Osnabrücker Personalgemeinde feiert Jubiläum

Seit 50 Jahren im Aufbruch

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Eine Gruppe von Menschen steht im Altarraum einer Kirche und hebt die Hände
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Foto: Klaus Wüller

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Am 24. August lädt die Schola der "Kleinen Kirche" zu einem Mitsingtag ein. Foto: Klaus Wüller

Die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils sorgten 1974 für einen Aufbruch in Osnabrück. Was macht die Gemeinde „Kleine Kirche“ heute aus?

„Guter Gottesdienst, gute Musik.“ Christiane van Melis braucht nicht lange, um das Wesentliche zusammenzutragen, wenn sie auf die Besonderheit der „Kleinen Kirche“ in Osnabrück angesprochen wird. Eine Gemeinde, in die man nicht hineingeboren wird, in der nicht das sogenannte Territorialprinzip gilt. Wer dazugehören möchte, muss sich bewusst dafür entscheiden.

So wie jene, die Samstagabend zur Gymnasialkirche neben dem Dom kommen, die im Volksmund „Kleine Kirche“ genannt wird. Hinten in der Kirche stehen zwei Gemeindemitglieder und begrüßen jeden Gast; der Empfangsdienst wurde wegen Corona eingerichtet und hat sich als sinnvoll bewährt. Wer hierher kommt, der soll nicht anonym bleiben. Für jeden gibt es zwei Liederbücher, und Neuankömmlinge bekommen einen Liedzettel, um nicht verwirrt zu werden von dem Überangebot. Musik wird hier als sehr wichtig erachtet. Pünktlich beginnt die Liturgie, begleitet von einem Chor, zu dem heute 25 Aktive gehören. Im Altarraum haben sie sich rund um ein Klavier gruppiert. Allergrößte Mühe wird darauf verwendet, dass die Liedtexte zu den liturgischen Texten des Tages passen. Und dass die Predigt des Priesters reichlich Gehalt hat.

Mündig werden im Glauben

Die Würzburger Synode war 1974 auf ihrem Höhepunkt, hier wurde besprochen, wie die deutsche Kirche mit den Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils umgehen sollte. Mündig werden im Glauben, eine neue Rolle der Laien, eine Kirche, die nicht patriarchalisch aufgebaut ist – das waren damals für die Osnabrücker Stichworte, unter denen sich mehrere Organisatoren versammelten. Die Katholische Hochschulgemeinde war dabei, die neu gegründete Universität, das dem Akademikerbund angehörende Forum, das sich unlängst neu der Kleinen Kirche angeschlossen hat.

Schon früh spielten die Lieder des niederländischen Dichtertheologen Huub Oosterhuis eine wichtige Rolle. „Ich steh‘ vor dir mit leeren Händen, Herr …“ – es ist diese suchende Sprache, die nach Offenheit ringt, die viele Gläubige anspricht. Die „Kleine Kirche“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Tradition dieser Lieder zu pflegen, sie will damit Anlaufstelle sein für Gottsucher. Dass Huub Oosterhuis, der 2023 starb, einmal nach Osnabrück kam, um mit der Gemeinde Liturgie zu feiern, hat viele mit Stolz erfüllt. So gibt es in diesem Jahr nicht nur einen Jubiläumsgottesdienst (am 18. Mai um 18.15 Uhr) und eine Gottesdienstübertragung im Deutschlandfunk (am 26. Mai um 10.05 Uhr), sondern im August auch einen Mitsingtag mit Liedern von Oosterhuis, zu dem man sich noch bis Ende Mai anmelden kann.

Die Aufbrüche der 1970er Jahre mögen vorbei sein, trotzdem hat die Gemeinde ihre Bedeutung nicht verloren. An vielen Orten Deutschlands entstanden vor 50 Jahren solche Personalgemeinden, Osnabrück ist fast die einzige, die noch existiert. Dabei geht es der Gemeinde ähnlich wie herkömmlichen Pfarreien – die Teilnahme wird geringer. Trotzdem finden immer wieder Neue dazu.

Die "Kleine Kirche" als Mosaiksteinchen

Für Christiane van Melis ist es nicht nur bedeutsam, dass die Musik hochwertig und die Predigt gehaltvoll ist, dass es eine Einheit mit dem Bistum gibt und kein Gegeneinander – ihr ist auch wichtig, dass alles, was die Gemeinde tut, von unten getragen ist. Kirchensteuermittel gibt es keine, alles muss ehrenamtlich getragen werden – noch entschiedener, als in jeder anderen Kirchengemeinde. Und ihr ist wichtig, dass es ein Leitungsteam aus Gemeindemitgliedern gibt, dem gleichberechtigt auch ein Priester angehört, seit vielen Jahren Prälat Felix Bernard. Verantwortungsübernahme durch Laien, wie sie sich in der Kirche mehr und mehr einfügt, wird hier schon seit 50 Jahren umgesetzt. Übrigens in ökumenischer Verbundenheit, evangelisch-lutherische Partnergemeinde ist St. Marien, die demnächst 500-jähriges Bestehen feiert.

Ob sie etwas Besseres sein wollen? Julia Joschko, die wie Christiane van Melis zum Leitungsteam gehört, schiebt solche Gedanken entschieden zur Seite: Sie wollen eine Ergänzung sein zum Gottesdienstangebot in der Stadt, ein Mosaiksteinchen. Die „Kleine Kirche“ als Teil in der Rosette des Bistums. Das passt.

Matthias Petersen