Vielfältige Aufgaben für Organistinnen und Organisten

Alle Register für gute Kirchenmusik

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Auftritt des Ensembles in  der Kirche St. Josef in Neu-Isenburg mit Regionalkantorin Regina Engel.
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Foto: Dietmar Thiel

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Auftritt des Ensembles in  der Kirche St. Josef in Neu-Isenburg mit Regionalkantorin Regina Engel.

Früher hatte jede Pfarrei jemanden, der in der Messe die Orgel spielte. Heute übernehmen Organistinnen und Organisten vielfältige Aufgaben in immer größeren Pfarreien. Wie hat sich der Beruf gewandelt? Wir haben in der Region nachgefragt.

Die „schönste Zeit“ in der Kirche ist für Johannes Schröder abends. Wenn er nach der 18 Uhr-Messe ganz allein in dem großen Sakralbau ist und probt. Da gibt es nur ihn und die Orgelklänge. Es sind die ruhigen, vielleicht meditativen Momente in einem Beruf, der zunehmend anspruchsvoller wird.

Johannes Schröder
„Aufführungen sind Erinnerungen, die wir teilen“: Johannes Schröder an der Orgel in St. Bonifatius in Wiesbaden
Foto: Elisabeth Friedgen

Neugierde, findet Johannes Schröder, sei eine der wichtigsten Eigenschaften dafür. Der 33-Jährige ist Kantor der Pfarrei St. Bonifatius in Wiesbaden im Bistum Limburg. Neugierig sein bedeutet für ihn: Aufgeschlossenheit gegenüber den Menschen, mit denen er täglich arbeitet, – und allem Neuen, das die Welt der Kirchenmusik ihm bietet. Wohnhaft in Koblenz, pendelt Schröder mehrmals wöchentlich aus dem Homeoffice in die Wiesbadener Innenstadt, um mit seinem Kirchenchor und der Choralschola zu proben oder die wöchentlichen Gottesdienste zu spielen. Wenn er nicht musiziert, dann plant der Organist: Orgel-Mittagsmusik, Internationale Orgelkonzertreihen, Hochfeste, Choralämter. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Dazu bestückt er die Internetseite der Kirchenmusik für die Pfarrei. Außer ihm arbeiten noch ein Stimmbildner, weitere Organisten, ein musikalischer Assistent und eine Kinderchorleiterin in der Pfarrei.

Mit zwölf Jahren spielte Johannes Schröder zum ersten Mal die Orgel in der Pfarrkirche seiner westerwäldischen Heimatgemeinde Kölbingen. „Kirche war immer ein sehr präsenter Ort in meinem Leben“, sagt er. Er sei dadurch in einen „sozialen Kontext“ hineingewachsen, der selbstverständlich für ihn war. Später studierte er Katholische Kirchenmusik und Orgel in Köln, promovierte in Musiktheorie. Bis zum Jahresbeginn war er Lehrbeauftragter im Fach Musiktheorie an der Hochschule für Musik in Mainz. Seine erste Stelle trat der junge Organist 2014 in Wirges/Westerwald an.

Wenn er heute auf diese Zeit zurückblickt, sieht er „ganz klar die Unterschiede zwischen Stadt und Land“. Im Westerwald gehörte der Kirchenchor zur Tradition, viele Mitglieder hatten weitere Ehrenämter in der Pfarrei. „Hier, in der Stadt ist es insgesamt unverbindlicher, es gibt mehr Zugezogene und nicht alle in meinem Chor haben auch einen Bezug zur Pfarrei“, sagt er. Dafür hätten viele seiner Sängerinnen und Sänger musikalische Vorerfahrung. Es seien andere Beweggründe als Tradition, die Stadtmenschen in einen Chor führten. Was ihn immer wieder aufs Neue motiviert: „Vielen Menschen, auch den Jüngeren, gefällt klassische Musik.“ Was Johannes Schröder mit seinen Chören verbindet, ist das Gemeinschaftsgefühl, wenn sie zusammen ein Stück unermüdlich geprobt und dann zur Aufführung gebracht haben. Wie etwa das Oratorium zur Heiligsprechung der Dernbacher Schwester Katharina Kasper 2018 mit seinem Chor in Wirges oder ein Requiem von Maurica Duruflé mit dem Chor vonSt. Bonifatius 2023. „Das sind besondere Erinnerungen, die wir als Chor teilen“, sagt Schröder.

