Kurzinterview "Moment mal" mit Professor Stephan Lauber
Gottgefälliges Fasten und Barmherzigkeit
Fastenangebote gibt es zuhauf. Doch wie war das zur Zeit Jesu? Wie wurde im jüdischen Volk gefastet? Fragen dazu an den Fuldaer Alttestamentler Professor Stephan Lauber.
Zu welchen Anlässen wurde in biblischer Zeit gefastet?
Durch Fasten hat man eine bewusste Zäsur im Alltag gesetzt, etwa um sich auf große Feste einzustimmen oder um wichtige Entscheidungen zu treffen. Fasten war eine intensive Zeit der Vorbereitung. Das hat die frühe Kirche dann übernommen. Paulus hat vor seiner Taufe gefastet, und auch später haben sich die Taufbewerber so auf den Sakramentenempfang vorbereitet.
Gab es feste Zeiten?
Schon während des Babylonischen Exils (im sechsten Jahrhundert vor Christus) haben sich vier feste Fasttage herausgebildet. Sie waren vor allem eine Erinnerung an die Katastrophe der Zer-
störung des Tempels und der Eroberung Jerusalems. Der wichtigste Fastentag, zu dem sich schon im Alten Testament Vorschriften finden (in Levitikus 16;23), ist aber der Jom Kippur, der Versöhnungstag. Das ist ein Tag der Reue und des Neuanfangs, an dem man 25 Stunden weder flüssige noch feste Nahrung zu sich nehmen soll.
Jesus kritisiert die Fastenpraxis der Pharisäer.
Besonders fromme Pharisäer haben nicht nur die offiziellen Fastentage eingehalten. Sie fasteten zusätzlich jede Woche am Montag und Donnerstag – vielleicht auch, um dafür besonders geachtet zu werden. Kritik an solch demonstrativer Frömmigkeit findet sich schon bei den alttestamentlichen Propheten. Im 58. Kapitel des Jesaja-
buchs wird eingeschärft, dass „gottgefälliges“ Fasten mit Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Solidarität einhergehen muss – indem man das beim Fasten eingesparte Geld für Almosen verwendet. Jesus greift diesen ethischen Anspruch in der Bergpredigt auf. Und solche guten Werke sollen im Verborgenen geschehen, ohne sich damit zu brüsten.
Jesus wird vorgeworfen, dass seine Jünger nicht fasten …
Offensichtlich haben Jesus und seine Jünger nicht asketisch gelebt wie der Kreis um Johannes den Täufer und wie viele Pharisäer. Die Evangelien begründen das mit der Freude der Heilszeit, die durch Jesus angebrochen ist: „Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“ (Markus 2,19) – die handgreifliche Gegenwart Gottes in Jesus verbietet Trauer, Buße und Fasten geradezu. Dazu werden die Jünger erst Anlass haben, wenn sie auch das Leiden und Sterben Jesu erleben und begreifen müssen (vgl. Markus 2,20).
Interview: Hans-Joachim Stoehr