800 Jahre St. Wigbert Erfurt
Lebendiges Gemeindeleben in Buchform
Foto: Claudia Nürnberg
Beim Jubiläumsfest Ende August in St. Wigbert stellen Gerd Schmidt, Tobias Küster, Roland Oehler, Maria Schmidt und Matthias Wanitschke (von links) die Jubiläumsschrift vor.
„Bereits zum ‚700-Jährigen‘ gab es 1925 eine Festschrift, quasi als Alleinarbeit des damaligen Pfarrers Richard Schulte“, erzählt Tobias Küster vom Redaktionsteam der aktuellen Jubiläumsschrift. Daran sollte angeknüpft werden, aber dieses Mal als Gemeinschaftswerk. Dass es ein Buch werden würde, war schnell klar, über Form und Inhalt wurde gerade zu Beginn zwischen den Generationen ein wenig gerungen. „Mein Interesse lag vor allem auf dem historischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext“, berichtet Mitstreiter Roland Oehler. Der 83-Jährige bemerkte jedoch schnell, dass „die Jugend“, zum Beispiel der rund 30 Jahre jüngere Küster, andere Vorstellungen hatten. Die Gemeinde selbst sollte zu Wort kommen: „Mitte 2024 starteten wir also unseren Aufruf an die Gläubigen, ihre Erinnerungen aufzuschreiben“, erinnert sich Küster.
Entstanden sind so über 50 verschiedene Erlebnisberichte und Glaubenszeugnisse, die bis in die 1950er Jahre zurückreichen. Diese Zeit erlebte zum Beispiel Gerd Schmidt noch. Auch der 76-Jährige arbeitete im Redaktionsteam mit, war Ideen- und Impulsgeber und Autor mehrerer Beiträge. Er sagt: „Ich bin dankbar und stolz, dass die Generation nach mir Träger des Gemeindelebens ist und sich stark engagiert und nicht nur die Älteren.“ Allein ein Zeitstrahl hätte nicht genügt. Vielmehr sollten Eindrücke und Meinungen vieler wiedergegeben werden, so Schmidt, diese Breite an Themen sei allen wichtig gewesen.
Drei Priester prägten die letzten 100 Jahre besonders. Während sich an Richard Schulte (bis 1951) nur noch die wenigsten aus Kindertagen erinnern konnten, blieb schon Robert Arnold (1951-73) deshalb in Erinnerung, weil er zum Beispiel bereits ab 1953 Gottesdienst mit dem Gesicht zur Gemeinde feierte. Pfarrer Peter Matheis (1987-2009) begleitete die Gemeinde durch die Wende und die politische Transformation 1989/90. „Das Gemeindeleben wurde zunehmend getragen vom Engagement von Laien“, meint Küster, „Pfarrer Matheis nahm darauf großen Einfluss, er hatte Mut zur Lücke.“
Zu Wort kommen alle Altersgruppen, es gibt Berichte über Kirchenfeste, Karnevalsfeiern, Jugendarbeit, Ministrantendienste früher und heute, aber auch über die nicht immer ganz leichten Zeiten als Kirchengemeinde in der DDR. Erzählt werden zudem ganz bewusst die Schwierigkeiten, die nach der Zusammenlegung von St. Wigbert mit der Gemeinde St. Crucis in den 1980ern offen zu Tage traten. „Wir waren einfach zu unterschiedlich – trotz nur 400 Meter Luftlinie Entfernung voneinander“, berichtet Gerd Schmidt. Auch den neuerlichen Umbruch, die Zusammenlegung zur großen Stadtpfarrei St. Laurentius 2015/16, beschreibt Tobias Küster als andauernden Prozess: „Jede Pfarrei sucht ihre Rolle.“
In vielen lebendigen Berichten spiegelt sich aktives Gemeindeleben wider, zum Beispiel bei Veronika Schier. 18 Jahre lang leitete sie zusammen mit einer Freundin einen Kinderchor. „Das hat mich unwahrscheinlich erfüllt“, erklärt Schier. Auch Roland Oehler ist am Ende zufrieden. Es sei zwar keine klassische Chronik geworden, „aber eine spannende und interessante Erinnerungsschrift unseres Gemeindelebens.“