Seit 30 Jahren bei der Bahnhofsmission

Von Beruf Nothelferin

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Bettina Spahn: Bahnhofsmission
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Bahnhofsmission München

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Bettina Spahn (links) im Team der Münchner Bahnhofsmission 

Bettina Spahn hat nie daran gezweifelt, dass die Bahnhofsmission der richtige Ort für sie ist. Seit gut 30 Jahren ist sie an Gleis 11 des Münchner Hauptbahnhofs für Hilfesuchende da. Als Richtschnur dient ihr dabei der Glaube.

„Mir macht es einfach Freude hier“, sagt Bettina Spahn und lacht. Die 59-Jährige arbeitet seit drei Jahrzehnten in der Münchner Bahnhofsmission, einer der größten und ältesten Anlaufstellen für Hilfesuchende in Deutschland. Seit 2015 leitet sie diese gemeinsam mit ihrer evangelischen Kollegin Barbara Thoma. Täglich kommen Hunderte Menschen in Not in die schlichten Räume direkt neben Gleis 11 des Münchner Hauptbahnhofs – um sich ein Schmalzbrot abzuholen, sich beraten zu lassen oder die Nacht in Sicherheit zu verbringen. Die insgesamt 26 haupt- und rund 140 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Einrichtung gehen also jeden Tag an jene Ränder, von denen Papst Franziskus immer wieder spricht.

Zu Menschen, die Hilfe brauchen, fühlt sich Spahn, die im Münchner Stadtteil Laim in einer „gut katholischen“ Familie aufgewachsen ist, schon früh hingezogen. Als Schülerin arbeitet sie in den Sommerferien in einer Klinik und entscheidet sich, nach dem Abitur Krankenschwester zu werden. „Ich hätte auch Medizin studieren können, aber ich habe gemerkt, das ist nicht das Meine“, erinnert sie sich. „Für mich hat sich der Beruf der Krankenschwester einfach richtig und stimmig angefühlt, auch in seiner Nähe zu den Patientinnen und Patienten.“

Ihren Wunsch, ins Ausland zu gehen, verbindet sie ebenfalls mit einer sozialen Tätigkeit: Sie arbeitet in den UN-Flüchtlingslagern an der thailändisch-kambod-schanischen Grenze. Flucht und Vertreibung sind ihr aus ihrer eigenen Familie vertraut, ihr Vater stammt aus dem Sudetenland. In den Tropen sehnt sich die junge Frau nach einer „kühlen, großen Kirche“, obwohl sie zuvor, auch nach neun Jahren an einer Klosterschule, zu allem, was mit der Kirche zu tun hat, auf Abstand gegangen ist.

Diese Sehnsucht soll sie seither nie mehr loslassen. Erfüllt wird sie zunächst in der Münchner Benediktinerabtei St. Bonifaz, wo Spahn schon mit ihren Eltern und ihrem Bruder Bernhard früher regelmäßig den Sonntagsgottesdienst besucht hat. Dort engagiert sie sich nach ihrer Rückkehr in der Obdachlosenambulanz, denn sie hat bemerkt, wie stark die Zahl der Wohnsitzlosen in der bayerischen Landeshauptstadt gestiegen ist.

Aus der Gemeinschaft sind Lebensfreundschaften entstanden.

Über St. Bonifaz lernt sie nicht nur ihren späteren Ehemann Christian kennen, der jetzt hauptberuflich Diakon ist, sondern auch die Münchner Bahnhofsmission. 1993 wird sie ehrenamtliche Mitarbeiterin, 1995 bekommt sie eine bezahlte Stelle angeboten. Ihr Vorstellungsgespräch hat sie damals in dem Raum, in dem sich heute ihr Büro befindet. Sie habe einfach „gespürt, dass das mein Ort ist“ – und das habe sich nie verändert, betont Spahn. Auch nicht, als ihre drei Kinder Benedikt, Teresa und Johannes geboren werden. Nach einem halben Jahr Elternzeit nimmt sie jeweils wieder in Teilzeit den Schichtdienst auf – und ermöglicht diese zeitliche Flexibilität heute auch ihren Mitarbeiterinnen.

Neben ihrer Arbeitsstelle ist auch die katholische Kirche Spahns „Ort und Heimat“, und zwar „im Sinne einer Zugehörigkeit, die ich nicht ständig zu diskutieren und zu verhandeln brauche“, wie sie hervorhebt. Vielmehr bildet der Glaube die Grundlage ihres Lebens. Ein Fundament, das ihre Ehe und ihren Familienalltag geprägt hat und prägt. Sie seien zwar nie „oberfromm“ gewesen, aber „das Gebet hat bei uns immer einen Platz gehabt“, erzählt die dreifache Mutter. „Sehr ehrlich sind wir in der Familie durch schwierige Zeiten gegangen und konnten dann im Letzten Trost und Hoffnung spüren und erleben, wie das Leben auch wieder eine gute Wendung nehmen kann.“ Eine wichtige Säule für die ganze Familie sei der Besuch der Kindermesse in St. Bonifaz gewesen. „Aus der Gemeinschaft dort sind wirklich Lebensfreundschaften entstanden.“

Als die Kinder größer werden, kann sich die Katholikin wieder stärker ihrer eigenen geistlichen Sehnsucht widmen. Sie befasst sich eingehend mit Ellen Ammann, der Gründerin der Münchner Bahnhofsmission, und bekommt Kontakt zur Säkulargemeinschaft ASE („Ancillae Sanctae Ecclesiae“ – „Dienerinnen der Heiligen Kirche“), die von Ammann initiiert worden ist und auch verheirateten Frauen offensteht. Daraus ist in den vergangenen Jahren eine kleine Schwesterngemeinschaft hervorgegangen, der sich Spahn angeschlossen hat. 

Da freue ich mich wirklich, dass das geklappt hat.

Das Gemeinschaftsleben bestärkt Spahn. Kraftquelle sind für sie besonders das Stundengebet, das ihr von St. Bonifaz her vertraut ist, sowie die persönliche geistliche Begleitung.

Sie begleitet auch selbst zwei Frauen auf ihrem Lebens- und Glaubensweg. Die Ausbildung dazu hat sie ausgerechnet während der Corona-Pandemie absolviert, in einer Zeit, in der sich die Zahl der Hilfesuchenden in der Bahnhofsmission mehr als verdoppelt hat, weil viele andere Unterstützungs-Angebote weggefallen sind. Das sei „sehr, sehr anstrengend“ gewesen, sagt sie. 

Doch Spahn hat die Erfahrung gemacht, dass ihr Einsatz „in den allermeisten Fällen zu etwas Gutem führt“. Zum Beispiel können Frauen in Not seit 2020 in einer Pension in der Nähe des Hauptbahnhofs übernachten und werden dort intensiver als vorher von der Bahnhofsmission betreut. „Da freue ich mich wirklich, dass das geklappt hat“, sagt sie. Ein kleiner Beweis dafür, dass sie seit mehr als 30 Jahren am richtigen Ort ist.

Hintergrund: Die erste Bahnhofsmission entstand 1894 in Berlin. Ziel war es zunächst, Frauen und Mädchen, die zum Beispiel als Dienstmädchen in der Stadt Arbeit suchten, zu beraten und vor Ausbeutung und Missbrauch zu schützen. Die Bahnhofsmission ist eine der ersten ökumenischen Sozialeinrichtungen.

Karin Hammermaier