Ausbildung und Mediation

So empfindet es auch Regina Engel. Sie ist Regionalkantorin eines großen Gebiets im Bistum Mainz. Es umfasst die Pastoralräume Dreieich-Isenburg, Groß-Gerau-Mitte, Heusenstamm-Dietzenbach, Langen-Egelsbach, MainWeg und Nördliches Ried. An ihrem Dienstsitz in Neu-Isenburg leitet sie den Kirchenchor St. Cäcilia sowie ein kleines Vokalensemble und spielt die Orgel in den Gottesdiensten. Für den südhessischen Bereich des Bistums bildet sie außerdem in Darmstadt nebenamtliche Organisten und Chorleiter aus. Zu guter Letzt ist die 61-Jährige Ansprechpartnerin und gegebenenfalls Mediatorin für alle kirchenmusikalischen Themen in ihren Pastoralräumen. „Dazu gehören auch Fortbildungen für nebenamtliche Kirchenmusiker.“ So legt Regina Engel wöchentlich viele Kilometer zurück. Nach ihrem Musikstudium in Frankfurt wurde sie 1991 Regionalkantorin in Giessen, 2002 dann in Neu-Isenburg. Der Alltag in diesem Beruf sei zu Beginn „ganz anders“ gewesen. Denn damals wurden gerade die ersten Stellen für Regionalkantoren geschaffen. Heute nimmt auch die administrative Arbeit viel Zeit in Anspruch.

Regina Engel
Regina Engel an der Orgel in Neu-Isenburg. Seit über 30 Jahren ist sie als Regionalkantorin im Einsatz.
Foto: Dietmar Thiel

Dazu hat Engel ein aktuelles Beispiel: Seit Juni müssen alle Kantoren auf Weisung des Bistums ihre Arbeitszeit digital erfassen. „Bisher hatten wir da einen Vertrauensvorschuss, den braucht es aber immer noch. Wir arbeiten ja nicht am Stück und sind dann fertig wie Menschen in einem Büro“, so die Chorleiterin. Organist zu sein, bedeute auch Arbeit am Wochenende und feiertags. „Ich habe nie erlebt, wie meine Kinder die Ostereier gefunden haben, die ich vor meinem Dienst versteckt habe“, berichtet Engel. Kantoren arbeiten, wenn andere frei haben. Trotzdem sagt Regina Engel: „Der Idealismus ist immer noch da!“ Kirchliche Musik faszinierte sie schon als Kind, „ich habe festliche Gottesdienste geliebt“.

Als sie vor über 30 Jahren anfing, gab es kaum Frauen an höheren Stellen in der Kirchenmusik. „Ich habe das aber nie bewusst wahrgenommen und bin in allen Gemeinden genauso respektvoll behandelt worden wie die männlichen Organisten“, erinnert sich Regina Engel. Dass Chorarbeit sich heute schwieriger gestaltet, da kann die Chorleiterin ihrem Kollegen Johannes Schröder nur beipflichten: „In den kleinen Gemeinden sind noch fast alle Chormitglieder irgendwie kirchlich gebunden, aber es fehlen die Jüngeren, die nachkommen“, sagt sie. Viele stünden „voll im Berufsleben“. Bei der Choralschola St. Jacobi, die sie in Rüsselsheim leitet, sei es etwa „oft schwierig, überhaupt Probentermine zu finden“.

Glaube gehört dazu

Wenn sie jungen Kolleginnen oder Kollegen einen Rat für den Beruf der Kirchenmusik geben sollte, wäre das dieser: „Man muss aufpassen, dass man die Freude an der Musik nicht verliert und privat noch andere Nischen findet, die einen erfüllen. Manchmal muss man auch seine Ansprüche zurückschrauben.“ Und, was ihr als Kantorin noch wichtig ist: „Ohne meinen Glauben könnte ich diese Arbeit nicht tun. Die Musik in der Liturgie bedeutet mir sehr viel.“

Elisabeth Friedgen