Brauchtum im Bistum: Glockengeläut

Vom tiefen Ton bis zum ganz hohen

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Jemand hält eine kleine Glocke in der Hand
Nachweis

Foto: Matthias Petersen

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Ob im Original oder als Miniatur: Andreas Reinartz kennt sich mit Glocken jeder Größe aus. Foto: Matthias Petersen

Sie sind mächtig, sie sind unüberhörbar, sie prägen unsere Gesellschaft: Kirchenglocken. Ihr Klang spricht alle Sinne an, man kann sich ihm nicht entziehen. Als das Leben noch nicht nach der Armbanduhr lief, wussten die spielenden Kinder trotzdem, wann sie nach Hause zu kommen hatten: wenn die Glocke 18 Uhr schlug.

So hat es auch Andreas Reinartz erlebt. Er ist Glockensachverständiger des Bistums Osnabrück und bekleidet damit eine wichtige Funktion. Denn von Glocken kann auch eine Gefahr ausgehen – wegen des Gewichts. 500 Kilogramm wiegt ein durchschnittliches Exemplar, bis zu zwei Tonnen sind es bei den Exemplaren, die etwa im Turm des Osnabrücker Doms hängen.

Alle Glocken müssen jährlich überprüft werden, denn wenn mal eine fallen würde, weil ihre Aufhängung marode geworden ist, bestünde Lebensgefahr. Das gilt nicht für die Glocke, die in einer Kirchengemeinde im Bistum seit Jahren am Boden steht. Die schlechte Statik des Turms lässt eine Aufhängung nicht zu.

Mögen Glocken auch zum Christentum gehören, sind sie doch viel älter. Schon vor 4000 Jahren gab es sie in China. Nach Westeuropa kamen sie dann aus England, wo sich Mönche von ihnen zum Gebet einladen ließen. Es könnte Karl der Große gewesen sein, der die Verbreitung von Glocken förderte, ganz sicher ist das nicht.

Niemand hat einen so mächtigen Lautsprecher.

Glocken haben zwei Funktionen: die profane und die liturgische. Profan, das ist zum Beispiel der Stundenschlag, gegen den es auch mal Proteste gibt. Dann müssen sich Kirchengemeinden und Nachbarn einigen, damit es beiden gut geht. Anders die liturgische Funktion: Sie ist gesetzlich geschützt. Geläut als Einladung zum Gottesdienst, Glockenklänge zum Evangelium oder zur Wandlung – die sogenannte Läuteordnung kann niemand verbieten. Sie legt auch fest, welcher Art das Glockengeläut ist.

In der Fastenzeit klingt es meist tiefer, verhaltener. Im Rest des Jahres führt dagegen die hohe Glocke und beschließt auch das Geläut. Das volle Geläut erklingt zu den Hochfesten – oder wenn es einen neuen Papst gibt. Andreas Reinartz sagt es so: „Niemand hat einen so mächtigen Lautsprecher!“ Und weil die Glocken als Verkünder des Gotteswortes gelten, werden sie entsprechend behandelt. Bevor sie das erste Mal erklingen, werden sie in einer kirchlichen Zeremonie gesalbt und gesegnet.

Es gab eine Zeit, da ging es den Glocken schlecht. Im Ersten Weltkrieg sollten sie eingeschmolzen werden, um mit den Rohstoffen neue Bomben bauen zu können. Die Nationalsozialisten erinnerten sich daran. Aber ihnen dürfte es nicht allein um Munition gegangen sein, zugleich wollten sie die Christen auch zum Schweigen bringen. Und auch wenn damals viele Glocken tatsächlich verloren gingen: Immerhin besteht seitdem ein reichhaltiges Register, das Grundlage sein kann für einen „Glockenatlas“, der zurzeit für die ganze Welt entstehen soll.

Noch mal zurück zur Sicherheitsfrage: Neben dem Glockensachverständigen ist jeder Kirchenvorstand für die Technik im Kirchturm verantwortlich, sagt Reinartz. Bald wird er in den Ruhestand gehen. Mit Caroline Schwietering steht im Generalvikariat, der Verwaltung des Bistums, seine Nachfolgerin schon bereit. Gerade absolviert sie eine mehrwöchige umfangreiche Ausbildung. Die Prüfung vor dem Ausschuss für das deutsche Glockenwesen wird der Abschluss sein.

Matthias Petersen