Neuer Ratgeber
Wenn die Eltern alt werden

Eines Tages ist es so weit: Die eigenen Eltern können ihr Leben nicht mehr alleine meistern, plötzlich sind die Kinder in der Pflicht. Doch mit der Zeit wird diese Hilfe oft zur Belastung. Ein neuer Ratgeber gibt Tipps, wie sich Kindern kümmern können, ohne sich selbst zu überfordern.

An sich ist es nichts Neues, dass sich Kinder um ihre Eltern im Alter kümmern. Aber Ausmaß und Umfang der Herausforderung sind heute weit größer als in vergangenen Jahren. Die Lebenserwartung ist stark gestiegen: 1960 lag sie bei Männern noch bei rund 67, bei Frauen bei 72 Jahren. Heute beträgt sie im Schnitt 79 Jahre (Männer) und 83 Jahre (Frauen). Damit ist auch die Zeit, in der die Eltern Unterstützung brauchen, länger als früher. Was ist, wenn Eltern ihr Leben nicht mehr alleine meistern können? Familientherapeutin Birgit Lambers aus Heiligenhaus bei Düsseldorf spricht über die Herausforderungen für die mittlere Generation – und darüber, warum man es aushalten muss, wenn die alten Eltern scheinbar unbelehrbar sind.
Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Probleme, wenn sich erwachsene Kinder plötzlich um ihre gebrechlichen Eltern kümmern müssen?
Es ist zuerst oft ein kleiner Schock, wenn die Menschen im mittleren Lebensalter, die sogenannten „Mid-Ager“, plötzlich feststellen, dass Ihre Eltern gebrechlich werden und selber Hilfe brauchen. Schließlich waren Mutter und Vater in der Kindheit immer selbst die „Beschützer“. Und jetzt dreht sich die Rolle scheinbar um: Eine Lösung muss her, weil die Mutter zum Beispiel einen Oberschenkelhalsbruch hatte oder der Vater einen leichten Schlaganfall.
Aber auch, wenn die Eltern ihr Leben nicht mehr alleine meistern können, darf es einen Rollentausch nicht geben. Solange sie geistig fit und gesund sind, muss es eine Begegnung auf Augenhöhe bleiben. Vater und Mutter haben das Recht auf einen eigenen Willen – etwa, wenn sie trotz Schwerhörigkeit ein Hörgerät ablehnen. Oder wenn sie Hosen mit Flecken weiter anziehen, weil sie angeblich sauber sind. Das müssen die „Kümmerer“ aushalten.
Wie können „erwachsene Kinder“ sich denn um ihre Eltern kümmern, ohne sich dabei selber zu überfordern?
Zunächst muss man sagen, dass dies eine Herausforderung ist, die es in diesem Ausmaß in keiner früheren Generation gegeben hat: Die Lebenserwartung ist stark gestiegen. Die durchschnittliche Pflegezeit liegt bei 8,2 Jahren, so eine lange Zeit können die wenigsten für ihre Eltern aufbringen und ihr eigenes Leben quasi auf Eis legen. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viel er für seine Eltern tun kann und will. Gerade die heutigen „Mid-Ager“ haben oft noch eigene Kinder in der Pubertät oder sind im Beruf stark eingespannt. Wichtig ist ein ganz offenes Gespräch mit den Eltern darüber, was geleistet werden kann und wo fremde Hilfe etwa durch Pflegedienste notwendig ist. Oder sogar ein Heimaufenthalt.
Wenn eine Demenz oder eine psychische Erkrankung vorliegt, sind kümmernde „erwachsene Kinder“ oft mit Undankbarkeit und Vorwürfen konfrontiert. Wie können sie damit umgehen?
Wenn Eltern dement werden und quasi ihre Persönlichkeit verlieren, ist das eine sehr harte Erfahrung für Kinder. Obwohl Vater oder Mutter noch genauso aussehen, sind es oft geistig nicht mehr die gleichen Menschen, mit denen man aufgewachsen ist. Pflegende werden dann mitunter sogar mit Vorwürfen konfrontiert und etwa für fortschreitende Krankheiten verantwortlich gemacht. Da bringt es wenig, ein Gespräch miteinander zu suchen.
Besser ist es, salopp gesprochen, die Ohren auf Durchzug zu stellen und erst mal fremde Hilfe einzubinden – die Stimmung kann sich bei dementen Menschen bald wieder ändern. Letztlich geht es ja darum, sich zu kümmern, ohne sich selber zu überfordern. Daher sollte auch fremde Hilfe durch Verwandte, vielleicht Nachbarn oder Pflegedienste in Anspruch genommen werden. Manchmal, wenn es nicht anders geht, muss auch mit den Eltern über den Umzug in ein Seniorenheim gesprochen werden.
Michael Ruffert/epd
Zur Sache
Die Gefahr frühzeitig erkennen, das Phänomen verstehen, Sicherheitsvorkehrungen treffen. Unter diese drei Überschriften gliedert Birgit Lambers ihren Ratgeber. In jedem Kapitel gibt es Lösungsansätze für eine bessere Gestaltung der Situation und Tipps, um angemessen reagieren zu können.
Birgit Lambers, „Wenn die Eltern plötzlich alt werden“, Kösel Verlag, 17,99 Euro