Gemeinnütziges Siedlungswerk Frankfurt/Main feiert 75-jähriges Bestehen
Bezahlbarer Wohnraum für viele
Alexandra Lechner/Corporate Photography
Als es anfing, lag Deutschland in Trümmern. Kurz nach dem Krieg war die Wohnungsnot groß. Eine Motivation für die Bischöfe von Limburg, Mainz und Fulda, 1949 – wenige Wochen vor der Gründung der Bundesrepublik – mit dem Gemeinnützigen Siedlungswerk (GSW) den betroffenen Familien beim Bau von kleinen Eigenheimen unter die Arme zu greifen: Handwerkliches Geschick brachten viele aus der Kriegsgeneration damals mit, aber es fehlte an wirtschaftlichen Kenntnissen und Geld, sodass das Siedlungswerk der Kirche hier vor allem Beratung anbot. Mit einem Gründungsstammkapital von zunächst 50 000 Mark stifteten die Bischöfe und Caritasverbände dem Werk Geld für eigene Bauprojekte.
„Wohnungsbau ist Dombau“, brachte es der damalige Würzburger Bischof und spätere Münchener Kardinal Julius Döpfner für die Nachkriegszeit auf den Punkt. Er sah einen christlichen Auftrag darin, Menschen auf der Suche nach Heimat mit einem Dach über dem Kopf zu helfen. Bis heute ist es aus dieser christlichen Motivation heraus Kernauftrag des GSW, bezahlbaren Wohnraum für breite Gesellschaftsschichten zu ermöglichen, betont der Vorsitzende des GSW-Aufsichtsrats, der Finanzdezernent im Bistum Limburg, Thomas Frings. Im Vergleich lägen die Mieten beim GSW deutlich unter denen privater Anbieter. „Damit leisten wir bis heute einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl.“
Viele können sich die Miete in Neubauten nicht leisten
Auch wenn die Ursachen andere sind: Die Wohnungsnot ist wieder groß in Deutschland, gerade in städtischen Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet. 400 000 neue Wohnungen pro Jahr hatte die Bundesregierung deshalb als Ziel ausgegeben. Der Bedarf liegt womöglich noch darüber, die tatsächlich realisierten Zahlen liegen deutlich darunter.
Was den Bau- und Wohnungsmarkt insgesamt trifft, macht sich auch beim GSW bemerkbar: Es entstehen zu wenig neue Wohnungen am Markt, die sich suchende Mieterinnen und Mieter leisten können. Das liege neben gestiegenen Baukosten und Zinsen auch an den gestiegenen Herausforderungen durch Bauauflagen, Vorschriften und an unzureichenden öffentlichen Förderungen, um das gesetzlich Geforderte wirtschaftlich umsetzen zu können, beklagt die Geschäftsführung. Manchmal seien aber auch Nachbarn Neubauprojekten gegenüber kritisch.
Er wünsche sich von der Politik in Bund und Ländern, „dass Fördermöglichkeiten verstärkt werden, zum Beispiel durch Senkung der Grunderwerbsteuer, und bürokratische Regulierungen und Hemmnisse abgebaut werden“, erklärt Andreas Schulz, kaufmännischer Geschäftsführer des GSW. Und Filip John, der technische Geschäftsführer, verweist auf die in den Bundesländern sehr unterschiedlichen Bauordnungen. Das GSW agiert auf dem Gebiet der Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. „Dazu kommen auch die insgesamt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegenen Baustoff-Preise und nicht zuletzt auch die gestiegenen Zinsen. All das und mehr macht das Umfeld am Markt schwierig“, sagt John.
Siedlungswerk will klimaneutral werden
Im März hat das GSW seinen 75. Geburtstag gefeiert mit einem Gottesdienst und Empfang an seinem Gründungsort und Sitz in Frankfurt. Bis kurz vor dem 100. Gründungstag will das Siedlungswerk mit seinem Wohnungsbestand klimaneutral werden. Das bedeutet, dass ein Schwerpunkt in den kommenden beiden Jahrzehnten in der energetischen Sanierung der Wohnungen liegt: neue Heizungen auch mit erneuerbaren Energiequellen, Dämmungen und manches mehr. Das kostet Geld. Und das führt fast zwangsläufig zu höheren Mieten. Das ist für den Aufsichtsratsvorsitzenden Frings jedoch kein Widerspruch zum Anliegen bezahlbarer Wohnungen. Im Gegenteil. „Die Kosten für das Wohnen erhöhen sich künftig vor allem durch steigende Energiepreise“, sagt Frings.
