Nach den Erkenntnissen der EVV-Studie über Bischof Karl Lehmann

Udo Markus Bentz: "Heute sehe ich Vieles kritisch"

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Das Urteil des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf über seinen Vorgänger im Amt ist klar: Karl Lehmann sei Betroffenen sexualisierter Gewalt mit "unglaubliche(r) Härte und Abweisung" gegenübergetreten. Das sagte der Bischof in einer Reaktion auf die "EVV-Studie" zum Missbrauch im Bistum Mainz. Kohlgraf will "eine andere Kirche gestalten". Dabei setzt er auch auf en heutigen Generalvikar und Weihbischof Udo Markus Bentz, der von Lehmann stark gefördert wurde und eng mit ihm zusammengearbeitet hat. Von Ruth Lehnen

 


Die andere Kirche, die Bischof Kohlgraf vor Augen hat, soll "Glauben, Bekenntnis und Leben in Übereinstimmung bringen". Dies will Kohlgraf zusammen mit Udo Markus Bentz erreichen, der Karl Lehmanns bischöflicher Sekretär war, von ihm zum Regens (Leiter der Priesterausbildung) ernannt und zum Weihbischof geweiht wurde.

"Verborgenes Wissen und gehobenes Wissen"

Bentz war ein wichtiger Mann im Bistum schon zu Zeiten, als Bischof Karl Lehmann seine Hauptrolle in der deutschen und internationalen Kirche spielte, als Leiter der Deutschen Bischofskonferenz und als Kardinal. Heute hat er selbst Leitungsverantwortung als Generalvikar und Weihbischof des Bistums Mainz.

Kardinal Karl Lehmann (links) und Udo Markus Bentz
Foto: Bistum Mainz

Lehmanns Ansehen hat seit der Veröffentlichung der EVV-Studie gelitten: Bischof Lehmann habe "seinen mit eigenen Worten formulierten Anspruch für den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche und im Bistum Mainz ... selbst zu keiner Zeit erfüllt," stellen die Verfasser der Studie fest. Bentz ringt deshalb in seiner Stellungnahme zur EVV-Studie um eine Einordnung. Hätte er mehr wissen können, hätte er Einspruch erheben müssen? Diese Fragen stellen Journalisten, und sie treiben auch Bentz um. Zwar habe er eine herzliche Beziehung zu Lehmann gehabt, dieser sei für ihn aber eine Autorität gewesen. Heute hat sich sein Bild verändert: "Jetzt sehe ich Vieles kritisch".

Bentz schließt sich den Menschen an, die heute über Lehmann sagen: "Mein Bild von ihm ist zerbrochen." Er schildert seine Rolle als Bischofssekretär unter Lehmann als die eines Untergebenen, der zu tun hatte, was anstand, und der die Aufgabe hatte, dem vielbeschäftigten Kirchenmann Dinge abzunehmen. Überhäuft von Arbeit wie sein Chef, konfrontiert mit einem unzureichenden Verwaltungshandeln, habe er nicht die Möglichkeit gehabt, einzugreifen. Mit der Rede vom "verborgenen Wissen" und jetzt durch die Studie "gehobenen Wissen" legt er nahe, dass außer den engsten Führungskräften im Bistum niemand über das Ausmaß des verachtungsvollen und unverantwortlichen Umgangs mit Missbrauchsbetroffenen Bescheid gewusst hat.

"Verantwortung kann ich nur wahrnehmen, wenn ich in Verantwortung bin"

Das System Lehmann sei geprägt gewesen vom Austausch mit wenigen Personen, vor allem dem damaligen Generalvikar und dem Justiziar. Lehmann sei "nicht der Typ gewesen, der von seinem eigenen Ringen gesprochen hat", sagt Bentz. Und er kommt zu dem Schluss: "Ich kann Verantwortung nur richtig wahrnehmen, wenn ich in Verantwortung bin." Akteneinsicht habe er erst, seit er von Bischof Peter Kohlgraf im August 2017 zum Generalvikar ernannt wurde.  

Eine Entschuldigung gegenüber den Betroffenen sexualisierter Gewalt öffentlichkeitswirksam zu äußern, vermeidet der Weihbischof. In einer Predigt zum Aschermittwoch hatte er vor Veröffentlichung der Studie gesagt, die Studie sei "zuerst ein Anspruch und eine Herausforderung an unsere gemeinsame Bereitschaft zur Umkehr". Ein medienwirksames "Asche auf unser Haupt" genüge nicht: "Das nimmt man uns auch nicht ab." Der Platz für Entschuldigungen ist für ihn im persönlichen Gespräch mit den Betroffenen.

Udo Markus Bentz betont, er wolle seine Kraft einsetzen, um als Generalvikar seine Leitungsverantwortung anders wahrzunehmen als seine Vorgänger. Er sei angetreten für eine "lernende Kirche, für Professionalisierung, für good Governance (gutes Führungsverhalten)". Als Erfolge nennt er unter anderem, dass Melde- und Verfahrenswege heute klar und transparent geregelt und dass die alten "exklusiven Entscheidungszirkel auf der Ebene der Bistumsleitung aufgebrochen" worden seien. Das wird in der Studie bestätigt. Eine glaubwürdige Kirche müsse nicht nur glaubwürdig handeln, sie müsse auch glaubwürdig organisiert sein, sagt der Generalvikar.

Für Bischof Peter Kohlgraf ist Udo Markus Bentz auch selbst glaubwürdig. Er habe mit ihm über seine Rolle in der Vergangenheit geredet, sagt der Bischof: "Natürlich glaube ich ihm." Zusammen mit der Bevollmächtigten des Generalvikars, Stephanie Rieth, wollen Kohlgraf und Bentz die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum weiter voranbringen.  
Von Ruth Lehnen

Hinweis: Der Artikel wurde mehrfach bearbeitet.

 

Ruth Lehnen