"Alte Mauern - neues Leben": die Klosterkirche Haina
Mit den Maßen einer Kathedrale
„Alte Mauern – neues Leben“: Seit fast 500 Jahren ist die große Hainaer Klosterkirche eine Hospitalkirche. Davor war sie das Gotteshaus der Zisterzienser, die hier fern der Zivilisation lebten. Bis heute geben die Mauern dieses mittelalterlichen Klosters Zeugnis davon. Von Hans-Joachim Stoehr
Die mächtige Westfassade der Klosterkirche in Haina lässt die Größe des dahinter liegenden Kirchenraums erahnen. Das Kirchenportal dagegen ist für ein so großes Bauwerk ungewöhnlich klein, würde zu einer Dorfkirche passen. „Das ist typisch für Kirchen der Zisterzienser. Eine Kathedralkirche von dieser Größe hätte wohl drei Portale. Bauten der Zis-terzienser zeichnen sich aber eher durch Schlichtheit aus“, erklärt Arnd Friedrich. Der evangelische Pfarrer war fast 30 Jahre Seelsorger der Kirchengemeinde in Haina – und die Klosterkirche war seine Gemeindekirche. Zur zisterziensischen Schlichtheit zählte über Jahrhunderte auch das Fehlen eines hoch aufragenden Kirchturms. Erlaubt war nur ein kleiner Dachreiter über der Vierung. Der heutige Vierungsturm ist neugotisch und wurde 1889 errichtet. „Er ist zu mächtig, aber es hätte noch schlimmer kommen können“, versucht Pfarrer Friedrich dem „Fremdkörper“ ein bisschen Positives abzugewinnen.
Pfarrer Friedrich hat neben Theologie auch Geschichte studiert. In Haina konnte er dieses Wissen vielfältig einbringen. Seine Begeisterung für die Geschichte des Klosters hat er weitergegeben. Etwa, als er 1998 mit Studenten der Philipps-Universität Marburg eine Ausstellung auf die Beine stellte.
Zum Öffnen des Kirchenportals hat sich Friedrich den etwa 20 Zentimeter langen Schlüssel besorgt. An diesem Morgen ist der Himmel klar, die Sonne scheint. Beim Betreten des stillen Kirchenschiffs beeindrucken die Dimensionen. Ein Gotteshaus von der Größe der Elisa-bethkirche in Marburg oder des Limburger Doms – und das im ländlich geprägten Oberhessen zwischen Frankenberg und Schwalmstadt.
Der Pfarrer zeigt nach oben zum Gewölbe. „Das ist noch die originale Farbgebung des Mittelalters“, sagt Friedrich. Und dabei ist die Freude des Historikers und Seelsorgers über dieses Bauwerk zu spüren. Die Klosterkirche in Haina ist neben der im württembergischen Maulbronn die einzige Zisterzienserkirche in Deutschland, in der noch die Chorschranke im Kirchenschiff erhalten ist. Inzwischen aber geben drei Öffnungen den Blick frei auf den dahinter liegenden Chorraum. Die mittlere Öffnung über einem steinernen Altar mit Metallkreuz und zwei Kerzenständern ist verglast. „Ohne Glas würden die Kerzen durch den Luftzug sofort ausgeblasen“, erklärt Friedrich.
Er geht davon aus, dass der Bau der Klosterkirche in Haina sich über mehr als 100 Jahre erstreckte. Im Chorraum fällt auf, dass einige Bauelemente romanisch, andere gotisch sind. So finden sich die romanischen Bögen der abgerissenen Kapellen auf der Ebene des Kirchenbodens, die darüber liegenden Fenster sind mit gotischen Spitzbögen versehen.
Auch wenn die Mönche seit 500 Jahren im Gotteshaus kein Stundengebet mehr verrichten, ist das Chorgestühl noch erhalten. Dendrologische Untersuchungen des Holzes haben gezeigt, dass das Chorgestühl um 1240 geschnitzt wurde.
An einer Stelle der rechten Seitenwand, an der vor der Reformation einer der 29 Seitenaltäre stand, fällt ein großes Relief auf – der Philippstein. Er zeigt den hessischen Landgraf Philipp den Großmütigen. Mit seiner Einführung der Reformation in Hessen wurden 1527 alle Klöster in seinem Territorium aufgelöst.
In Haina wandelte Landgraf Philipp die Klostergebäude in ein Hospital um (siehe unten „Zur Sache“). „Auf dem Feld der Diakonie hat er sich Elisabeth zum Vorbild genommen“, erklärt Pfarrer Friedrich mit Blick auf das von Elisabeth gegründete Hospital in Marburg. Daher ist auf dem Philippstein in der Kirche auf der rechten Seite Elisabeth dargestellt. Dabei fällt auf, dass die Heilige, die ja jung gestorben ist, die Gesichtszüge einer älteren Frau hat. Es handelt sich um Christine von Sachsen, die Frau von Landgraf Philipp. Der erste evangelische Pfarrer und zahlreiche Mitarbeiter des Hospitals waren Mönche und Laienbrüder, die evangelisch wurden.
An einen weiteren diakonischen Dienst der Zisterzienser erinnert die „Armenspende“, ein Turmanbau am ehemaligen Konversenbau. „Konversen“ waren die Laienbrüder im Unterschied zu den Konventualen, den Mönchen. Umherwanderende Almosenempfänger, Jakobspilger und andere wurden vom Kloster mit Essen und ein wenig Geld versorgt. Bis heute ist in einem Teil des Konversenbaus die Krankenhausküche untergebracht.
Von Hans-Joachim Stoehr
ZUR SACHE
Hohe Hospitäler
Die Geschichte des Hospitals in Haina dauert jetzt länger als die der Zisterzienserabtei. Träger der Einrichtungen, heute Vitos-Kliniken, in Haina ist seit 1953 der Landeswohlfahrtsverband Hessen. Der Schwerpunkt lag und liegt seit den Anfängen auf der Behandlung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. 1533 hatte Landgraf Philipp die „Hohen Hospitäler“ gegründet. Dabei wurden in Haina männliche Patienten aufgenommen, in Merxhausen – heute Ortsteil von Bad Emstal – Frauen. Zwei weitere Hospitäler in aufgehobenen Klöstern befanden sich im südlichen Hessen: für Männer das Hospital Gronau im Taunus und für Frauen Hofheim bei Darmstadt. (st)
TIPP
Elisabethkirche
Zu der Zeit, als in Haina die Klosterkirche errichtet wurde, entstand im 35 Kilometer entfernten Marburg zwischen 1235 und 1283 die Grabeskirche der heiligen Elisabeth. Das Gotteshaus wurde zu einer der bedeutendsten Wallfahrtsstätten des Abendlands. Pfarrer Arnd Friedrich vermutet, dass Mönche aus Haina auch am Bau des Gotteshauses an der Lahn beteiligt waren. Denn die Zisterzienser haben auch eigene Kirchen selbst errichtet. Nach Einführung der Reformation wurde die Elisabethkirche zur evangelischen Kirche. Obwohl er Elisabeth in der Diakonie nacheiferte, beendete Landgraf Philipp die Verehrung seiner Vorfahrin als Heilige. (st)