Erzieherinnen und Erzieher werden händeringend gesucht
Beruf(ung) mit Zukunft
Erzieherinnen und Erzieher werden händeringend gesucht. Doch woher kommen neue Arbeitskräfte? Die Katholische Berufsbildende Schule Mainz bildet sie aus, in 50-jähriger Tradition. In dieser Zeit hat sich einiges verändert. Von Anja Weiffen
In diesen Wochen starten neue Erzieherinnen und Erzieher an ihren Arbeitsstellen: Die Absolventen der Katholischen Berufsbildenden Schule Mainz (KBS) brauchen sich um genügend Arbeitsplätze keine Sorgen zu machen. „Allein die Stadt Mainz hat aktuell 140 nicht besetzte Erzieherstellen, sagte KBS-Lehrer Paul Rupp am Ende des Schuljahrs.
Die Nachfrage nach Erzieherinnen und Erziehern ist seit Jahren größer als das Angebot. Vor allem der seit 2013 bestehende Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr hat den Bedarf an Kita-Plätzen und -Personal stark erhöht. Mit Kita-Gesetzen auf Bundes- und Landesebene wie etwa in Rheinland-Pfalz wurde in den vergangenen Jahren versucht, die Lage zu entspannen. Stattdessen kam die Corona-Pandemie und verschärfte die Situation zusätzlich.
Rund 100 Erzieherinnen und Erzieher pro Jahr
Im Bistum Mainz werden seit 50 Jahren Fachkräfte für die Kinderbetreuung ausgebildet, nicht nur für katholische Kitas: 1972 wurde die Elisabeth-von-Thüringen-Schule in Mainz gegründet, 2010 wechselte sie innerhalb der Stadt an den Standort Hartenberg, seit 2016 heißt sie Katholische Berufsbildende Schule Mainz (siehe „Zur Sache“).
In diesem Sommer machten
an der KBS 99 Frauen und Männer ihren Abschluss als staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher. Im vergangenen Jahr waren es 102. Dem Klischee „jung und weiblich“ entspricht die Gruppe der Absolventen nicht unbedingt. Von den 99 Absolventen in diesem Jahr sind 85 Frauen und 14 Männer. „Die jüngste Absolventin ist 21 Jahre alt, die älteste 56 Jahre“, teilt Paul Rupp mit.
„Die Ausbildung hat mich gestärkt“
Die Erzieher-Ausbildung dauert drei Jahre. Es gibt zwei Varianten: als Vollzeitausbildung mit zwei Jahren Schule und anschließendem Berufspraktikum oder als berufsbegleitende Ausbildung. Bei letzterer Variante sind die Auszubildenden zwei Tage in der Woche in der Schule und drei Tage in einer Einrichtung. Diese Form ist vor allem für Menschen mit Berufs- und Familienerfahrung interessant. KBS-Leiter Jürgen Weiler sieht „eine deutliche Verschiebung hin zu dieser berufsbegleitenden Variante“.
Die Leiterin für die Erzieherausbildung an der KBS, Sylvia Schmidt, weist darauf hin, dass die Abbruchquote während der Ausbildung relativ gering ist. Ein Hinweis, dass auch viel Eigenmotivation – oder Berufung – im Spiel ist, trotzdem manche vor Berufseintritt bereits die schwierige Personalsituation in den Kitas zu spüren bekommen. Absolvent Felix Bargenda zum Beispiel erzählt von wechselnden Teams, die er in seiner Ausbildungszeit erlebt hat. „Mehr als 35 Kolleginnen habe ich kennengelernt.“ Wichtig sei für ihn aber die gute Zusammenarbeit im Kernteam einer Kita und dass es den Kindern gut geht. Felix Bargenda war früher als Jugendtrainer tätig, woraus sich sein Wunsch entwickelte, Erzieher zu werden. Die Tatsache, dass es in manch anderen Berufen mehr Geld zu verdienen gibt, spielt für ihn keine Rolle. „Meine Lebensgefährtin verdient mit“, argumentiert er.
Für Anna Rossinskaya bietet die berufsbegleitende Ausbildung als Erzieherin die Möglichkeit, sich in ihrer neuen Heimat weiter zu etablieren und ihre Talente zu nutzen. Die 45-jährige alleinerziehende Mutter von zwei fast erwachsenen Kindern kommt aus Russland und lebt seit 2011 in Deutschland. Die ehemalige Künstlerin und Lehrerin hatte die Chance, in ihrer neuen Heimat in einer Kita als Sprachförderkraft und später als Interkulturelle Kraft zu arbeiten. Seit 2015 bietet sie zudem im Mainzer Gutenberg-Museum ehrenamtlich Workshops für Kinder an.
„Es ist sehr schön, mit Kindern zu arbeiten, und ich finde den Beruf sehr abwechslungsreich“, sagt die KBS-Absolventin. Zu einer Erzieherinnen-Ausbildung habe sie sich entschlossen, auch um mehr zu verdienen. „Das war eine gute Entscheidung“, resümiert sie, „denn die Ausbildung hat mich gestärkt. Als Ausländerin möchte ich nie arbeitslos sein.“ Mit der Ausbildung kann sie sich zudem vorstellen, irgendwann in andere Felder zu wechseln wie in die Jugendhilfe.
Von Anja Weiffen
ZUR SACHE
Neuer Träger
2016 wurden die Elisabeth-von-Thüringen-Schule (Träger Bistum Mainz) und die Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Schule (Träger Schwestern von der Göttlichen Vorsehung) zur Katholischen Berufsbildenden Schule (KBS) Mainz zusammengeführt. Am 1. August dieses Jahres wurde die Trägerschaft auf die neu gegründete Schulgesellschaft St. Martinus gGmbh übertragen. Zudem gibt es seit März am Ketteler-Standort eine enge räumliche Kooperation mit dem Bildungszentrum für Gesundheitsberufe des Marienhaus Klinikums Mainz. Damit verbinden sich nun unter dem „Dach“ der KBS die Schwerpunkte der Erzieherin-nen- und Sozialassistentin-nen-Ausbildung, der Pflegeausbildung sowie der berufsorientierenden Bildungsgänge BVJ (Berufsvorbereitungsjahr), BF 1 und 2 (Berufsfachschule) mit dem Ziel der Berufsreife beziehungsweise Sekundarabschluss I. (red)