bist du nicht“, beruhigt ihn ein Priester, „du bist dabei, Gott kennenzulernen“. Durch ihn kommt er in Kontakt mit der Gemeinschaft des Neokatechumenalen Weges. Die Gottesdienste und die familiäre Atmosphäre begeistern ihn. „Einer von ihnen meinte eines Tages zu mir: ‚Ich glaube, du hast eine Berufung.‘“ Francesco schüttelte den Kopf. Berufung ist was für junge Leute, er hat eine Partnerin, beruflich läuft es super – drei Argumente gegen eine Berufung zum Priester. „Doch Gott hat alle meine Ausreden kaputt gemacht“, sagt er rückblickend. Mit 47 Jahren stellt er sich dem Ruf Gottes.

Als ausgelost wird, in welchem der weltweit rund 100 Seminare der Gemeinschaft des Neokatechumenalen Weges er die nächsten Schritte gehen wird, ist es Berlin. Der Vater freut sich für ihn; die Mutter sieht es mit gemischten Gefühlen. Sie könne sich weder freuen noch traurig sein, sagt sie: „Ich verstehe es nicht.“ Die Reaktion des Sohnes: „Mama, denkst du, ich verstehe es?“

Im Seminar lernt er Gott als Vater kennen und zu kämpfen, um auch in den Herausforderungen den Plan Gottes zu erkennen. Vieles ist nun anders: Mit einem jungen Seminaristen teilt er sich das Zimmer, stille Zeiten ohne Handy, ein einfacher Lebensstil. Die Internationalität des Priesterseminars, in dem derzeit 14 Seminaristen aus sechs Ländern leben, findet er bereichernd: andere Sprachen, andere Kulturen, sogar das Essen ist international.

Und wie stehts mit der Berufung? „Dass die Berufung durch die Gemeinschaft, den Katechisten, die Ausbilder und den Erzbischof geprüft und bestätigt wird, gibt mir Sicherheit. Berufung ist eines der Wunder, die Gott wirkt.“ Francesco Coccitto vertraut darauf, dass Gott ihn trägt.

„Gott liebt dich bedingungslos“

„Ich bin der Junge, mit dem Francesco das Zimmer geteilt hat“, verrät Lukas Hallmann (26) und lacht. Geboren in Köln, wird Lukas, elf Jahre alt, nach Berlin „umgezogen“. Seine Eltern hatten sich bereiterklärt, als „Familie in Mission“ für die Neuevangelisierung dorthin zu ziehen, wo sie gebraucht würden. Lukas ist sauer: „Für Gott meine Freunde verlassen, die Schule wechseln, keine Kamelle mehr schmeißen beim Karneval – krass!“ Hier angekommen, ist es doch nicht so schlimm. Er findet neue Freunde, macht auf dem Canisius-Kolleg das Abitur.

Dann setzt sich in Lukas der Gedanke fest, um geliebt zu werden, müsse er „Leistung bringen“. Der Knoten platzt bei einer Bibelarbeit über das Gespräch zwischen Jesus und Marta von Betanien. „Dabei habe ich begriffen, du musst kein Superman sein, Gott liebt dich bedingungslos.“ Später kommt die Erkenntnis hinzu, dass Gott ihn auch liebt, obwohl er Mist gebaut hat. Nach außen scheint alles gut und schön, doch in seinem Herzen gibt es einen „dunklen Fleck“, wie er es nennt. „Ich dachte, wenn das jemand erfährt, schmeißen die mich raus aus der Gemeinschaft und meine Familie will nichts mehr mit mir zu tun haben.“ Ein Jahr dauert es, bis er durch Gebet und Schriftlesung innerlich frei wird, über den „Fleck“ zu reden. Rausgeschmissen wird er nicht. Für ihn ist das ein grandioser Beweis der Großherzigkeit Gottes und der Abschied von jeglicher „Leistungsfrömmigkeit“.

Priesterseminaristen beim Musizieren

Heiraten und eine Familie gründen – das war Lukas’ Plan. Doch im Vertrauen auf den Plan Gottes geht er das „Abenteuer Berufung“ ein. Eine authentische Gottesbeziehung mache scheinbar Unmögliches möglich, ist er überzeugt. Zum Beispiel offen und ehrlich sein, dem Einzelnen nachgehen, auch dorthin, wo der Weinberg des Herrn eher ein Steinbruch ist. „Streit hat es in der Kirche immer gegeben. Ich denke, was vom Heiligen Geist stammt, wird bleiben.“ Aber den Kölner Karneval vermisst Lukas Hallmann schon sehr.

„Ich war wie ein trotziges Kind – Gott hat auf mich gewartet“

„Wenn Gott das will“ wird Marco Marini 2026 zum Priester geweiht. Gut zehn Jahre Ausbildung liegen hinter dem 38-Jährigen: sieben Jahre Philosophie- und Theologiestudium in Berlin, ein Jahr an der Gregoriana in Rom, danach zwei Jahre Missionspraktikum in Israel – ausreichend Zeit, die Echtheit der Berufung zu prüfen. Der Italiener ist mit dem Neokatechumenat groß geworden. Sowohl seine Eltern als auch die Großeltern gehörten der Gemeinschaft an. Als 15-Jähriger – unsicher, ängstlich, innerlich wie äußerlich im Umbau – hört er, dass Gott jeden Menschen so liebt, wie er ist. „Also auch mich. So, wie ich bin, bin ich für Gott richtig.“ 

Nach dem Abitur studiert er Italianistik. Lehrer will er werden, so der Plan. Doch die Frage des 15-Jährigen kommt zurück: „Es geht mir gut, aber bin ich glücklich? Nein.“ Das Evangelium vom reichen jungen Mann, der Jesus fragt, was er tun solle, um das ewige Leben zu gewinnen, bringt ihn auf eine Spur. Er beginnt, nach dem Plan, den Gott für ihn hat, zu suchen und über eine Berufung nachzudenken. Dabei kommen ihm Zweifel: „Ich war wie ein trotziges Kind, habe ‚ich will nicht, ich will ein normales Leben‘ gesagt. Doch Gott hatte Geduld mit mir: ‚Okay, ich kann warten.‘ Gott hat an mich geglaubt.“ Auch seine Weggefährten hätten an ihn und „sogar für mich“ geglaubt, erzählt er. „So wie die Männer, die das Dach des Hauses abdecken, um ihren gelähmten Freund auf der Trage hinunterzulassen, damit Jesus ihn heilen kann. Es gibt Momente, in denen man sich geistlich nicht bewegen kann. Dann brauchst du Leute, die dich tragen.“

Juliane Bittner

Das Seminar Redemptoris Mater

Das Berliner Priesterseminar Redemptoris Mater (lat. Mutter des Erlösers) ist eines von mehr als 100 Priesterseminaren der Gemeinschaften des Neokatechumenalen Wegs weltweit. Junge Männer aus verschiedensten Ländern folgen ihrer Berufung, leben gemeinsam ihren Glauben und beginnen ihr Studium der Philosophie und katholischen Theologie. Das Besondere des Seminars ist, dass die zukünftigen Priester nicht nur Aufgaben im Erzbistum Berlin übernehmen, sondern auch bereit sind, mit Einverständnis des Erzbischofs von Berlin weltweit missionarisch zu arbeiten
Weitere Informationen: www.rmberlin.de