Neues Gemeindezentrum in Dresden-Pieschen

Raus aus der eigenen Blase

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Altes Taufbecken in neuem Raum
Nachweis

Foto: Dietrich Flechtner

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Das alte Taufbecken steht heute in einem weiten offenen Raum.

Die Sankt-Josef-Kirche in Dresden-Pieschen wurde zu einem modernen Gemeindezentrum umgebaut. Im Stadtteil wird die Kirche dadurch als einladender und offener wahrgenommen.

Größer, heller, freundlicher – dies ist der erste Eindruck, den Besucher gewinnen, wenn sie die fast 114 Jahre alte St.-Josef-Kirche in Dresden-Pieschen durch das Hauptportal betreten. Der „Raum der Begegnung“, in dem die Besucher stehen, drückt in seiner modernen Architektursprache ein deutliches „Willkommen“ aus. Die zuvor geschlossene Eingangsfront ist zu beiden Seiten des Portals geöffnet worden mit zwei neuen Fenstern. Nicht nur Tageslicht lassen sie nun herein. Neugierige können von draußen einen Blick hinein werfen.     

Das ist gewollt, wie Sebastian Sorek sagt. Der Elektroingenieur leitet das Bauteam der Gemeinde, die Teil der Pfarrei St. Martin ist. „Wir wollen uns sichtbar nach außen öffnen.“ Dies sei der Leitgedanke bei der Sanierung und Neugestaltung des Gemeindezentrums gewesen, das bis 1978 in das Kirchengebäude hineingebaut wurde. Es ist die unterste von drei Ebenen. Der frühere Windfang ist verschwunden. Das vergrößert den Raum. In die Decke hat ein Lichtarchitekt ein System energiesparender LED-Strahler eingelassen. Damit lässt sich der Raum je nach Bedarf mal weniger, mal intensiver beleuchten. 
 

Alter Taufstein bildet neuen Mittelpunkt

Mittelpunkt geblieben ist der alte Taufstein aus dem neoromanischen Sakralbau, der 1910 nach Plänen von Alexander Tandler errichtet wurde. Um ihn herum ist jetzt mehr Platz als zuvor, um sich zu versammeln und ins Gespräch miteinander zu kommen, wie Claudia Ermel erläutert. Die Dozentin in einer Bildungseinrichtung des Handelsverbandes ist Vorsitzende des Ortskirchenrates.     

Große Glastüren laden jetzt auch halblinks in die Werktagskapelle ein. Unter dem hellen Holzpflaster ist eine Fußbodenheizung verborgen. 21 moderne Sitze mit Polstern und herausklappbaren Kniebänken ersetzen die alten Kirchenbänke. „Ein Vorschlag unserer Senioren“, erzählt Claudia Ermel. Sie konnten ihre Wünsche und Vorstellungen einbringen, ebenso wie alle Gemeindemitglieder. Durch Fenster blickt man in den Kirchensaal, den Architekt Hubert Paul 1978 mutig neu gestaltete, mit Plastiken des Bildhauers Friedrich Press (1904-1990), im Aufbruchsgeist des Zweiten Vatikanums.      

Eine schmale Glastür links führt ins Treppenhaus, jetzt ergänzt um einen Aufzug. In der Etage darüber sind Toiletten entstanden, eine Küche, dazu ein Gruppenraum mit etwa 30 bis 40 Plätzen, der sich mittels Trennwand in zwei kleinere teilen lässt. „Hier können auch Jugendgruppen übernachten“, sagt Sebastian Sorek. „Zugleich ist Platz für ein Wohnungslosen-Nachtcafé.“ Die schallmindernde Decke und Anschlüsse für Beamer und Audioanlage sind neu. Fußboden und Fenster sind geblieben und lediglich aufgearbeitet worden. „Alles, was noch gut war, haben wir erhalten.“ In der obersten Etage befindet sich unter dem hohen historischen Tonnengewölbe der neue große Gemeindesaal, mit Platz für zirka 90 Personen. Licht spenden ein großer und vier kleine ringförmige Leuchtkörper. „Vorher war das ein dunkler Boden, der als Abstellkammer diente“, sagt Sebastian Sorek. „Jetzt ist es der am besten wärmegedämmte Raum.“ Für Konzerte und Chorauftritte sei er geeignet, sagt Claudia Ermel. „Wir überlegen, ihn als Winterkirche zu nutzen“, ergänzt Sorek. „Dann müssten wir nicht die Kirche hochheizen.“
 

Gemeindezentrum auch Ort der Kultur

Begonnen hatten die Arbeiten im Herbst 2021. Gemeindemitglieder übernahmen alles, wofür keine Handwerker gebraucht wurden. Während der Corona-Zeit stiegen die Gesamtkosten um etwa 300 000 Euro auf 2,2 Millionen. Mit 600 000 Euro unterstützte das Bonifatius-Werk das Projekt. Der Rest werde aus eigenen Mitteln bezahlt, sagt Sorek. Erste Anfragen für Konzerte und Feiern gebe es bereits, sagt Claudia Ermel. Das Gemeindezentrum wolle sich auch als Ort für Kultur im Stadtteil öffnen. So könne diese Kirche für mehr Menschen als bisher interessanter werden. „Jedenfalls wollen wir nicht in unserer eigenen Blase bleiben.“   

Tomas Gärtner