Projektwoche zum Thema Tod und Trauer in der Grundschule

„Hast du schon mal ein Kind beerdigt?“

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Eine Gruppenfoto von einer Schulklasse
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Fotos: Hospizverein Bad Laer

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Gerade bei dem schweren Thema der Projektwoche dürfen Spiele und Spaß nicht zu kurz kommen. Fotos: Hospizverein Bad Laer

Im März war der Hospizverein Bad Laer bei einer dritten Klasse der örtlichen Grundschule am Salzbach zu Gast. Bei der Projektwoche „Hospiz macht Schule“ haben Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich über das Thema Tod und Trauer auszutauschen – kindgerecht und spielerisch.

Eine Schülerin steht gekrümmt, die Hände fest um den Bauch geschlungen. Sie verzieht ihr Gesicht vor Schmerzen. Ein Band hängt ihr aus der Tasche. Ihre Mitschüler sind verwirrt. „Sie hat Bauchschmerzen“, ruft ein Kind. Eine Betreuerin zeigt auf die Hosentasche des Mädchens: „Das stimmt, aber schau nochmal genau hin, was ist das?“ „Ein Band“, ruft ein anderes Kind. Dann fällt der Groschen. Wie im Chor rufen die Schülerinnen und Schüler: „Ein Bandwurm, sie hat einen Bandwurm!“ Rätsel gelöst. Das Mädchen fängt an zu lachen. Wie auf Knopfdruck sind die Schmerzen weg. Kein Wunder, schließlich hat sie die nur vorgetäuscht. Denn die Klasse 3c der Grundschule am Salzbach in Bad Laer (Landkreis Osnabrück) spielt gerade Pantomime. Krankheiten erraten ist die Aufgabe. Von einem aufgeschlagenen Knie über eine Blinddarm-OP bis zum Koma ist alles dabei. Vor allem wird aber viel gelacht.

Sieben Frauen stehen vor einem Plakat
Die Ehrenamtlichen des Hospizvereins (v.l.): Adriane Brandt, Marlies Mönter, Monika Dieckmeyer, Petra Wientke, Maria Nesemeyer, Rosemarie Fischer und Margret Nobbe.

Warum sich die Grundschulkinder mit dem Thema Krankheit auseinandersetzen? Sie haben bei der Projektwoche „Hospiz macht Schule“ mitgemacht. Für fünf Tage waren sieben Ehrenamtliche des Hospizvereins Bad Laer zu Gast. In dieser Projektwoche befassen sich die Kinder mit den Themen Veränderung im Leben, krank sein und wehtun, Sterben und Tod, traurig sein und hoffen sowie trösten und feiern. Ziel des Projektes ist es, Kinder mit dem Thema Tod und Sterben nicht alleine zu lassen. In einem geschützten Rahmen sollen sie die Möglichkeit bekommen, alle ihre Fragen loszuwerden und ehrliche Antworten zu bekommen.

Rede und Antwort stehen mussten aber nicht nur die Ehrenamtlichen des Hospizvereins. Während der Projektwoche kamen noch zwei Gäste zu Besuch: die Kinderärztin Franziska Krtschil und die Bestatterin Anna Lea Hemsath. Mit der Ärztin haben die Kinder unter anderem darüber gesprochen, dass es auch ganz kranke Kinder gibt, die zum Beispiel Krebs haben. Die Bestatterin, die eine Urne mitgebracht hat, musste sich zuerst der Frage stellen, ob in dem Gefäß denn auch eine Leiche drin ist. Was natürlich nicht der Fall war. Aber auch auf andere Fragen wie „Hast du schon mal ein Kind beerdigt?“ oder „Woher weißt du, welche Asche zu welchem Menschen gehört?“ hatte sie die passenden Antworten parat. 

Ein runder Schamottstein mit sechs Nullen
Ein feuerfester Schamottstein

Hemsath hat bereits ein Kind bestattet, das kurz nach der Geburt gestorben ist. Das war für sie besonders traurig. „Wir können nie wissen, wie lange wir leben. Aber zum Glück leben die meisten Menschen ziemlich lange“, sagte sie. Zur Zuordnung der Asche berichtet Hemsath von dem feuerfesten Schamottstein, in den eine Identifikationsnummer eingraviert ist. Er wird bei der Einäscherung auf den Sarg gelegt. Weil er nicht verbrennt, kann die Asche anhand der Nummer auf dem Stein zu dem richtigen Menschen zugeordnet werden.

 

Die Bohnenpflanze als Sinnbild

Die beiden Gäste waren begeistert von ihrem Schulbesuch, weil die Kinder offen und unbefangen mit ihnen umgegangen sind. Und das, obwohl die Themen nicht einfach sind. Adriane Brandt, Koordinatorin des Hospizvereins und eine der Betreuerinnen während der Projektwoche, hat sich über die beiden Besucherinnen gefreut: „Es ist doch viel schöner, wenn die Kinder direkt mit den Expertinnen sprechen können, anstatt nur über sie. Dann sind sie ganz nah dran und bekommen tolle Einblicke.“

Ein Schüler hält eine Pflanze in einem bemalten Topf in den Händen
So wie die Pflanze an dem Stab Halt findet, so haben die Kinder auch etwas, woran sie sich festhalten können, wenn sie traurig sind.

Am vorletzten Tag der Woche wurde das Thema Trösten in den Blick genommen. Dafür haben die Kinder angezüchtete Bohnen eingepflanzt – ein Sinnbild dafür, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine sind und es Menschen und Dinge gibt, an denen sie Trost finden und sich festhalten können. Für die Kinder waren das unter anderem Freunde, Mama und Papa, der Fußballverein oder auch leckeres Essen und Cola. Mit einem Fest, zu dem auch die Familien der Kinder eingeladen waren, endete die Projektwoche. Sie durften erzählen, was sie erlebt und womit sie sich die ganze Woche über beschäftigt haben. 

Für Brandt war die Projektwoche ein Erfolg. „Das war nur mit dem Einsatz unserer tollen Ehrenamtlichen möglich. Aber auch für das Vertrauen der Eltern, der Schulleiterin Frauke Leiß und der Klassenlehrerin Martina Peters möchte ich mich bedanken.“ Nicht zuletzt konnte das Projekt nur so gut funktionieren, weil sich auch die Schülerinnen und Schüler der Klasse 3c darauf eingelassen haben. Brandt lacht: „Es war wirklich schön, aber von der Lautstärke in der Schule haben wir erstmal genug.“

 

Zur Sache

Programm, Methoden und Materialien wurden von der Bundes-Hospiz-Akademie entwickelt. Sie haben die Projektwoche „Hospiz macht Schule“ im Jahr 2008 ins Leben gerufen. Im Vorfeld des Projekts werden die Ehrenamtlichen der Hospizvereine von der Akademie entsprechend geschult. Die Schulen müssen dem Projekt zustimmen. Auch die Eltern der teilnehmenden Klassen haben bei einem Informationsabend die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Durch die Projektwoche können die Kinder anhand ihrer eigenen Fragen, Erfahrungen und Potenziale etwas über den Umgang mit Tod und Trauer lernen. Bis heute wurden bundesweit schon über 800 solcher Projektwochen zusammen mit circa 350 Hospizeinrichtungen und -gruppen durchgeführt.

Jasmin Lobert