Berlins katholische Buchhandlung Sonnenhaus wird 100
Ein Jahrhundert im Sonnenhaus

Foto: Jörg Farys/Erzbistum Berlin
Heidrun (links) und Bettina Klinkmann feiern mit der Familienbuchhandlung Sonnenhaus deren 100-jähriges Bestehen.
1925: Der Jesuitenorden gründete das Canisius-Kolleg, Carl Sonnenschein engagierte sich publizistisch und sozial, Bernhard Lichtenberg gründete neue Pfarreien und der gerade mal 26-jährige Rudolf Ziegler mietete im Heinrich-Heine-Viertel in Berlin-Mitte einen Laden mit sechs Schaufenstern – mit Galerie! – für das „Sonnenhaus“, seine erste Buchhandlung. Diese hatte den Krieg nicht überlebt, nach einer Episode in der eigenen Wohnung in Bohnsdorf, etablierte sich das Sonnenhaus mit Rudolf Ziegler und seiner Frau Elisabeth am Hackeschen Markt. Der Journalist und Autor Andreas Ulrich erinnert sich: „Als Kind hat mich der besondere Duft beeindruckt – ob es Weihrauch war? In den 80er Jahren war ich regelmäßig in der Buchhandlung, denn es gab da Bücher, die anderswo schwer zu haben waren.“ Ein wenig Glück und vor allem die Sympathie des Buchhändlers brauchte es aber auch, so Bettina Klinkmann, die als Enkelin die Buchhandlung in dritter Generation führt: „Es passierte immer wieder, dass Kunden mit Büchern rausgegangen sind, die sie gar nicht kaufen wollten. Oder aber man musste bei Opa eine Art Prüfung bestehen, um das Buch kaufen zu dürfen.“
Ganz einfach war es nie für das Sonnenhaus, ob es um die Genehmigung für eine katholische Buchhandlung in „Berlin – Hauptstadt der DDR“ oder aber um steigende Mieten oder den Versandbuchhandel ging. Aus der Linienstraße 100 will Bettina Klinkmann aber nie wieder weg. Das liegt auch am Vermieter, der Pfarrei Bernhard Lichtenberg – die Buchhandlung liegt am Hintereingang der St. Adalbert-Kirche. Die Bücher stehen dicht an dicht, auch auf Stapeln „und nur die beiden Buchhändlerinnen haben den Überblick. Das ist eine Bücherhöhle im besten Sinne“, so Andreas Ulrich.
Erfunden hatte Sonnenhaus-Gründer Rudolf Ziegler die Büchertische als Ergänzung zur Buchhandlung. In der Anfangszeit ist er mit dem Zug, Rucksack und zwei Kisten in die Gemeinden und zu Wallfahrten gefahren, und Tochter Heidrun musste immer mit: „Am schlimmsten waren Büchertische in Chorin, das ist so weit zu laufen vom Bahnhof bis zum Kloster.“ Heidrun und Bettina Klinkmann führen diese Tradition der Büchertische weiter – inzwischen aber mit dem Auto. Los gehts rund um die Erstkommunion, besonders intensiv ist die „Open Air-Saison“ mit Wallfahrten und anderen Großveranstaltungen. Nach der Sommerpause steigt die Nachfrage zum Advent wieder an, nach Büchertischen in den Gemeinden.
Dass das Sonnenhaus seit 100 Jahren ganz bewusst als eine katholische Buchhandlung geführt wird, sieht man nicht, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Bestseller und manche persönliche Leseempfehlung von Heidrun und Bettina Klinkmann prägen das Schaufenster. Als Bettina Klinkmann die Buchhandlung übernahm, wollte sie am liebsten die ganzen christlichen Bücher, Kerzen und Devotionalien ganz rausnehmen. „Aber das wäre das Ende als Buchhandlung gewesen. Die christliche Nische – beziehungsweise unser christliches Profil ist unsere Rettung, sonst wären wir schon lange weg vom Fenster.“ Denn auch wenn die Katholiken im Erzbistum Berlin weniger werden, Kinderbibeln zur Geburt oder Einschulung, Gotteslob zur Erstkommunion, das wird weiterhin gebraucht. Und weiterhin ist es Ehrensache für viele Pfarrer, dass sie ihren Bedarf an Fachliteratur, aber auch an liturgischen Büchern, über das Sonnenhaus decken.
Stefan Förner