Orgel-Recycling – gibt’s das?

Eine Orgel startet neu

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Orgel-Recycling – gibt’s das? Ja, gerade zu beobachten in der Kirche St. Petrus Canisius in Mainz-Gonsenheim. Statt eingemottet zu werden, findet die Orgel aus der profanierten Kirche St. Elisabeth in Fulda hier ein zweites Zuhause. Von Anja Weiffen



Aus Eichenholz besteht das Gehäuse der „neuen“ Orgel, die gerade in St. Petrus Canisius in Gonsenheim aufgebaut wird.


Wie eine riesige Muschel erscheint einem die Kirche St. Petrus Canisius in Gonsenheim beim ersten Anblick. Die große Wiese vor ihren Toren unterstreicht die Wuchtigkeit des Gebäudes. Im Inneren des Gotteshauses wölbt sich die Decke meterhoch über dem Kopf. Was für eine Orgel braucht es wohl, um diesen Raum mit Klang zu füllen?

„Dieser Kauf ist ein Glücksgriff“

„Die Akustik ist hier unproblematisch“, erklärt Mechthild Bitsch-Molitor beim Ortstermin. Die hauptamtliche Regionalkantorin im Bistum spielt in St. Petrus Canisius seit circa 25 Jahren ehrenamtlich die Orgel und gehört zum Organisten-Team der Gemeinde. Zurzeit kümmert sie sich maßgeblich um das Orgel-Großprojekt. Die alte Orgel war durch Hitze in den Sommermonaten zunehmend unspielbar geworden. Irgendwann wurde nicht mehr in das Instrument inves-
tiert. Die Gemeinde entschied, die Orgel gegen eine andere auszutauschen. Doch brandneu ist das Instrument, das gerade auf der Empore aufgebaut wird, nicht. Secondhand würde man die Orgel nennen, wäre sie ein Kleidungsstück. 24 Jahre lang erfüllte die Orgel der Licher Orgelbaufirma Förster & Nicolaus die Kirche St. Elisabeth in Fulda mit Musik. Im Mai wurde das Gotteshaus jedoch profaniert, die Orgel musste verkauft werden. Einen Glücksgriff nennt Mechthild Bitsch-Molitor den Kauf des gebrauchten Instruments aus dem Nachbarbistum. Denn wenn sich in St. Petrus Canisius nicht die Akustik als anspruchsvoll darstellt, so ist es die Optik der denkmalgeschützten Kirche.


Mechthild Bitsch-Molitor an den
Manualen der neuen Orgel.
Zum Spielen fehlen jedoch noch
die Pfeifen.

„Der Architekt Hugo Becker hat St. Petrus Canisius in den 1950-er Jahren nach der Form einer Parabel erbaut“, erläutert die Kirchenmusikerin. „Das Architekturkonzept basiert auf der Offenbarung des Johannes. Die Kirche soll das himmlische Jerusalem widerspiegeln.“ Sie zeigt auf die große Glasfront, die durch Betonrippen in ungezählte Felder unterteilt ist. Einzelne Fenster leuchten in Rot, Blau, Goldgelb. „Sie symbolisieren die Edelsteine an den Toren des himmlischen Jerusalems.“ Hier eine Barock-
orgel zu installieren, würde nicht passen. Die Orgel aus Fulda stammt von 1997, wurde aber für St. Elisabeth aus dem Jahr 1963 gestaltet. Größer und klangfüllender als die vorherige Gonsenheimer Orgel ist die „neue“ ebenfalls. Einen Glücksgriff nennt Bitsch-Molitor den Kauf auch, weil sich die Abgabe der Orgel und die Suche der Gonsenheimer Gemeinde nach einem neuen
Instrument zeitlich gut gefügt hat. „Wir hatten eher damit gerechnet, bei einer Gebraucht-Orgel-Börse, wie es sie etwa in Wuppertal gibt, fündig zu werden. Aber durch den persönlichen Kontakt der Orgelsachverständigen der Bistümer Mainz und Fulda erfuhren wir von der Abgabe der Orgel aus St. Elisabeth.“

Gesamtkosten von 120 000 Euro

120 000 Euro erwartet die Gemeinde St. Petrus Canisius als Gesamtsumme des Transfers. Vom Bistum gibt es kein Geld für Anschaffungen von Orgeln. Die Kirchengemeinde hat jedoch bereits 50 000 Euro gespendet, berichtet Mechthild Bitsch-Molitor. Für die Gemeinde St. Elisabeth sei es ein Trost, dass ihre Orgel wieder eine Kirche als Zuhause gefunden hat, weiß die Organistin. Bis die Kuppel von St. Petrus Canisius jedoch wieder von Pfeifenklängen erfüllt sein wird, dauere es noch einige Zeit. „Wurde die Orgel in drei Tagen abgebaut, brauchen Aufbau und Intonation Wochen.“ Zuversichtlich ist die Kirchenmusikerin, dass die neue Orgel noch in diesem Jahr feierlich ihre „Antrittsmusik“ spielen wird.

Von Anja Weiffen