Pro und Contra: Kirchen vermieten?

Nach Lindners Hochzeit

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Die kirchliche Trauung in einer evangelischen Kirche auf Sylt für den aus der katholischen Kirche ausgetretenen Finanzminister Christian Lindner und seine neue Frau hat hohe mediale Wellen geschlagen. Soll die Kirche ihre Gotteshäuser auch Nicht-(mehr-)Mitgliedern zur Verfügung stellen? Also ihre Gebäude an jeden und jede vermieten? Hans-Joachim Stoehr ist dafür, Johannes Becher ist dagegen.



In einer Kirche heiraten können – auch, wenn man nicht zum Club gehört? Ein strittiges Thema.


PRO

Kirchenräume werden nicht nur für Gottesdienste, genauer gesagt liturgische Handlungen, genutzt. Und das seit Jahren. So finden immer wieder Konzerte statt – auch von Chören, die nicht zur Kirchengemeinde gehören. In Zeiten einer Volkskirche verstand es sich von selbst, dass dabei meist sakrale Werke präsentiert wurden.
Die Zeiten haben sich gewandelt. Kirchliche Praxis ist kein Selbstläufer mehr. Und deshalb sind kirchliche Gemeinden und Gruppen gut beraten, sich nach außen zu öffnen. Denn missionarisch Kirche sein heißt, mit Menschen in einen Dialog zu treten. Denn es gibt eine wachsende Gruppe all derer, denen kirchliches/christliches Tun fremd ist. Für manchen, der in der Volkskirche aufgewachsen ist und durch sie geprägt wurde, eine befremdliche Vorstellung. Übersehen wird dabei schnell, dass eine gleichgültige, ja offene Haltung gegenüber der Kirche, auch eine Chance birgt: Ich kann für mein Anliegen werben.
Offenheit nach außen heißt für mich auch, den Kirchenraum zu öffnen – für Menschen oder Gruppen, die dies wünschen. Ein prominentes Beispiel dafür war die Hochzeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner, der als jemand, der aus der Kirche ausgetreten ist, in einem Kirchenraum sein Ja-Wort gab.
Ein Ja zu einer Nutzung/Vermietung von Kirchen an Außenstehende heißt indes nicht, dass da jeder machen kann, was er will. Die Kirchengemeinde ist weiterhin Hausherr. Für mich spricht aber nichts dagegen, dass ein Kirchenraum auch für „weltliche“ Veranstaltungen genutzt werden kann. Wenn bei solchen Gelegenheiten Menschen die sakrale Atmosphäre erspüren können, dann ist das ein erster Schritt im Sinne eines Werbens für die christliche Botschaft.
Ein Nebeneffekt von solchen Vermietungen ist, dass Gemeinden damit zusätzliche Einnahmen erzielen. Und das gewinnt in einer Zeit, in der die finanziellen Quellen nicht mehr so sprudeln wie früher, zunehmend an Bedeutung.

Hans-Joachim Stoehr, Redakteur

 

CONTRA

Dann ging Jesus in den Tempel, jagte alle Händler und Käufer hinaus, stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenverkäufer um und rief ihnen zu: ,Ihr wisst doch, was Gott in der Heiligen Schrift sagt: ,Mein Haus soll ein Ort des Gebets sein‘, ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus!“ Mit diesem Zitat aus dem Matthäusevangelium ist alles gesagt.
Das Argument, die Kirchen gingen ja finanziell zunehmend in die Knie und bräuchten dringend andere Einnahmen, ist ein gottferner Ruf, den man besser überhört. Flohmarkt mit Standmiete in der Kirchenbank? Eine Hochzeit mit freier Rednerin und weltlichem Ritual, der wöchentliche Yogakurs, ein Kletterwettbewerb am Orgelprospekt: Der möglichen „Events“ und persönlichen Feieranlässe sind viele.  
Natürlich soll sich der kleiner werdende Kirchenclub mit den anderen Wohlmeinenden in Dorf oder Stadt vernetzen, wie es im neuen Zauberwort der Kommunikation heißt. Doch zum Geldeintreiben darf das Haus Gottes in keinem Fall dienen.
Um nicht dogmatischer zu sein als Jesus selbst, mag es noch angehen, Konzerte in Kirchen zu veranstalten. Schließlich ist dort die beste Orgel. Ob allerdings ein fester Eintritt genommen werden darf, darüber streiten die Puristen und die Kompromissler seit langer Zeit.
So ließe sich gewiss ganz nachbarschaftlich eine Reihe von Veranstaltungen finden, für die eine Kirchengemeinde die Tür ihres Gotteshauses weit aufmachen kann. Zur größeren Ehre Gottes, aber auch, um weltliches und kirchliches Jahr zusammenzubringen (Erntedank, Fastnacht).
Wenn indes die Kirchenmauern lediglich als schöne Kulisse für tolle Fotos herhalten sollen, wird alles hohl. Wenn es darum geht, das Haus mit einem gut gebuchten „Event“ mal wieder voll zu kriegen, dann sollten wir uns an die „Räuberhöhle“ erinnern. Und Nein sagen.

Johannes Becher, Redaktionsleiter