Streifzug durch das Eherecht

Wem gehört die Ehe?

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Ringtausch bei Eheschließung
Nachweis

Foto: imago/Pau Cardellach Lliso   

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Egal, ob ein Paar christlich, jüdisch, muslimisch oder nur standesamtlich heiratet – der Ringtausch gehört immer dazu.

Wer heiraten will, geht zum Standesamt. Was so selbstverständlich klingt, ist erst seit 150 Jahren so. Bis dahin war die Eheschließung ausschließlich eine religiöse Sache. Proteste gegen die Zivilehe gab es immer, nicht zuletzt von der Kirche. Und in anderen Ländern sieht die Gesetzgebung ganz anders aus. Ein Streifzug durch das Eherecht von Susanne Haverkamp.


Das Standesamt – und wie es dazu kam

Dass Geistliche zuständig sind, wenn Menschen heiraten wollen, das war jahrhundertelang klar. Egal ob Judentum, Christentum oder Islam: Die Eheschließung war eine religiöse Feier. Auch deshalb, weil alle Menschen religiös waren, jedenfalls offiziell. 

Der erste Bruch kam in der Reformationszeit. Die Ehe, schrieb Martin Luther 1530 in seiner Schrift „Von Ehesachen“, sei „ein weltlich Ding“. Womit er allerdings nicht eine zivile Eheschließung meinte, die war noch außerhalb seiner Vorstellungskraft. Ihm ging es vielmehr darum, dass die Ehe eine menschliche, keine göttliche Angelegenheit ist – und daher kein Sakrament. Bis heute einer der großen Unterschiede zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche.

Der zweite Bruch war die Französische Revolution. Von ihrer radikalen Trennung von Staat und Kirche – und ihrer ausgeprägten Kirchenfeindschaft – war auch die Ehe betroffen. Für die Ehe, so die Revolutionäre, sei von nun an ausschließlich der Staat zuständig. Im Gesetzbuch „Code Napoleon“ wurde das 1804 endgültig festgelegt und erreichte durch die Eroberungsfeldzüge Napoleons auch andere Teile Europas.

Der dritte und endgültige Bruch war der Kulturkampf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Immer lauter wurden die Rufe nach bürgerlicher Freiheit und Unabhängigkeit und immer stärker versuchte der Staat Preußen, die Rechte der katholischen Kirche zu beschneiden. Dabei geriet auch die Ehe in den Blick, galt sie doch als Fundament des Staates, ergo müsse der Staat die Hoheit darüber haben. Er allein habe zu bestimmen, wer wen wie heiratet und welche rechtlichen Folgen das hat.

Hitzig wurde darüber diskutiert. So erschien zum Beispiel 1871 ein empörtes Werk mit dem ironischen Titel „Neumodische Staatsheirath – auf fortschrittlich: Civilehe“. Darin klagt ein anonymer „Freund des Volkes“, dass „Preußen in Bayern größere Eroberungen gemacht hat als Frankreich“ und dass auf den politischen Kampf nun der religiöse folge. „Soll dieser Kampf zum siegreichen Ende geführt werden, dann muss man an der Wiege der künftigen Geschlechter anfangen: Man muss die Ehe entchristlichen. Und das beste Mittel dazu ist die Civilehe.“

Doch Widerstand war zwecklos: Am 23. Januar 1874, vor 150 Jahren, verabschiedete das preußische Abgeordnetenhaus das „Gesetz zur Einführung der Zivilehe und zur Beurkundung des Personenstandes“. Ein Jahr später hielt das Gesetz als § 67 Personenstandsgesetz im Deutschen Reich Einzug und wurde weiter durch die Rechtsbücher getragen. Auch im Reichkonkordat, das 1933 der Vatikan mit dem Deutschen Reich schloss und das bis heute gilt, ist es enthalten.


Zivilehe und Kirchenrecht – was gilt?

Dass dem Staat eine kirchliche Eheschließung rechtlich inzwischen egal ist, wurde schon gesagt. Aber ist der Kirche auch die staatliche Eheschließung egal? Kann kirchlich betrachtet eine Ehe gültig sein, die nur im Standesamt geschlossen wurde? Nein, denken Sie jetzt bestimmt. Aber so einfach ist es nicht.

