"Alte Mauern, neues Leben": Naturlehrgarten Fohlenweide

Die Wiese, die mal Garten war

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Wo einst gemauerte Terrassen mit Wasserspielen lockten, findet sich heute eine Naturkunde-Anlage mit Streuobstwiese. Die Serie „Alte Mauern – neues Leben“ führt diesmal zur Fohlenweide in der Rhön, einstmals fürstäbtliche Sommerresidenz. Von Evelyn Schwab.



Die Streuobstwiese mit dem wellenförmigen Bodenprofil deutet darauf hin, dass es sich um historisches Terrain handelt..


Obstbäume standen dort schon im 18. Jahrhundert, allerdings in einem prunkvollen Barockgarten mit Terrassen, Pavillons und Brunnen. Der verschwand Anfang des 19. Jahrhunderts und geriet mit der Zeit in Vergessenheit. Nach 1989/90 ließen Hessen Forst und der Naturpark Rhön das Areal mit Apfel- und Birnbäumen zwar neu bepflanzen. Die Fläche blieb aber wiederum sich selbst überlassen und verwilderte. Ab 2015 erfolgte die Reaktivierung. Mit dem Konzept befasst war Astrid Schäfer.
„Die Wiese war total verbuscht“, erinnert sie sich. „Baumhoch war alles gewuchert, man kam nirgendwo mehr ran.“ Es fehlte an Mitarbeitern, nicht alle Streuobstwiesen im Biosphärenreservat Rhön konnten bewirtschaftet werden. Doch eine solche Wiese lebt von regelmäßiger Pflege. Erhält sie die nicht, verwildert dieser artenreiche Lebensraum und verschwindet.
Gemeinsam mit Biosphären-Ranger Arnold Will wurden damals freiwillige Helfer gefunden: Junge Flüchtlinge aus Syrien etwa, die auf der Wasserkuppe untergebracht waren und eine sinnvolle Beschäftigung suchten, aber auch Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen ihrer Projektwochen beim Entbuschen und beim Ernten von Obst halfen. Astrid Schäfer entwickelte damals zwar das Verfahren zur Wiederbelebung der Streuobstwiese mit, hatte aber noch nicht im Blick, dass sie diese gemeinsam mit ihrem Mann einmal selbst bewirtschaften würde.
Das änderte sich im Herbst 2017. Michael Schäfer befand sich gerade in Rom, als seine Frau ihn am Handy erreichte: Offenbar hatte sie gerade eine Besprechung verlassen und wollte nur knapp von ihm wissen, ob er immer noch gerne einen kleinen Traktor haben wolle? Als „Spielerei“ hatte sie das stets abgelehnt. Jetzt aber wäre eine Aufgabe für das Fahrzeug da und es könne angeschafft werden. Astrid Schäfer, die ihrem etwas sprachlosen Ehemann alles Weitere später erzählen wollte, kehrte ins Büro zurück und übernahm dort spontan selbst die Bewirtschaftung des Projekts, auf das sich niemand weiter beworben hatte. Finanzielle Unterstützung gab es vom Mineralbrunnen Rhönsprudel, der im Biosphärenreservat Rhön Naturprojekte unterstützt.
Die beiden Wahl-Rhöner hatten bei der DRK Bergwacht Wasserkuppe bereits Erfahrungen im Natur-, Landschafts- und Umweltschutz gemacht. Michael Schäfer stammt aus Nordhessen und aus dem Bereich Architektur, Astrid Schäfer kommt aus dem Raum Schlüchtern und dem Bereich Controlling. Mit Elan gingen sie an die Pflege ihrer Streuobstwiese, die als Bodendenkmal noch nicht bekannt war. Und weil der Traktor auf der Wiese oft in Vertiefungen und Senken hängen blieb, sollten solche Bewirtschaftungshindernisse beseitigt werden. Michael Schäfer: „Wir wollten die Arbeit erleichtern und Flächen gerade schieben lassen.“ Alle Genehmigungen lagen schon vor, als per Zufall Luftbilder auf Radarbasis symmetrische Strukturen im Boden aufzeigten: „Die Behörden sagten Stopp. Direkt vor der Apfelernte 2018 mit erwarteten zwölf Tonnen Obst gab es zunächst ein Befahrungsverbot.“
Die Radarfotos bewiesen, dass sich an dieser Stelle einmal ein terrassenförmig angelegter Garten befunden hatte. Archäologische Untersuchungen vor drei Jahren förderten Überreste von Holzfundamenten und Treppen sowie Gräben mit Bleirohren zutage. An der Stelle der heutigen Streuobstwiese gab es einen barocken Garten zum Lustwandeln – mit Wasserspielen,  Alleen, Teichen und Kegelbahn. Der Fuldaer Maler Johann Andreas Herrlein (1723 bis 1796) hat die entdeckten Lustpavillons aus Holz auf Gemälden festgehalten.
Das Ehepaar ist begeistert von der besonderen Geschichte der Streuobstwiese. Während Astrid Schäfer heute als zertifizierte Landschafts-Obstbauerin für die Unterwuchspflege und den Schnitt der Bäume zuständig ist, vertieft sich Michael Schäfer in die Historie des Ortes und arbeitet an einer Dokumentation zum Gesamtareal Fohlenweide, dem ehemaligen Schloss Neu-Thalberg. Beide bieten regelmäßig Führungen auf dem Gelände an. Und freuen sich im Frühling besonders darüber, dass alte Narzissen aus dem Barockgarten die Zeit überdauert haben.

