Mit allen Sinnen ins Leben gehen
Das Don Bosco-Haus in Mölln hat einen Kreuzweg für seine mehrfach schwerstbehinderten Menschen vorbereitet. Er steht aber auch interessierten Besuchern offen.
VON MARCO HEINEN
Der zwölfjährige Mark hat sichtlich Spaß, nach dem kleinen Stoffsack zu greifen, der unter einem in leuchtendem Gelb gehaltenen Bild hängt. Das Bild zeigt den auferstandenen Jesus im Kreise seiner Freunde, wie ein darunter angebrachter kurzer Text in einfacher Sprache erzählt. Doch vor allem der Stoffsack, in dem sich ein hölzernes Herz – Symbol der Liebe Gottes – ertasten lässt, interessiert Mark. Dann ist seine Aufmerksamkeit schon wieder ganz woanders. Er will andere Teile des Geländes erkunden und ein bisschen toben. Mark ist ein aufgeweckter Junge, doch sein Autismus hindert ihn, sich allzu lange auf etwas zu konzentrieren. Doch bis Ostern ist es ja noch ein paar Tage hin und vielleicht wird der Junge bis dahin ja auch noch die anderen zehn Kreuzwegstationen in Augenschein nehmen und ertasten, was es zu entdecken gibt: einen Palmzweig etwa, Symbol für den Einzug Jesu in Jerusalem, oder ein Stück Brot als Symbol für das letzte Abendmahl. Oder die Playmobilfiguren, die für die Soldaten stehen, die Jesus abführen. Und natürlich das Kreuz.
Es ist nicht das erste Mal, dass im Don Bosco-Haus in Mölln ein Kreuzweg für Kinder und Jugendliche sowie für die erwachsenen Bewohner gestaltet wird. Die fast 160 mehrfach schwerstbehinderten Menschen, die in der christlichen Einrichtung leben, erfahren immer wieder auf niedrigschwelligem Niveau etwas über das Evangelium, vor allem in der vorösterlichen Zeit.
Zuletzt hatten die Bewohner der sieben Wohnhäuser 2021 einen Kreuzweg gestaltet. „Dieses Jahr haben wir uns gedacht, wir machen an unserer Waldkapelle einen Kreuzweg für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene“, sagt Gregor Szepan. Der Heilerziehungspfleger mit Autismus-Zusatzqualifikation hat sich gemeinsam mit der pädagogischen Leiterin Kathrin Krüger die Kreuzweg-Darstellungen bei einem Fachverlag bestellt. Die für Kinder gemalten Bilder zeigen den Leidensweg Jesu, ohne dabei zu düster zu sein. Für manche Bewohner sind außerdem die Texte geeignet, die sehr knapp und vereinfacht vom Leiden und der Auferstehung Jesu erzählen und von den jeweiligen Betreuungskräften vorgelesen werden können. Hinzu kommen die Dinge zum Ertasten. „Wir haben einen Kreuzweg gestaltet, der alle Sinne anspricht“, erläutert Szepan. „Was erwartet uns innerhalb der Karwoche? Wer begegnet uns und wie begegnen wir uns?“, formuliert er die Fragen dazu. Und: „Wir gehen in das Leben mit allen Sinnen.“
Angesichts der Beeinträchtigungen, mit denen die Bewohner jeden Tag umzugehen haben, ist das keine Floskel. „Wir nehmen jeden so an, wie er ist. Für uns gilt, nicht stehen zu bleiben, sondern weiterzumachen, aufzuschauen und den Tag zu genießen“, beschreibt es Szepan. „Für uns ist die frohe Botschaft an Ostern das Wichtigste, nämlich, dass Jesus lebt.“ Das Dunkle, das der Kreuzweg beschreibt, wird nicht verschwiegen, doch im Mittelpunkt steht die Botschaft der Auferstehung.
Der Besuch des Kreuzwegs steht allen Interessierten offen. „Begegnung schafft Normalität“, sagt Heilerziehungspfleger Szepan. Wer will, kann also einfach mal an der Waldkapelle hinter den Wohnhäusern vorbeischauen.
Die nächste gute Chance, das Don Bosco-Haus kennenzulernen, bietet sich übrigens beim Maifest am 6. Mai, das unter dem Motto „Digital und barrierefrei“ steht. Dann sind alle Interessierten eingeladen, sich zwischen 10 und 15.30 Uhr bei Crêpes, Kuchen, selbst gebackenem Brot und anderem mehr über die Arbeit des Don Bosco-Hauses zu informieren.