Fall 1 Ein Mitglied der katholischen Kirche heiratet

Heirat katholisch
atholiken dürfen nicht heiraten, wo und wie sie wollen. Sie unterliegen für eine gültige Ehe der Formpflicht. Foto: kna/Harald Oppitz

Dann gilt nicht nur für dieses Mitglied, sondern auch für seine Braut oder seinen Bräutigam das katholische Kirchenrecht (CIC), wie Canon 1059 ausdrücklich betont. Das betrifft auch die Sakramentalität (und damit die Unauflöslichkeit) der Ehe, denn das Sakrament der Ehe spenden sich die Partner gegenseitig. Ein Sakrament, das nur für einen Partner gilt, gibt es nicht, selbst wenn etwa die evangelische Braut aus einer anderen Tradition kommt. In Canon 1055 § 2 CIC heißt es: „Es kann zwischen Getauften keinen gültigen Ehevertrag geben, ohne dass er zugleich Sakrament ist.“ Zwischen Getauften aller christlichen Konfessionen! – wir werden darauf zurückkommen.

Im Kirchenrecht wird eine lange Reihe von Hindernissen aufgeführt, die eine Eheschließung unmöglich machen. Gleichgeschlechtlichkeit gehört dazu (oder richtiger: Mann und Frau wird vorausgesetzt), ein bereits bestehendes Eheband, eine Weihe, zu junges Alter, ein durch Druck erzwungenes Ja. Ungültig ist eine Ehe zudem, wenn die Unauflöslichkeit der Ehe oder Kinder grundsätzlich abgelehnt werden. Auch Religionsverschiedenheit, wenn also ein Partner nicht getauft ist, ist ein Ehehindernis – allerdings kann man sich davon über einen Antrag an das Bistum befreien lassen. Hochzeit feiern in der Kirche darf man dann, aber da der nichtgetaufte Partner kein Sakrament empfangen kann, kann es der getaufte Partner auch nicht (siehe oben). Die Ehe ist dann gültig, aber weder sakramental noch unauflöslich.

Wenn es keine Hindernisse (mehr) gibt, kann die Hochzeit stattfinden. Allerdings in der gebotenen Form in der Kirche und mit einem dazu berechtigten Amtsträger, also in der Regel einem Priester oder Diakon. Wer sich als katholischer Christ nicht an diese sogenannte Formpflicht hält oder sich nicht (ebenfalls per Antrag) von ihr befreien lässt, etwa um evangelisch zu heiraten, bleibt aus Sicht der katholischen Kirche unverheiratet.

Fazit: Wenn ein Katholik standesamtlich heiratet, ohne sich zuvor von der Formpflicht befreien zu lassen, ist die Ehe ungültig. Wenn er oder sie sich von der Formpflicht hat befreien lassen, wäre sie gültig. 

Fall 2 Zwei Protestanten heiraten

Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen: Was haben zwei evangelische Christen mit dem katholischen Kirchenrecht zu tun? Wenig – aber Entscheidendes. Siehe oben: „Es kann zwischen Getauften keinen gültigen Ehevertrag geben, ohne dass er zugleich Sakrament ist.“ (Canon 1055 § 2 CIC).

Für evangelische Christen wird die gültige Ehe beim Standesamt begründet; die kirchliche Feier ist (nur) ein Trausegen. Damit ist diese standesamtlich geschlossene Ehe aus Sicht der katholischen Kirche sakramental und unauflöslich. Und das selbst dann, wenn einer oder beide aus der evangelischen Kirche ausgetreten sind und das Paar sehr bewusst rein staatlich heiratet. Getauft ist getauft.

Sie denken, das kann den beiden doch egal sein? Im Moment vielleicht. Aber schon so manche katholische Eheschließung ist daran gescheitert, dass ein zuvor geschiedener evangelischer Bräutigam sich sagen lassen musste, dass er nach katholischer Auffassung vor Gott durchaus noch verheiratet ist. Obwohl er überzeugt ist, es nie gewesen zu sein.

Fazit: Wenn zwei evangelisch getaufte Christen standesamtlich heiraten und kein Ehehindernis dem entgegensteht, ist die Ehe aus katholischer Sicht gültig, sakramental und unauflöslich.

Fall 3 Ein ausgetretener Katholik heiratet

Mit Inkrafttreten des aktuellen Kirchenrechts 1983 galt zunächst, dass ein katholisch getaufter Mensch, der aus der Kirche austritt, nicht mehr der Formpflicht unterliegt. Er bleibt aber getauft und „Es kann zwischen Getauften keinen Ehevertrag geben ...“ – Sie wissen schon. Deshalb galt: Heiratete ein ausgetretener Katholik standesamtlich eine getaufte Christin und stand der Verbindung kirchenrechtlich ansonsten kein Hindernis entgegen, ist diese Ehe gültig, sakramental und unauflöslich.

