Bestatter bietet Beratung

Abschied mit Demenz

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Bestattung für und mit Demenzkranken
Nachweis

Foto: kna/Corinne Simon

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Für demenzkranke Angehörige kann eine Beerdigung sehr schwierig sein.

Ein Mann ist dement und dann stirbt seine Frau. Soll man es ihm überhaupt sagen? Was, wenn er bei der Trauerfeier aggressiv reagiert? Viele Angehörige fühlen sich angesichts dessen hilflos und überfordert. Oft helfen kleine Dinge.

„Die Ehefrau des Toten wurde plötzlich laut und dachte, wir wollten ihren Mann klauen – wir waren komplett überfordert“, erzählt Bestatter Eric Wrede über eine Erfahrung mit dementen Angehörigen. Heute könnte er vermutlich souveräner mit der Situation umgehen, denn er und sein Team von „Lebensnah Bestattungen“ in Berlin und Leipzig haben eine Fortbildung für sogenannte demenzfreundliche Bestattungen gemacht. „Die Fallzahlen nehmen deutlich zu. Immer häufiger stellt sich die Frage nach dementen Angehörigen und wie man sie in Trauerfeier und Beerdigung einbinden kann“, sagt Wrede.

Zwar sei Demenz weiterhin ein Tabu-Thema. „Wir merken aber, dass Angehörige positiv reagieren, wenn wir es offensiv ansprechen, ob es im Umfeld des Verstorbenen jemanden mit Demenz gibt, um diesen Menschen beim Abschied einzubinden.“ Der Bestatter beobachtet oft eine Hilflosigkeit bei Angehörigen. Aus Angst vor Überforderungen oder Irritationen bei der Trauerfeier seien viele versucht, demenzveränderte Angehörige lieber außen vor zu lassen. „Aber auch diese Menschen haben ein Recht, Abschied zu nehmen und zu trauern“, betont Wrede. Es gehe immer darum, gemeinsam mit den Angehörigen zu schauen: Was kann der demenzveränderte Mensch mitmachen

Die Wahrheit besser nicht verbergen.

Eric Wrede
Eric Wrede legt bei Bestattungen Wert auf individuelle Lösungen. Foto: lebensnah Bestattungen

„Um das herauszufinden, sind intensive Gespräche mit der Familie wichtig“, sagt Wrede. „Beispielsweise: Worauf reagiert Ihre Mutter aggressiv? Zu welcher Tageszeit ist sie besonders fit? Was hat sie vor der Erkrankung besonders ausgezeichnet, was hat sie gern gemacht?“ Hatte sie ein besonderes Gefühl für Ästhetik, könnte man sie beispielsweise Blumen für die Trauerfeier aussuchen lassen. Oder hatte das Paar ein gemeinsames Lieblingslied, dann könnte das bei der Trauerfeier ge-
spielt werden.

Seit 2017 bietet Sybille Wetzel zertifizierte Schulungen für demenzfreundliche Bestattungen an. Wichtig ist ihr dabei, über die vielen verschiedenen Krankheitsbilder von Demenz zu informieren. Jede dieser über 60 Formen habe ganz unterschiedliche Auswirkungen, auch was die Möglichkeiten zur Verständigung angehe, sagt sie. „Was aber alle Demenzkranken haben, ist ein hohes Feingefühl und Gespür, wenn man versucht, etwas vor ihnen zu verbergen.“

Die Expertin nennt ein Beispiel: „Wenn man einer dementen Frau die Nachricht vom Tod ihres Ehemanns ersparen möchte, kann das bei ihr eine große Unruhe auslösen, weil sie doch spürt, dass da was nicht stimmt.“ Zudem treiben viele Angehörige nach Wetzels Beobachtung noch lange Schuldgefühle um, wenn sie es nicht sagen und auf Nachfragen wie „Warum kommt mein Erwin nicht mehr?“ ausweichend antworten. „Demenzfreundliche Bestattung bedeutet auch, den Angehörigen die Angst vor dem Miteinander in der Trauer zu nehmen“, sagt Wetzel.

Es gibt keine Patentrezepte

Wrede berichtet, dass es dafür mitunter sehr hilfreich sein kann, die Trauerfeier zu splitten: „Ein kleiner Rahmen mit wenig Reizen, ganz auf den demenzveränderten Menschen abgestimmt. Und anschließend die große Trauerfeier für alle. Damit kann man wechselseitige Überforderungen vermeiden.“ 

Zugleich betont Wrede: „Jeder Fall ist anders. Es gibt keine Patentrezepte. Es muss immer wieder individuell ausgelotet werden, was und wie viel geht.“ Wichtig sei, auch den demenzveränderten Menschen nach seinen Wünschen zu fragen und dabei die passende Form der Ansprache zu finden. Auch hier hilft Wrede sein Wissen über die Krankheit weiter.

Auch die Demenz des Toten kann Thema sein

Demenzsensible Bestattungen können aber auch gefragt sein, wenn der oder die Verstorbene dement war. „Demenz kann ja auch viele aggressive Seiten haben und bei manchen Angehörigen kommt dann die Wut raus, die sie in den vergangenen Jahren auf den kranken Verwandten hatten“, sagt Wrede. „Oder die Frage: Darf ich über den Tod überhaupt erleichtert sein? Für all diese Gefühle muss es Raum geben, eine Möglichkeit, darüber zu sprechen.“ 

Und nicht zuletzt gehe es darum, dass man sich vielleicht schon vor vielen Jahren vom Geist der geliebten Person verabschieden musste und nun auch vom Körper. Dieser Abschied auf Raten sei jetzt zu Ende. „Auch das will gut gestaltet sein“, sagt Wrede.

Zur Sache:
Eric Wrede hat in Berlin das Bestattungsunternehmen „lebensnah“ gegründet. Er führt regelmäßig einen Podcast für das Berliner Radio 1, hat eine eigene Kolumne bei der Berliner Zeitung und ist Autor des Buches: The end. Das Buch vom Tod (Heyne Verlag)

 

Karin Wollschläger