Von Evelyn Schwab

 

CHRONIK

Vom Barockschloss zur Fohlenweide
Auf den Überresten einer ehemaligen Schlossanlage der Fuldaer Fürstäbte befindet sich der Naturlehrgarten Fohlenweide.
Sein Info-Pavillon steht direkt auf einem Gewölbekeller des früheren Schlosses. Dort können sich Besucher über die Geschichte des Ortes sowie über Lebensräume verschiedener Tier- und Pflanzenarten informieren.
Das einstige Jagdschloss Thiergarten mit eigenem 400-Hektar-Wildpark wurde durch Abt Constantin von Buttlar nach 1717 errichtet – in Sichtweite der ebenfalls fürstäbtlichen Sommerresidenz Bieberstein. Buttlars Nachfolger Adolf von Dalberg führte die Bauarbeiten ab 1726 weiter und schuf eine idyllische Barockanlage.
Die Säkularisation brachte in den Jahren nach 1802 einige Regierungswechsel mit sich. Die meisten Gebäude der barocken Anlage wurden in der Folgezeit abgebrochen und das Baumaterial versteigert. Ab 1834 diente das Land als Fohlenweide: Pferdebesitzer aus der Umgebung ließen ihre Jungtiere dort gemeinsam fachlich und tierärztlich betreut aufziehen. Dieser Name ist bis heute geblieben.
Am Tag des Offenen Denkmals gibt es eine Führung zum barocken Bodendenkmal an der Fohlenweide: 11. September von 14 bis 18 Uhr.

Astrid und Michael Schäfer
Telefon 06657/9142834
www.vorwärtsstarten.de

 

ZUR SACHE

Gestein und Leben
Der Mineralbrunnen Rhönsprudel mit Sitz in Ebersburg-Weyhers lässt im Rahmen verschiedener Naturprojekte seit einigen Jahren diese Streuobstwiese pflegen und bewirtschaften. Demnächst soll mit seiner Unterstützung die gesamte Fohlenweide neue Infotafeln erhalten, um den Besuchern ein noch spannenderes Naturerlebnis zu bieten. Zu sehen sind dort die Gesteinsbiotope Basaltblockmeer, Buntsandsteinfelsen und Muschelkalk. Im Feuchtbiotop wachsen Seggen, Binsen und verschiedene Wasserpflanzen. Dort tummeln sich Libelle, Grasfrosch und Molch. Die alten Lindenalleen am Wasser sind als Naturdenkmale geschützt. (ez)