Diese Rechtslage änderte sich 2010. Damals trat das päpstliche Motu proprio „Omnium in mentem“ in Kraft. Es besagt, dass auch ausgetretene Katholiken der Formpflicht unterliegen – weil es theologisch ja keinen Austritt aus der Kirche gibt. Seit 2010 gilt also: Wenn ein ausgetretener katholischer Christ rein standesamtlich heiratet, kommt die Ehe nach katholischem Verständnis nicht zustande.


Wahl oder Zwang – Konfliktlinien

Standesamt
Will man in Deutschland eine rechtlich anerkannte Ehe führen, muss man zum Standesamt. 
Foto: imago/Panthermedia/AlexanderNovikov

In unserer säkularen, multireligiösen Gesellschaft dürfte es unumstritten sein, dass es möglich sein muss, bürgerlich, also ohne religiösen Beistand, zu heiraten. Das wurde auch im 19. Jahrhundert als Befreiung gesehen, in einer Zeit, in der das kirchliche Eherecht noch viel strenger war als heute. Über Konfessionen hinweg oder nach Trennungen zu heiraten, war schlicht unmöglich, solange nur der Pfarrer zuständig war. Und auch heute sind gleichgeschlechtliche Paare, die in Liebe und Treue zueinanderstehen wollen, dankbar, dass der Staat ihnen diese Möglichkeit bietet; nach katholischem Eherecht geht das nicht.

Aber was ist andersherum? Wenn zum Beispiel das staatliche Eherecht Hochzeiten verbietet, die die Kirche erlauben würde? Im Nationalsozialismus war genau das ein Problem. Denn die damalige Arier-Gesetzgebung mit dem Dogma der „Rassenschande“ verbot die Heirat von Ariern mit Menschen jüdischer Abstammung streng – und seien es gute Katholiken mit einem jüdischen Großvater. Für die Kirche wäre eine solche Heirat hingegen nicht nur kein Problem gewesen, sondern es ist ihr Auftrag, zwei Menschen, die die Ehe eingehen wollen und kirchenrechtlich können, seelsorglich zu begleiten und das Ehesakrament zu spenden. Das Reichskonkordat, durch das sich die katholische Kirche an die staatliche Zivilehe gebunden hat, brachte daher so manchen Priester in Gewissenskonflikte. Zumal lange Gefängnisstrafen darauf standen, wenn ein Priester ein solches Eheversprechen dennoch entgegennahm.

Konflikte kann es aber auch in weniger dramatischen Situationen geben. Stichwort: Rentnerehe. Der Wunsch wurde und wird immer wieder an Pfarrer herangetragen: Herr X und Frau Y, beide engagierte Gemeindemitglieder, beide verwitwet, möchten ihren Lebensabend miteinander verbringen – und als gute Katholiken möchten sie das nicht unverheiratet tun. Allerdings bezieht Herr X eine kleine Rente und Frau Y möchte die Pensionsansprüche, die sie noch von ihrem verstorbenen Mann hat, nicht durch eine staatliche Heirat verlieren. Darf der Staat durch sein Recht erzwingen, dass die Kirche dann ein Sakrament nicht spenden darf? 

Das Sakrament spenden, ohne standesamtlich zu heiraten?

Ein Passauer Priester befand im Jahr 1957, dass es vor seinem eigenen Gewissen richtig ist, einem solchen Paar das Sakrament der Ehe zu spenden. Und er tat es. Und es kam raus. Daraufhin wurden der Pfarrer und der Generalvikar, der die Trauerlaubnis erteilt hat, zu Geldstrafen verurteilt. Der „schwere sittliche Notstand“, der im Personenstandsgesetz als Ausnahme für eine vorgezogene Trauung genannt ist, greife bei rein finanziellen Gründen nicht. Zumal die zivile Trauung ja gar nicht nachgeholt werden sollte.

Aber dennoch: Ist ein solches staatliches Verbot der kirchlichen Sakramentenspendung nicht ein Eingriff in die Religionsfreiheit? Ein Paar aus Österreich, wo dieselbe Gesetzgebung galt, legte Verfassungsbeschwerde ein – und gewann. Seitdem ist es dort erlaubt, rein kirchlich zu heiraten, und nicht wenige deutsche Paare reisten für ihre Hochzeit dorthin. Das Paar muss sich allerdings bewusst sein, dass die Eheschließung nach bürgerlichem Recht in Österreich wie in Deutschland gegenstandslos ist. Was wiederum Auswirkungen etwa auf das Erbrecht oder auf Vollmachten im Krankheitsfall hat.

