Michael Albus' Reisen haben seinen Glauben verändert

Ein weiter Horizont

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Michael Albus an einem Rednerpult
Nachweis

Foto: kna/Julia Steinbrecht

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Michael Albus spricht bei der Verleihung des Katholischen Medienpreises 2021 der Deutschen Bischofskonferenz.

Michael Albus hat viele Jahre lang für das ZDF Filme über Religion und Kirche gemacht. Die Reisen in alle Welt haben seinen Glauben verändert. Genauso wie seine ehrenamtliche Mitarbeit in der Sterbebegleitung.

„Es war beides, Hilfe und Qual“, sagt Michael Albus über seine „schwärzest katholische“ Kindheit und Jugend im Schwarzwald. Zum Beispiel als Ministrant. „Zwischen 7 und 21 Jahren jeden Tag morgens früh um fünf, in einem Frauenkloster.“ Auch Krankheit war keine Entschuldigung. „Meine Großmutter sagte: Messe ist wichtiger als Fieber.“ Ausschließlich darunter gelitten habe er aber nicht. „Ich habe zu Hause Messe gespielt und alle dachten, ich werde mal Priester.“ Dankbar ist er, „dass ich durch die Kirche die Musik entdeckt habe“. Auch die christliche Lebenspraxis ist fest verankert. „Und die Gespräche mit jungen Kaplänen waren hilfreich“, sagt Albus.

Komplizierte Sachen einfach erklären

Eine Qual war hingegen, „dass Sachen zu glauben befohlen wurde, die falsch sind“. So musste Albus jeden Samstag zur Beichte. „Der Priester sagte: Das sechste Gebot beichtet ihr zuerst, sonst gibt es keine Lossprechung.“ Auch seine allererste Beichte bleibt in Erinnerung. „Unsere Lehrerin hat uns Zettel mit allen Geboten gemacht. Als ich gebeichtet habe: ‚Ich habe die Ehe gebrochen‘, hat unser Pfarrer den Vorhang zurückgezogen und gesagt: ‚Nein, das hast du bestimmt nicht‘.“

Das Priesterspielen war irgendwann vorbei. „Ich habe in Freiburg Theologie und Germanistik studiert“, sagt Albus. „Laut Prüfungsordnung auf Lehramt, aber ich wollte nie in die Schule. Ich fand Journalismus interessant.“ Vor allem die Aufgabe, „komplizierte Sachverhalte so zu übersetzen, dass alle sie verstehen“. Und komplizierte Sachverhalte hat die Kirche viele zu bieten.
So kam Albus nach einer Doktorarbeit bei dem späteren Aachener Bischof Klaus Hemmerle in den Arbeitsbereich Kirche und Medien, erst als Referent beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken und ab 1976 beim ZDF, wo er in der Redaktion „Kirche und Leben, katholisch“ anfing und bis zum Leiter der Hauptredaktion „Kinder, Jugend und Familie“ aufstieg.

Die Möglichkeit, für Fernsehfilme über Religion und Glaube in alle Welt reisen zu dürfen, „war ein Geschenk“, sagt Albus. „Ich habe Erfahrungen machen können, die man zu Hause nicht macht.“ Der 81-Jährige denkt daran, wie er die Reiserouten des Paulus zu Fuß nachgegangen ist. Oder an eine Filmreihe über die heiligen Berge der Weltreligionen. „Das hat meinen Horizont unglaublich geweitet – international, religiös und kulturell“, sagt er. Gerade seine Generation sei doch so geprägt, „andere Religionen und Kulturen abzuwerten oder gar zu verachten“. Seine Reisen hätten das völlig verändert.

"Der Tod wird doch der Höhepunkt des Lebens"

Am wichtigsten aber, sagt Albus, sei im Rückblick eine Filmtrilogie über Straßenkinder in Bogota gewesen. „Danach war ich ein anderer.“ Das Leid dieser Kinder zu sehen und auch, wie Patres versuchten, sie zu unterstützen, „das hat mir klargemacht: Das ist es, was das Evangelium fordert, dorthin zu gehen, wo es unbequem ist“. Danach sei er „radikaler geworden, politisch und kirchlich“, sagt Albus.

Das drückte sich auch in manchem Kommentar zu kirchlichen Themen aus, die Albus im Fernsehen sprach. „Gemäß Staatsvertrag muss das ZDF den Kirchenredakteur entlassen, wenn die Bischöfe ihm das Vertrauen entziehen“, sagt Albus. „Mehrmals war es kurz davor.“ Gerne bei sexualethischen Themen. Aber immer hätten Bischöfe, die ihm nahestanden, der Forderung ihrer Mitbrüder nach Ablösung widersprochen.

Mit innerkirchlichen Streitigkeiten mag er sich heute nicht mehr beschäftigen. „Je älter ich werde, desto mehr frage ich mich, was wichtig ist“, sagt Albus. So hat er in der Landgemeinde, in der er 42 Jahre gelebt hat, einen Gesprächskreis gegründet. „Da kommen alle drei, vier Wochen 30 bis 40 Leute zusammen“, sagt er, Tendenz steigend. Die Teilnehmer geben die Themen vor – und es sind die großen Themen: Was bleibt von mir, wenn ich gehe? Was meine ich, wenn ich ‚Gott‘ sage? Was bedeutet mir Jesus? „Die kirchlichen Streitthemen besprechen wir gar nicht, das interessiert niemanden mehr.“

Bewusster Eintritt in die letzte Lebensphase

Zu den großen Themen gehört zweifellos der Tod. „Ich engagiere mich seit langer Zeit in der Sterbebegleitung“, sagt Michael Albus. Schon als seine Großmutter zum Sterben kam, sei er dabei gewesen – und später durch einen Freund zur Palliativstation des Mainzer Uni-Klinikums gekommen. Er habe auch Freunde und Kollegen beim Sterben begleitet und zusammen mit seiner Frau ihren alten Pfarrer. „Er hat sich gewünscht, dass ich beim Requiem die Predigt halte; das Bistum hat erst gesagt, dazu sei ich ja gar nicht berechtigt – und hat dann großzügig eine Ausnahme gewährt“, erzählt Albus und man merkt sein Unverständnis.

Ihm ist bewusst, dass er nun selbst in die letzte Lebensphase eintritt. Unsere erste Verabredung zum Gespräch musste er absagen. Vorhofflimmern, Notaufnahme. „Ich habe als Folge einer Covid-Erkrankung Herzrhythmusstörungen“, erzählt er.

Vielleicht hat auch das ihn dazu bewogen, eine Bilanz seines Lebens zu ziehen – als Buch. „Ich will verstehen, wie und was mein Leben war“, sagt er. „Ich will den Sinn darin erkennen.“ Und warum öffentlich? „Naja“, sagt Albus, „ich habe in meinem Leben sehr vieles öffentlich gemacht – und vielleicht interessiert es ja den ein oder anderen.“

Auf das Sterben blickt er mit einer gewissen Angst. „Ich habe zu oft erlebt, dass das schwierig sein kann.“ Auf den Tod schaut er mit Neugier und Hoffnung, „der Tod wird doch der Höhepunkt des Lebens“. Dann, wenn, wie er ist seinem Buch schreibt, „alles in Allem oder nichts im Nichts ist“.

Buchcover von Michael AlbusWas bleibt? Analysen und literarische Texte, Beobachtungen und Erinnerungen, Privates und Öffentliches, Kirchliches und Weltliches. Michael Albus: Auf Durchreise. Spuren eines Lebens. Patmos. 176 Seiten, 20 Euro. Erscheint Ende Oktober

Susanne Haverkamp