Liebe dank der EU

Zwei Kulturen in die Wiege gelegt

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Familie Schubinski
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Foto: Privat

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Familie Schubinski im Görlitzer Stadtpark.

Małgorzata und Manuel Schubinski aus Görlitz hätten ohne die EU wahrscheinlich keine Familie gegründet. Anlässlich der Europawahl erzählen die Polin und der Deutsche, was sie verbindet. Und was sie ihren Kindern mitgeben wollen.

„Ohne das vereinte Europa hätten wir beide unsere Berufe nicht“, sagt Manuel Schubinski. Er arbeitet bei der Industrie- und Handelskammer in Görlitz für die Sächsisch-Polnische Wirtschaftskooperation, seine Frau Małgorzata ist Pressesprecherin bei einem deutsch-polnischen Verein, der sich für die Aufarbeitung des Unrechts eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers jenseits der Neiße einsetzt.

Und ohne die offenen Grenzen hätten sich die beiden vielleicht nie kennengelernt und eine Familie gründen können. Die Zeit, als Polen vor 20 Jahren der EU beitrat, liegt für das Paar – beide Jahrgang 1992 – weit zurück in der Kindheit. Małgorzata Schubinski stammt aus einer sehr ländlichen Gegend im Südosten von Polen, Manuel Schubinski aus Frohburg in Mittelsachsen. Zusammengeführt hat die beiden ein Studentenaustausch 2013. Er studierte damals Wirtschaft und Polnisch in Görlitz, sie Angewandte Linguistik in Lublin. „Ich stand nur auf der Warteliste für die Fahrt und hatte nie geplant, einen deutschen Mann kennenzulernen“, erzählt die 32-Jährige lachend. Aber die zwei wurden ein deutsch-polnisches Paar, die ersten zwei Jahre lebten sie eine Fernbeziehung. Sie bemühten sich um jeweils ein Auslandssemester an der Universität des anderen und konnten somit ein Jahr näher beieinander sein, bevor sie 2017 heirateten.

Durch seine Frau fand Manuel zum katholischen Glauben

„Wir mögen beide die Kultur des anderen“, sagt Manuel Schubinski. „Die ersten Erfahrungen habe ich im Glauben gemacht, als sich meine Eltern trennten. Dann wandte sich meine Mutter dem evangelischen Glauben zu. Für mich und meine beiden Brüder war das zunächst ein Schock, wir waren schließlich atheistisch geprägt“, erklärt er. Trotzdem habe er sich hin und wieder in der Kirche engagiert und als er seine spätere Frau kennenlernte, fand er zum katholischen Glauben. „Durch unsere Fernbeziehung hatte ich viel Zeit zum Nachdenken“, sagt er. Und sie ergänzt: „Manuel hat viele kritische Fragen gestellt, dadurch haben wir beide viel über den Glauben reflektiert.“ Schließlich ließ er sich im April 2017 taufen.

Dass die zweisprachige Familie mit den drei Kindern Nataniel (5), Klara (2) und Antoni (8 Monate) auch nach dem Studium in Görlitz wohnen blieb, war eigentlich nicht so geplant. „Wir machten uns beide selbstständig und bekamen das erste Kind. Da war der Freundeskreis sehr wichtig“, betont Małgorzata Schubinski. „In unserer Pfarrei Heiliger Wenzel gibt es einen Familienkreis, in dem wir Freunde gefunden haben. Hier können unsere Kinder im Glauben aufwachsen, so wie wir es uns vorstellen. Es gibt polnisch-sprechende Geistliche, jede Woche eine polnische Messe und ich kann auch die Beichte in meiner Sprache ablegen.“

Überhaupt bietet Görlitz mit der polnischen Nachbarstadt Zgorzelec sehr viele Vorteile für die Familie: Sie kann an beiden Kulturen teilhaben und auf beiden Seiten einkaufen. Auch die Kinder können beide Sprachen im Alltag erproben. „Vor allem die Zweisprachigkeit ist ein Geschenk, das wir unseren Kindern mitgeben können“, sagt der Familienvater. Und fügt hinzu: „Für uns ist der freie Grenzübertritt eine Selbstverständlichkeit.“ Schwierig war es in der Corona-Zeit, in der die Grenzkontrollen und Vorschriften an die Zeit vor Polens EU-Beitritt erinnerten.

In der Gastfreundschaft gibt es Unterschiede

Probleme mit den zwei unterschiedlichen Herkunftsfamilien hätten sie beide wenig. „Die polnische Mentalität passt recht gut zu mir“, betont er. „Aber Manuel braucht oft einen genauen Plan, ich denke eher: Lassen wir es auf uns zukommen“, fügt sie hinzu. In Görlitz hat die Familie sowohl zu deutschen, polnischen als auch deutsch-polnischen Familien Kontakte. Vor allem bei der Gastfreundschaft machen sich die Unterschiede bemerkbar. „Bei Besuchen in deutschen Familien sind die Zeiten häufig genau festgelegt – die Polen sind da eher spontan,“ erklärt Manuel.

Schwierig wird es manchmal für die junge Mutter, wenn sie ihre Kinder an ihren Glauben heranführen will: „Ich fühle ein großes Verantwortungsbewusstsein, meinen Glauben so zu vermitteln, wie ich ihn als Kind kennengelernt habe. Und dann möchte ich, dass mein Mann alles genau so macht wie ich“, gibt sie zu. „Aber er lebt den Glauben nicht immer nach polnischen Traditionen.“

Neben der Identität im katholischen Glauben war beiden Eltern von Anfang an wichtig, dass die Kinder die Identitäten beider Kulturen mitbekommen. So haben sie durch ihre Eltern die deutsche und die polnische Staatsbürgerschaft erhalten. „Nataniel fängt jetzt an, Fragen darüber zu stellen, ob er polnisch oder deutsch ist. Wir geben ihm beides mit“, sagt Małgorzata Schubinski.

Ruth Weinhold-Heße