Jesuit und Zen-Meister

Für das Wohl aller

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Ein Mann hält die Hände in der Meditationshaltung im Schoß
Nachweis

kna/Harald Oppitz

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In der Zen-Kontemplation verbinden sich christliche und buddhistische Traditionen.

Stefan Bauberger ist Jesuit und Zen-Meditationslehrer. Für ihn ist das kein Widerspruch. Er glaubt, Jesus und Buddha hätten sich gut verstanden – und erklärt, was Christen von der Zen-Meditation lernen können.

Auf den ersten Blick sieht die Vita von Stefan Bauberger aus wie die große Vielfalt. Der 63-Jährige ist Physiker, Jesuit, Zen-Meister, Priester sowie Professor für Philosophie. Zuletzt hat der gebürtige Münchener Bücher über die Künstliche Intelligenz und die Suche nach dem Glück geschrieben. Für Bauberger ist diese Komplexität kein Widerspruch. „Es geht bei den Naturwissenschaften und bei der Religion um die Suche nach Wahrheit“, sagt er. 

Schon früh zog es Bauberger zu den Jesuiten. Bereits mit 21 Jahren trat er in den Orden ein. „Ich hatte immer eine große religiöse Sehnsucht und den Wunsch,
aus meinem Leben etwas Sinnvolles zu machen“, sagt er. Dazu passt auch, dass Bauberger sein Sozialpraktikum bei den Jesuiten in einem Flüchtlingslager in Malaysia absolvierte. Er betreute dort ein Jahr lang traumatisierte, vietnamesische Geflüchtete, die sogenannten Boatpeople.

Die Gesellschaft Jesu hatte Bauberger bereits als „rebellischer Jugendlicher in den Siebzigerjahren“ in einem Jugendzentrum in München kennen und schätzen gelernt. Dort machte er auch erste Erfahrungen mit der strengen, fernöstlichen Zen-Meditation und erkannte rasch: „Das ist das Richtige für mich.“ Heute sagt Pater Bauberger, der 1999, zehn Jahre nach seiner Priesterweihe, zum Zen-Meister ernannt wurde: „Ich kann mir mein Leben ohne Zen nicht vorstellen.“ 

Bauberger meditiert zweimal am Tag

Seit 2015 leitet er ein von ihm selbst gegründetes Meditationszentrum im Bayrischen Wald, das Nordwald-Zendo. Rund 1000 Menschen hat er dort bereits in der Zen-Meditation angeleitet. Rund 200 Schüler kommen regelmäßig zu ihm nach Spiegelau. Darunter „nicht nur Christen. Auch Menschen, die sich mit der Institution Kirche eher schwertun, und einige, die aus der Kirche ausgetreten sind“, sagt der Jesuit. Diese Offenheit ist Bauberger wichtig. 

Stefan Bauberger
Stefan Bauberger: Jesuit, Priester, Physiker, Philosoph und Zen-Meister. Foto: privat

Er selbst praktiziert seit vielen Jahren täglich, geht dafür mindestens zweimal am Tag für 40 Minuten in die Regungslosigkeit und Stille, sitzt mit aufrechtem Rücken, leicht geöffneten Augen und beobachtet seinen Atem, dies allerdings mit großer Achtsamkeit, sonst nichts. „Darüber habe ich den Zugang zu Gott, zum Absoluten gefunden“, sagt Bauberger. Zudem ist er sich sicher, dass seine Meditationspraxis ihm geholfen habe, „stabile, gute, glückliche Beziehungen“ zu führen. „Die Religion erschließt das Glück“, sagt er und räumt ein, dass sein Leben nicht immer frei von Krisen war. So habe er in jungen Jahren als Ordensmann „unter Einsamkeit gelitten. Ich war lange Zeit nicht glücklich in meinem Leben.“ Doch heute sei er es, berichtet Bauberger. „Erst die Krisen, die großen Fragen, die sich mir immer mal wieder stellten, haben mir geholfen, neu auf die Beine zu kommen“, sagt er.

Die grundlegende Übung im Zen besteht darin, ganz da zu sein. Jetzt, hier, in diesem Augenblick. Ähnlich wie dies bereits die katholische Mystikerin Madeleine Delbrêl in ihrem Buch „Gott einen Ort sichern“ beschrieben hat: „Wenn Gott doch überall ist, warum bin ich dann so oft woanders?“ 

Ihre Antwort fiel aus wie die von Bauberger heute: „Werde ganz präsent. Und wenn du merkst, dass du woanders bist, dann kehre in die Präsenz zurück, immer und immer wieder von Neuem.“ Genau darum geht es bei der Zen-Meditation, dem sogenannten Zazen, was aus dem Japanischen übersetzt in etwa heißt „nur sitzen“.

Auf die Frage, warum er lieber Zazen betreibe als beispielsweise die christliche Kontemplation oder das Herzensgebet, wie es in der Orthodoxie seit vielen Hundert Jahren gepflegt wird, antwortet Bauberger. „Ich habe den Eindruck, dass die Meditationspraktiken des Ostens, die alle dem Yoga entstammen, das bereits 5000 Jahre alt ist, besser ausgearbeitet sind. In ihrer gesamten Systematik.“ 

Diesen Eindruck hat er nicht allein. Es war bereits ein Jesuit, Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, der die Zen-Meditation ab den frühen 1960er Jahren erstmals auch für Christen erschloss. Bei ihm hat Bauberger mehrere Kurse in Dietfurt besucht, bevor er seine Zen-Studien nach dem Tode Lassalles unter Anleitung des indischen Jesuiten und Zen-Meisters Ama Samy vorantrieb.

Religion ist nicht nur für einen selbst da 

Und wie bereits bei Lassalle und Ama Samy gab es auch bei Bauberger aufgrund seiner Vorliebe für den fernöstlichen Meditationsweg Reibungen mit der Amtskirche. Doch der Jesuit ist überzeugt: „Buddhisten und Christen können gut im Gespräch sein. Und wenn Jesus und Buddha sich gekannt hätten, ich denke, die hätten sich gut verstanden“, sagt er. In ihrem Kern seien sich die Religionen recht ähnlich. Während Buddhisten gerne von Mitgefühl sprechen, sei das für Christen eben die Liebe. 

Den Begriff Spiritualität mag Bauberger nicht: „Das klingt so, als würde man nur etwas für sich selbst tun.“ Lieber spricht er von Religiosität. Grundgedanke der beiden ihm so vertrauten Religionen sei, „dass man eben nicht nur für sich lebt, sondern für das Große und Ganze, für Gott und somit das Wohl aller Menschen“. Ein Glück dagegen, dass ich nur an äußeren Dingen, dem Status, dem Geld festmache, sei ein schales Glück, sagt Bauberger. Wer wollte ihm da widersprechen?

Andreas Kaiser