"Alte Mauern, neues Leben": Renthof in Kassel

Hotelzimmer in der Klosterzelle

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„Alte Mauern – neues Leben“: Einmal im Monat führt diese Reiseseite zu Stätten, an denen einst kirchliches Leben blühte. Heute in den Renthof in Kassel. Welches Hotel kann für sich in Anspruch nehmen, eine Toilette zu besitzen, die vor 500 Jahren von Klosterbrüdern genutzt wurde? Das Hotel Renthof atmet den Hauch vergangener Jahrhunderte. Von Hans-Joachim Stoehr



Die Alte Brüderkirche (links) und der Renthof zählen zu den ältesten Gebäuden von Kassel.


Das Herzstück der Anlage ist die Alte Brüderkirche, deren Bau 1376 vollendet wurde. Das Gotteshaus ist das älteste in Kassel und auch das einzige, das die Reformation überdauerte. Bis 1971 wurde der gotische Bau für Gottesdienste der ehemaligen Altstädter Gemeinde genutzt. Damals entstand weiter nördlich die Neue Brüderkirche.
1995 wurde die Stiftung Alte Brüderkirche ins Leben gerufen, die sich für den Erhalt der Kirche einsetzt. Inzwischen wird die Kirche als Saal für Ausstellungen und  Tagungen genutzt. Beliebt sind auch Hochzeiten in dem einstigen Sakralraum.
Apropos Ausstellungen: Bei der Kasseler documenta ist dieser geschichtsträchtige Raum auch mit einbezogen. In diesem Jahr sollen Teppich-Kunstwerke gezeigt werden. Außerdem fand bei den letzten beiden documenta-Ausstellungen, der documenta 13 (2012) und der documenta 14 (2017) jeweils die Eröffnung in der Alten Brüderkirche statt – in Anwesenheit der jeweiligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und Frank-Walter Steinmeier.
Der Hotelbetrieb im Renthof ist – im Verhältnis zum Alter der einstigen Klos-teranlage – sehr jung. 2013 übernahmen Rainer Holzhauer und das Ehepaar Kleinkauf das Gebäude von der Stadt Kassel. „Wir nutzen seit 15 Jahren die Alte Brüderkirche für Veranstaltungen. Als 2013 das damalige Altenheim geschlossen wurde, wollten wir das Renthof-Areal kaufen“, erklärt Holzhauer bei einem Gang durch das Gebäude.
Weil die Alte Brüderkirche und das angrenzende  Karmeliterkloster  zu  den  ältesten Gebäuden Kassels zählen, sollten diese für die Öffentlichkeit zugänglich sein. „Das schrie geradezu nach einer Nutzung als Gastronomie- und Hotelbetrieb“, erinnert sich der Eigentümer. Das vorgelegte Konzept überzeugte die Stadt. „Das Abenteuer begann. Und es hält bis heute an“, sagt Holzhauer.

"Wir konnten die Schönheit herauskitzeln"

Bis 2017 dauerte der Umbau der Räume. Für Holzhauer, aber auch für die Mitarbeiter der Denkmalpflege, wurden immer wieder „Schätze“ zutage gefördert, die überbaut waren. „Wir konnten die Schönheit herauskitzeln.“ Und er fügt hinzu: „Wir haben dem Kloster gleichsam die Möglichkeit gegeben, das zu zeigen, was es einmal war.“
Und das war in den ersten Jahrzehnten ein Kloster der Karmeliterbrüder. Landgraf Heinrich I., ein Enkel der heiligen Elisabeth von Thüringen, rief Brüder des Bettelordens nach Kassel. Wegen Querelen mit dem ortsansässigen Ahnaberg-Stift und dem mächtigen Mainzer Erzbischof vergingen 30 Jahre, bis die Karmeliter nach Kassel kommen konnten. Sie siedelten sich nahe der Landgrafenburg an. 1376 wurden die Brüderkirche und das Kloster vollendet.
Als die Brüder Anfang des 16. Jahrhunderts immer mehr in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, übergaben sie 1526 Kirche und Kloster an den hessischen Landgrafen. Ein Jahr später wurden in Hessen die Klöster aufgehoben. Die Alte Brüderkirche wurde Pfarrkirche. Das einstige Klostergebäude wurde auf sehr unterschiedliche Weise genutzt, so etwa als Schule oder Hochschule. Oder als Bürogebäude und Altenheim (siehe „Zur Sache“). Und heute als Hotel.
Freigelegte Sandsteinmauern blieben beim Umbau sichtbar, wie auch die Balken des Fachwerks, die das Gebäude tragen. Zu den freigelegten Entdeckungen zählt ein Plumps-Klo aus dem 16. Jahrhundert. Es ist in einem Treppenhaus für die Besucher zu sehen – hinter Glas.  

Historische Fundstücke sind Teil der Hotelanlage

Diese „Entdeckungen“ sind nun Bestandteil des Hotelalltags: gotische Bögen aus Sandstein, dicke Balken und knarrende Böden und Treppen. Rainer Holzhauer zeigt in der Bibliothek des Hotels auf den Fußboden. „Der ist auch 500 Jahre alt.“ Dass dies den Holzdielen anzusehen ist, ist gewollt. Mancher Flur ist alles andere als eben – Holz verformt sich im Lauf der Jahrhunderte. Die verwinkelte Architektur wurde ebenfalls beibehalten. Und auch die Gestaltung der Zimmer richtete sich weitgehend nach den vorhandenen Gegebenheiten. Das hat zur Folge, dass in einem Bad fast auf Kopfhöhe ein dicker Eichen-Balken verläuft.

Von Hans-Joachim Stoehr