Durch die energetische Sanierung könnten diese Kosten deutlich gedrosselt werden, sodass gerade auch mit den Sanierungen und moderaten Mietsteigerungen das GSW den sozialen Aspekt weiter unterstütze. Denn dadurch lasse sich der ansonsten rasante Anstieg der Gesamtkosten für die Mieterinnen und Mieter abbremsen. Frings sieht das Dilemma: „Wir bewegen uns im Spannungsfeld eines Dreiecks aus Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und den sozialpolitischen Aspekten.“ Und auch Geschäftsführer Schulz betont: „Wir sind keine Gewinnmaximierer.“ Er blickt dabei zuversichtlich in die herausfordernde Zukunft. „Wir sind wirtschaftlich sehr gesund. Unsere Rendite ist aber auch die ökologische und soziale Rendite.“ Das heißt christlich gesprochen: Schöpfungsverantwortung und Nächstenliebe sollen beim GSW weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
Den bisweilen geäußerten Verdacht, das GSW werde als eine Art Goldesel der Bistümer gehalten, weist Aufsichtsratschef Frings zurück: Seit Unternehmensgründung habe das GSW keine Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet, sondern die Erträge jeweils in die Weiterentwicklung reinvestiert. So habe das GSW selbst für sein organisches Wachstum gesorgt. Das könne aber nicht unbegrenzt erfolgen und sei auch grundsätzlich nicht immer sinnvoll. „Dadurch entstehende Synergien und zusätzliche Skaleneffekte können nicht in gleichem Umfang parallel steigen“, erklärt Geschäftsführer Schulz. Größer bedeutet also nicht automatisch einfacher und besser. „Zudem müssen wir erhebliche energetische Investitionen in den Wohnungsbestand tätigen, um die angestrebte Klimaneutralität 2045 zu erreichen.“ Mit derzeit etwa 9000 verwalteten Wohnungen habe man „eine gute Größe erreicht“, sagt Schulz. Fusionen mit anderen Siedlungswerken und eine Ausweitung auf weitere Bistümer und Bundesländer seien jedenfalls nicht geplant.
Als ein „Fan des GSW“ bezeichnet sich Aufsichtsratsvorsitzender Frings und will mit dem Gremium die Geschäftsführung weiter darin stärken, gute Ergebnisse zu erzielen – auch wenn die Ausgaben steigen, die Einnahmen sinken und die Kirche immer weniger Mitglieder hat. Die kirchlichen Siedlungswerke seien zusammen genommen in Deutschland mit die größten Anbieter von Wohnraum, unterstreicht Frings: „Das ist auch unser Verständnis von Gemeinnützigkeit: Wir leisten unseren Beitrag in der Gesellschaft, um angesichts von oft prekären Wohnverhältnissen vielen mit unserem Know-how und Können ein bezahlbares Zuhause zu ermöglichen.“
Was das GSW tut: Ein Beispiel aus Mainz-Gonsenheim
Neubauten sind derzeit aufgrund gestiegener Kosten für Baumaterial, höherer Zinsen als noch vor ein paar Jahren und zunehmender Bauauflagen teuer. Das wissen nicht nur private Bauherren. Sie sind auch wenig wirtschaftlich für Vermietende, gerade wenn als Zielvorgabe bezahlbare und moderate Mieten auch für Familien und Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen im Blick sind. „Energetische Sanierung“ und „Nachverdichtung“ durch Lückenbebauung sind deshalb prägende Worte für die aktuellen Bau-Schwerpunkte des GSW. Das zeigt sich etwa im Mainzer Stadtteil Gonsenheim, wo das GSW einen Neubau im rückwärtigen Garten mit einer Sanierung der bestehenden Wohnanlage verbindet. Der alte Baumbestand bleibt laut Projektskizze neben den erforderlichen PKW-Stellplätzen erhalten und ist in die Neugestaltung der Grünflächen eingebunden. So ist vom Neubau aus ein Blick ins Grüne möglich. Dort gibt es auch einen Kinderspielplatz und Fahrradstellplätze.
Der „grüne“ Aspekt wird am bestehenden Gebäude außerdem mit einer erneuerten Wärmedämmung und einer Photovoltaikanlage, die eine Gas-Hybrid-Heizung mit Pufferspeicher unterstützt, auf eigene Weise unterstrichen. So sind zu den bestehenden 24 Wohnungen je vier Zwei- und Vier-Zimmer-Wohnungen neu entstanden.
Hintergrund
Die Gemeinnützige Siedlungswerk GmbH (GSW) mit Sitz in Frankfurt wurde 1949 gegründet. Gesellschafter sind heute der Bischöfliche Stuhl zu Mainz und zu Fulda sowie die Bistümer Limburg und Erfurt zusammen mit den Caritasverbänden der vier Diözesen (Foto mit Vertretern der Gesellschafter-Bistümer Fulda, Mainz und Limburg bei der Jubiläumsfeier in Frankfurt). Den größten Gesellschafteranteil des Siedlungswerks hält mit knapp der Hälfte das Bistum Limburg; die Anteile der Caritasverbände sind eher symbolisch. Das GSW verwaltet laut Geschäftsbericht mit seinen etwa 130 Mitarbeitenden rund 9000 Wohnungen für etwa 13 000 Bewohner, vor allem in den städtischen Ballungsgebieten; davon ist etwa jede dritte eine Wohnung mit Sozialbindung. Die durchschnittliche monatliche Nettomiete liegt den Angaben zufolge bei rund sieben Euro pro Quadratmeter. Der mit Abstand größte Anteil der Mieter kommt aus der Altersgruppe der 41- bis 60-Jährigen. Im Jahr 2022 hat das GSW demnach etwa 6,3 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet, der in die Absicherung und Entwicklung des Unternehmens reinvestiert wird.