In der Justizvollzugsanstalt Meppen entstehen "Würdetafeln"
Jeder Mensch verdient eine Krone
Foto: Petra Diek-Münchow
Würde ist unantastbar: Das sollen diese kleinen Holztafeln deutlich machen. Gefertigt werden sie unter anderem in der Justizvollzugsanstalt Meppen.
Sieben mal sieben Zentimeter groß sind die „Würde-Täfelchen“. Zwei Worte sind dort eingebrannt: „Würde“ und „unantastbar“, dazwischen eine Krone – weil jedem Menschen unabhängig von Herkunft, Religion, Status, Geschlecht und Orientierung eine Königlichkeit zusteht. Dafür machen sich auch der katholische Gefängnisseelsorger Heinz-Bernd Wolters und sein evangelischer Kollege Ulrich Schönrock in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Meppen stark. Und deshalb haben sie dort den Anstoß zu einer sich regelmäßig wiederholenden Aktion gegeben. Mit Bediensteten fertigen Inhaftierte in der Arbeitstherapie diese Holzquadrate an. Für Kirchengemeinden, Krankenhäuser, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Gäste – und natürlich für das Personal und die JVA-Insassen selbst.
Ralf Knoblauch hatte die Idee
Das Konzept dazu haben die emsländischen Seelsorger von dem katholischen Diakon Ralf Knoblauch aus Bonn übernommen. Im Ethikkomitee der JVA hatten sie die Aktion vorgestellt, der Arbeitstherapie als Projekt vorgeschlagen und „alle waren gleich Feuer und Flamme“. Der Theologe Knoblauch freut sich darüber, dass seine Idee nun auch in einer Haftanstalt umgesetzt wird. Der gelernte Tischler ist bundesweit durch seine Königsskulpturen aus Eichenholz bekannt geworden, die an die unantastbare Würde des Menschen erinnern. Mit den „Würde-Täfelchen“ führt er diese Initiative fort – und jeder darf sie selbst herstellen und „unters Volk bringen“.
Entstanden ist die Idee im Vorfeld der Landtagswahlen in Ostdeutschland und zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes. Angesichts von Populismus und dem unübersehbaren Rechtsruck wollte der Diakon mit den „Würde-Tafeln“ ein Zeichen setzen und sich mit seinem christlichen Menschenbild in einer „Gesellschaft positionieren, die die Grundlagen des demokratischen Denkens aus den Augen zu verlieren droht. Ich will mir später nicht von meinen Kindern zu Recht vorwerfen lassen müssen, dass wir nichts unternommen haben“, so Knoblauch. Überall soll man nach seinem Wunsch über diese kleinen Quadrate „stolpern“: in Wartezimmern, Kneipen, Banken, Kirchen, Geschäften, zu Hause. Seine Hoffnung hat sich erfüllt. Er schätzt, dass hunderttausende durch die ganze Republik wandern. „Das hat sich verselbstständigt.“
Das unterscheidet uns von Diktaturen
Genau wie das Engagement in der JVA. „Das passt gut in diesen Kontext, weil es dort stark um Würde geht“, sagt Knoblauch. So sehen das auch Wolters und Schönrock. „Wie Gottes Ebenbildlichkeit ist jedem Menschen die Würde zugesprochen“, sagt der evangelische Seelsorger. „Unabhängig von dem, was man getan oder nicht getan hat. Würde bleibt, die lässt sich nicht wegnehmen. Das unterscheidet uns von Diktaturen.“ Heinz-Bernd Wolters findet zudem den Ort in Meppen-Versen für die Aktion wichtig, denn hier gab es in Nazi-Zeiten eins der 15 Emslandlager. „Da wurde die Würde mit Füßen getreten“, sagt er, „dessen müssen wir uns bewusst sein.“ Ein achtsamer Umgang zwischen Personal und Inhaftierten ist ihm wichtig.
In der Arbeitstherapie fertigen Inhaftierte mit dem JVA-Bediensteten Felix Borchardt die Würde-Täfelchen an. „Noch haben wir ein paar auf Vorrat“, sagt dieser. „Und bei Bedarf können wir nachlegen.“ Er holt den Prägestempel und demonstriert die Produktion der Quadrate: Sperrholz zurechtschneiden, einbrennen und die Kanten abschleifen. Jedes Plättchen sieht etwas anders aus, „So wie jeder Mensch einzigartig ist“, sagt Wolters.
Meine Würde habe ich noch
Nach seiner Einschätzung sind von der JVA schon weit über 4000 Würde-Täfelchen auf die Reise gegangen: in die Osnabrücker Domgemeinde, in das Meppener Vitus-Werk, an Kirchengemeinden im Emsland und Berlin, an Krankenhäuser in Bremen und Hamburg. Und er selbst hat mehrere in der Tasche, wenn Besucher sich über die Gefängnisseelsorge informieren wollen. Auch an die Bediensteten und die Inhaftierten verteilt er die Holztafeln. „Ich seh die dann in den Zellen – vielleicht als Vergewisserung: ‚Ich bin zwar im Knast, aber meine Würde habe ich noch.‘
Über weitere Aufträge würden sich die Seelsorger freuen. Kontakt per E-Mail: Heinz-Bernhard.Wolters@justiz.niedersachsen.de
Hier wird die Idee der Würde-Tafeln genau erklärt. Außerdem gibt es praktische Tipps zur Herstellung und dem Bezug der Prägestempel.