Männerwallfahrt nach Rulle

Ursprünglich eine Protestwallfahrt

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Vier Männer bereiten die Ruller Wallfahrt vor
Nachweis

Foto: Astrid Fleute

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Freuen sich auf die Wallfahrer: (v.l.) Pfarrer Bernhard Horstmann, Rolf Beßmann, Jan-Hendrik Kavermann, Karl-Heinz Ast. Foto: Astrid Fleute

Zum 90. Mal machen sich an diesem Sonntag Männer aus Stadt und Land Osnabrück auf den Weg nach Rulle. Diese Männerwallfahrt steht in einer großen Tradition, hat aber auch viele Neuerungen zu bieten.

Rolf Beßmann fällt es nicht schwer, seine Begeisterung in Worte zu fassen: „Es ist ein wunderbarer Weg durch das Nettetal. Hier in dieser Jahreszeit in den frühen Morgenstunden singend und betend durch die Natur zu gehen, das macht richtig Spaß.“ Der Osnabrücker gehört zum Vorstand des Wallfahrtsvereins der Männerwallfahrt nach Rulle. Seit 45 Jahren ist er jedes Jahr dabei, wenn die Pilger im Mai oder Juni frühmorgens von Osnabrück nach Rulle aufbrechen. Lange Jahre trug er als Domküster das Kreuz vorneweg. Seit er pensioniert ist, reiht er sich gerne in die Pilgerschar ein. 

Gemeinsam mit seinem Vorstandkollegen vom Wallfahrtsverein, dem ersten Vorsitzenden Jan-Hendrik Kavermann, dessen Vorgänger Karl-Heinz Ast und Pfarrer Bernhard Horstmann ist er am Außenaltar der Rulle Wallfahrtskirche zusammengekommen, um letzte organisatorische Dinge zu besprechen und anlässlich des 90-jährigen Jubiläums ein wenig Rück- und Ausschau zu halten. Die vier Männer repräsentieren gut den Querschnitt der Wallfahrer: Sowohl erfahrene ältere Pilger als auch jüngere Männer begeistern sich für die Traditionswallfahrt, die nach wie vor eine hohe über Generationen getragene Selbstverständlichkeit hat. Weihbischof Johannes Wübbe, der diesjährige Zelebrant, betont im Interview: „Es ist schon etwas Besonderes, wenn man sieht, wie familienintern das Wallfahren von Älteren zu den Jüngeren weitergegeben wird.“

Eine Erfahrung, die auch Jan-Hendrik Kavermann bestätigt: „Auch ich bin schon als kleiner Junge mit meinem Vater und Großvater mitgegangen“, erzählt der 42-Jährige. Die Faszination sei bis heute gelieben: In den frühen Morgenstunden aufzubrechen, die Strecke durch die morgendliche Natur zu erleben, aus dem Gemeindealltag auszubrechen und in einer neuen Gottesdienstgemeinschaft zusammenzukommen, das seien Erlebnisse, die für ihn zur Männerwallfahrt dazugehörten, erzählt er. 

Seit 1932 pilgern Männer der Dekanate Stadt und Land Osnabrück einmal im Jahr sternförmig nach Rulle. Ursprünglich war es eine Protestwallfahrt gegen den zunehmenden Einfluss der Nationalsozialisten und ein eindrucksvolles Bekenntnis zum Glauben. Heute stehen der Wallfahrtsgedanke und der Austausch untereinander und mit der Bistumsleitung im Vordergrund. Auch in diesem Jahr steht nach dem Frühstück Weihbischof Johannes Wübbe den Männern wieder Rede und Antwort.„Da werden schon knackige Fragen gestellt“, erklärt Kavermann.

Immer mehr Radpilger dabei

Nicht nur die Wallfahrer wissen um diese lange Tradition. Auch für die Ruller Katholiken ist die Organisation eine Selbstverständlichkeit. „Zur Wallfahrt ist alles fertig“, sagt Karl-Heinz Ast und schaut sich um. Noch ist der Rasen nicht gemäht, der Außenaltar nicht geschmückt. Aus Erfahrung weiß er: Darum kümmern sich Küster, Jugendgruppen und Kirchenvorstand. Ast betont: „Wenn wir kommen, merken wir jedes Jahr: Wir werden erwartet.“ Der Bläserchor Rulle sorgt unter seiner Leitung zuverlässig für musikalische Begleitung.

Es werden aber nicht nur Traditionen gepflegt, auch Neuerungen haben sich durchgesetzt. So pilgern auch immer mehr Teilnehmer mit dem Rad. Für Pfarrer Bernhard Horstmann ist das ein wichtiger Aspekt für die Zukunft: „Die Anzahl der Räder steigt“, sagt er. „Durch die E-Bikes können wir das Einzugsgebiet durchaus erweitern.“ Für die jüngeren Pilger gibt es seit einigen Jahren am Wallfahrtswochenende ein Vater-Kind-Zelten. Und obwohl es eine Männerwallfahrt ist, haben die Veranstalter immer auch die Frauen und Familien im Blick: „Wir sind auf den Vormittag begrenzt, so dass die Familien nachmittags Zeit für sich haben“, betont Kavermann. Darüber hinaus wurde der Termin vor einigen Jahren auf den Sonntag nach Pfingsten gelegt, da der traditionelle Termin immer wieder mit dem Muttertag kollidierte. 

Auch die Gottesdienstgemeinde am Wallfahrtsmorgen ist mittlerweile gut gemischt. „Zu Fuß gehen allerdings überwiegend Männer“, sagt Karl-Heinz Ast und fügt hinzu: „Es macht Sinn, auch für sie eigene Angebote zu haben. Der Charakter ist anders. Es geht um Themen, die Männer interessieren. Und sie haben die Chance, ein Statement abzugeben, dass sie zu ihrem Glauben stehen – trotz aller Wirren der Zeit.“


Zur Sache

Die diesjährige 90. Männerwallfahrt findet statt am Sonntag, 4. Juni. Die Fußwallfahrer starten um 6 Uhr am Osnabrücker Dom. Gegen 6.45 Uhr sind sie an der Christus-König-Kirche in Haste. Durch das Nettetal führt der Weg nach Rulle, wo um 8.30 Uhr am Außenaltar der Wallfahrtskirche der Wallfahrtsgottesdienst mit Weihbischof Johannes Wübbe stattfindet. Anschließend gibt es ein Frühstück und einen Austausch. Um 11.30 Uhr endet die Wallfahrt mit einer Abschlussandacht und der Rückreise.

Astrid Fleute