Segnung von homosexuellen und unverheirateten Paaren

„Gegen Gottes Gesetz“

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Segnungen von homosexuellen Paaren
Nachweis

Foto: kna/Harald Oppitz

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 Der Papst hat Segnungen für homosexuelle Paare erlaubt. Während das Dokument vielen in Deutschland nicht weit genug geht, laufen manche Bischöfe in anderen Ländern Sturm dagegen.

Erstmals sind in der katholischen Kirche Segnungen von homosexuellen und unverheirateten Paaren möglich. Weltweit stößt die Öffnung auf sehr unterschiedliche Reaktionen – und vor allem in Afrika auf heftige Kritik.

Katholische Priester dürfen homosexuelle, unverheiratete und wiederverheiratete Paare segnen. Die neue Bestimmung von Papst Franziskus hat weltweit Reaktionen ausgelöst. Während der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller von Gotteslästerung sprach, schritt Jesuitenpater James Martin schon kurz nach Veröffentlichung des neuen Papiers zur Tat – und segnete ein gleichgeschlechtliches Paar aus New York.

Die Reaktionen lassen sich in drei Kategorien einteilen. Die erste Gruppe begrüßt das Schreiben „Fiducia supplicans“ (Das flehende Vertrauen). Dazu zählen etwa Bischöfe aus Deutschland und Belgien. Die zweite Gruppe reagiert nicht gerade begeistert und verlegt sich aufs Relativieren. Ein interessantes Beispiel sind hier die USA. In dieser stark gespaltenen Gesellschaft sehen sich viele katholische Bischöfe auf der Seite derjenigen, die konservative Werte vertreten. 

„Dokument im Licht der Lehre lesen“

Einer ihrer Wortführer ist der Erzbischof von San Francisco, Salvatore Cordileone. „Ich ermutige alle, die Fragen haben, die Deklaration des Vatikans genau und im Kontext der unveränderten Lehre der Kirche zu lesen“, erklärte er. Das werde helfen, das Anliegen seelsorglicher Fürsorge richtig zu verstehen. Anders gesagt: „Fiducia supplicans“ zielt auf die Seelsorgepraxis in den Gemeinden ab; die kirchliche Sexualmoral bleibt indes unangetastet.

Bei der dritten Gruppe zieht auch dieses Argument nicht. Sie lehnt das Dokument von Franziskus’ neuem Chefdogmatiker, Kardinal Victor Fernandez, rundherum ab. Die Bischofskonferenz in Nigeria etwa, dem bevölkerungsreichsten afrikanischen Land. Sie kommentierte, die Segnung eines homosexuellen Paares „würde gegen Gottes Gesetz, die Gesetze unseres Landes, die Lehren der Kirche und das kulturelle Empfinden unseres Volkes gehen“. Ähnlich äußerten sich die Bischofskonferenzen von Malawi und Sambia. Der Erzbischof von Kenias Hauptstadt Nairobi, Philip Anyolo, untersagte allen Geistlichen in seinem Erzbistum, homosexuelle Paare und „irreguläre Beziehungen“ zu segnen.

In allen vier Ländern – Nigeria, Malawi, Sambia und Kenia – sind gleichgeschlechtliche Handlungen verboten. Homosexuelle müssen Haftstrafen befürchten, ebenso wie in rund zwei Dutzend weiteren afrikanischen Staaten. In den nördlichen Landesteilen Nigerias, wo das islamische Scharia-Gesetz gilt, droht ihnen sogar die Todesstrafe. 

Zudem werden Christen in dieser Region auf vielfältige Weise unterdrückt. Zusätzlichen Zorn wegen einer Segnung auf sich zu ziehen, dürfte vielen katholischen Gemeinden zu heikel sein. Glaubenspräfekt Fernandez zeigte in einem Interview Verständnis für die schwierige Menschenrechtslage in vielen afrikanischen Ländern. Dass „Fiducia supplicans“ in unterschiedlichen Kulturen verschieden angewendet werde, sei zulässig, sagte er. Unzulässig sei hingegen „die völlige Verweigerung“. Die Bischofskonferenzen dürften keine andere Lehre als die vom Papst genehmigte vertreten und müssten mit seelsorglicher Klugheit handeln.

Unterdessen rief der kongolesische Kardinal Fridolin Ambongo Besungu alle Bischofskonferenzen in Afrika auf, ihre Haltung zu „Fiducia supplicans“ zu formulieren und ihm bis Mitte Januar zu schicken. Der Vorsitzende des afrikanischen Bischofsrats SECAM will daraus eine Stellungnahme an den Vatikan verfassen, die als allgemeine Richtlinie für alle Ortskirchen in Afrika dienen soll. Die „Mehrdeutigkeit“ des Segensdokuments löse bei den Gläubigen große Ratlosigkeit aus, so sein Eindruck.

Auf Konfrontationskurs gehen aber nicht nur afrikanische Kirchenmänner. Auch mehrere Bischöfe aus Lateinamerika, Osteuropa und Asien lehnen die Segnung von Paaren in „irregulären Beziehungen“ ab, etwa die ungarischen Bischöfe und der uruguayische Kardinal Daniel Sturla. 
Und dann ist da noch Kardinal Müller, einst Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan. Das Papier seines Nachfolgers Fernandez lehnte er prompt mit scharfen Worten ab. In einem Gastbeitrag auf mehreren konservativen Online-Portalen kritisiert er, dass das Dokument nicht von der Vollversammlung der Glaubensbehörde diskutiert und beschlossen wurde.

Die schweigende Mehrheit ist wichtig

Müller stört sich überdies am Inhalt, vor allem was die Segnung homosexueller Paare angeht. In der Bibel habe ein Segen etwas mit der von Gott geschaffenen Ordnung zu tun, die auf der sexuellen Verschiedenheit von Mann und Frau basiere. „Die Segnung einer Realität, die sich der Schöpfung widersetzt, ist nicht nur unmöglich, sondern stellt Gotteslästerung dar“, argumentiert er.
Im Chor der Reaktionen sind die Neinsager bislang am lautesten. Bleibt noch eine vierte Gruppe: die schweigende Mehrheit. Ob das neue Vatikan-Papier – weltweit betrachtet – ein Erfolg wird, entscheidet sich vor allem an ihr.

Anita Hirschbeck