Es dauerte bis zum 1. Januar 2009, bis das österreichische Urteil auch in Deutschland Konsequenzen hatte. An diesem Tag trat das neue Personenstandsgesetz in Kraft – und im altbekannten § 67 fehlt der Hinweis auf die obligatorische zivile Eheschließung vor der kirchlichen Heirat. Seitdem ist eine Trauung möglich, ohne dass ein Paar vorher (oder nachher) zum Standesamt geht. Allerdings gilt dasselbe wie in Österreich: Das Sakrament mag gespendet sein, zivilrechtlich bleibt das Paar unverheiratet.

Die deutschen Bischöfe haben auf diese Neuordnung reagiert und klargestellt, dass die zivile Eheschließung vor der kirchlichen Trauung die Normalform bleibt. Eine allein kirchliche Feier muss deshalb vom zuständigen Bischof (nicht nur vom Pfarrer) genehmigt werden und wird es nur dann, wenn sich das Paar erstens darüber klar ist, dass sie auf sämtliche staatlichen Vorteile (zum Beispiel Namens-, Erb- und Steuerrecht) von Verheirateten verzichten, dass sie zweitens versprechen, auch materiell füreinander und eventuelle Kinder zu sorgen, und drittens plausibel machen können, warum sie die standesamtliche Hochzeit ablehnen.

 

Heiraten – wie geht es anderswo?

D ass man so wie in Deutschland rechtlich bindend nur von Staats wegen heiraten kann, nennt man „obligatorische“ oder weniger freundlich „Zwangszivilehe“. Es gibt einige Länder, in denen das so ist, aber selbstverständlich ist es nicht. Zu den europäischen Ländern gehören alle die, die von der französischen Rechtsordnung beeinflusst sind, etwa Belgien und Luxemburg, auch die Niederlande oder Ungarn. Außerdem die meisten Länder in Südosteuropa und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Eine zweite Variante ist die sogenannte Wahlzivilehe. In Ländern, die diese Variante kennen, kann man an einer staatlichen Stelle heiraten, in einer religiösen Feier oder in manchen auch in freien Formen. Einige europäische Länder, die das so machen, sind die katholisch geprägten Italien, Spanien, Irland, die protestantischen skandinavischen Länder, das anglikanische Großbritannien, aber auch das mehrheitlich orthodoxe Griechenland und die überwiegend muslimische Türkei. Auch in den USA gibt es große Wahlfreiheit bei der Form der Eheschließung.

Natürlich gibt es Spielregeln zu beachten, denn auch in Ländern mit Wahlzivilehe will der Staat aus vielerlei Gründen wissen, wer verheiratet ist und wer nicht. Deshalb sind geistliche oder weltliche Menschen, die Trauungen vornehmen dürfen, registriert und verpflichtet, eine vollzogene Trauung an die zuständige staatliche Stelle zu melden. 

Die USA sind besonders offen, eine solche Erlaubnis zu erteilen. Einige Online-Formulare und einige Gebühren reichen in den meisten Bundesstaaten. Und so ist es dort gerade im Trend, Verwandte oder Freunde zu bitten, die Trauung zu leiten. Wozu auch gehört, die anschließenden Formalitäten mit den Behörden abzuwickeln. 

Wenn man zum Heiraten ins Ausland muss

Und dann gibt es noch einige Staaten, die gar keine zivile Trauung kennen, Hochzeiten werden ausschließlich religiös geschlossen. In Europa gilt das nur für den Vatikanstaat, bis 1993 auch Andorra. Aber in vielen islamisch geprägten Staaten von Marokko bis Indonesien ist das die Regel.

Auch in Israel ist das Heiraten ausschließlich über Religionsgemeinschaften möglich. Was ein Problem ist, wenn Menschen entweder nicht religiös sind oder nicht den rechtlichen Vorschriften der Religionen entsprechen. Jüdisch-muslimische Ehen sind beispielsweise unmöglich, gleichgeschlechtliche sowieso. Und so bleibt solchen Paaren nur der Weg ins Ausland, etwa nach Zypern. Oder neuerdings ins Internet. Manche Länder, etwa Paraguay oder der USA-Bundesstaat Utah, bieten Online-Trauungen an, die Papiere werden später per Post geschickt. Die Nachfrage ist groß.

Susanne Haverkamp