Ostern und die Fröhlichkeit gehören zusammen

Halleluja im Stadion und Ballspiel in der Kirche

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Ostern ohne Fröhlichkeit ist undenkbar. In der Kirchengeschichte gab und gibt es viele Ausdrucksformen davon. Zum einen spiegelt sie sich in Osterliedern wieder, zum anderen aber auch im Brauchtum. Der Theologe und Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs hat Interessantes herausgefunden.


 


Beim Labyrinth in der Kathedrale von Chartres gibt es
keine Sackgassen, der Weg führt ins Zentrum. Gut
zu erkennen ist auch die Kreuzform.

Dass zum Sieg in einem Fußballspiel ein Halleluja angestimmt wird, ist so ungewöhnlich nicht: „Und wir haben den Pokal, Halleluuuja“, schallt es (nach der Melodie des Spirituals „Michael row the boat ashore“) schon mal durch die Fankurven. Aber dass zu einem österlichen Halleluja-Gesang in der Kirche ein Ballspiel veranstaltet wird – und dazu noch von Klerikern! –, erscheint reichlich ungewöhnlich, ja absonderlich. Doch das gab es in früheren Jahrhunderten tatsächlich als Ausdruck des österlichen Jubels und auch der Freude über Christi Auferstehung aus dem Grab. In den mittelalterlichen Kathedralen fand dieses Ballspiel statt, wie es uns überliefert ist.

Singt das Lob dem Osterlamme

Der österliche Gesang war die Sequenz „Victimae paschali laudes“, die Wipo von Burgund zugeschrieben wird, der im 11. Jahrhundert lebte: „Singt das Lob dem Osterlamme“. Im neuen Gotteslob findet man sie in ihrer ursprünglichen lateinischen Fassung (GL 320), im früheren Gotteslob war sie gleich in drei Versionen enthalten (GL 215–217). Ein „Halleluja-Gesang“ war die Sequenz nicht nur, weil sie mit eben diesem Wort schließt, sondern weil sie ursprünglich als Textunterlegung unter dem Jubilus der letzte Silbe „ja-a-a“ aus dem Halleluja herausgewachsen ist und sich zur eigenen Form verselbständigt hat. Im Mittelalter gab es zahllose Sequenzen zu den zahlreichen Festen, heute sind sie auf wenige beschränkt, zu ihnen zählen die Oster- und die Pfingstsequenz („Veni Sancte Spiritus“). Sie machen mit die Besonderheit dieser Tage aus. Aber wie kam es zu diesem Osterspiel beim Gesang der Sequenz? Für die Kathedrale von Auxerre in der Mitte Frankreichs sind wir darüber gut unterrichtet.

Labyrinth als Bild der Erlösung

In dieser Kathedrale befand sich auf dem Boden des Langhauses zwischen den Säulen des Mittelschiffs ein Labyrinth mit etwa zehn Metern Durchmesser. Solche Labyrinthe gab es in mehreren französischen Kathedralen. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass sie auch eine religiöse beziehungsweise kultische Funktion hatten. Das hat auch mit der Darstellung solcher Labyrinthe zu tun, die meist als ein gewundener Weg ins Zentrum gelegt waren. In der christlichen Interpretation erhielt dieser die Bedeutungen entweder eines letztlich tödlichen Irrweges – oder eines Heilsweges ins Zentrum der Erlösung. In der Darstellung des Labyrinths als Form konzentrischer Kreise, über die sich ein Kreuz legen lässt, wird es zum Symbol des schuldbehafteten Vergehens des Menschen, der durch Christi Sieg am Kreuz befreit ist. Die todgeweihte Welt wird überlagert von der himmlischen, der Erlösung.

Auch die mythologische Geschichte um den griechischen Held Theseus, der im Labyrinth auf Kreta den Minotaurus tötet und dadurch die dem Tod Geweihten rettet, spielt hier mit hinein; er wird zum Typos Christi, der in die Hölle eindringt und dem Tod die Menschen entreißt und herausführt, wie es das ostkirchliche Auferstehungsbild (Anastasis-Ikone) zeigt.

Österliches Ballspiel

Zu dem Ballspiel – „pilota“ – über dem Labyrinth gibt es auch eine spätmittelalterliche Beschreibung: Nach dieser nahm der Dekan der Kathedrale einen Ball und stimmte den Wechselgesang „Victimae paschali laudes“ an, dazu tanzte er zum Metrum dieser Sequenz, die von der Orgel begleitet wurde, ein „tripudium“. Die übrigen Kanoniker tanzten außerhalb des Labyrinths, sich an den Händen fassend, girlandenartig an ihm vorbei. Der Dekan warf den Ball der Reihe nach an die einzelnen weiter, sobald sie an ihm vorbei tanzten. Das war das Spiel. Es fand vor dem Abendgottesdienst (Vesper) statt, also nicht innerhalb der Messe.

Der Tanz wie auch der Gesang geben genau die Bedeutung des auf den Boden dargestellten Labyrinths wieder: Der Sieg des Lebens über den Irrweg des Todes. Was der genannte „tripudium“ (Dreischritt) genau bedeutet, ist nicht bekannt. Vielleicht bezieht er sich auf ein Dreier-Metrum des Gesanges – auch die Sequenz im früheren Gotteslob war in ein Dreier-Metrum übertragen worden (GL [1975] 217). Der Dreier-Rhythmus drückt nicht nur die Fröhlichkeit durch das Ostergeschehen aus, sondern ist auch ein Bild der Vollkommenheit; viele Osterlieder auch im Gotteslob weisen diesen Dreier-Rhythmus auf: „Wir wollen alle fröhlich sein“ (GL 326). Auf den Tanz der Engel im Himmel wird der Dreischritt ebenfalls gedeutet – aber auch als eine Art Waffentanz wie in der Antike, passend zum Gesang: „Tod und Leben, die kämpften unbegreiflichen Zweikampf; des Lebens Fürst, er starb, herrscht nun lebend“ (GL 320,3).

Fröhlicher „Dreischritt“

Welch ein Schauspiel, das da geboten wurde – die tanzenden Kleriker mit ihren wehenden Gewändern, der immer wieder in die Luft steigende, hin und her geworfene Ball, der tänzelnde Rhythmus des Gesanges, von der Orgel getragen – das alles im milden Licht des Nachmittags über dem Ornament des Labyrinth-Bodens. Nach Beendigung des Tanzes und des Gesanges begab sich die Schar zum Essen, anschließend zum Abendgottesdienst der Vesper. Von zuschauenden Gläubigen wird übrigens nichts berichtet. Möglicherweise gab es sie nicht und vielleicht trug diese nur im engeren Kreis der Kanoniker gestaltete Feier gerade deshalb zur einzigartigen Schönheit bei. Heute würde sie von den in die Höhe gereckten Handykameras, Smartphones und Tablets völlig kaputt gemacht. Es muss das Schöne auch für sich geben – ohne Gedanken an die Verbreitung über soziale Netzwerke. „Manche Schönheit blüht im Verborgenen, um sich vor den Blicken der Oberflächlichkeit zu schützen“ (Helga Schäferling).
Eine Ahnung aber von dieser Schönheit kann man haben, wenn man die Sequenz im Gottesdienst singt – sie gleicht ja leider auch vielfach einer verborgenen Blume, zumal in ihrer jetzigen einzigen lateinischen Fassung. Da ist die genannte Version aus dem alten Gotteslob empfehlenswerter, zu deren tänzelndem Dreischritt auch die passende Akklamation der Gemeinde gehört (GL 631,1), die wie ein fröhlicher Oster-Walzer klingen kann „Singt, ihr Christen, singt dem Herrn, Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Guido Fuchs