Vom Umgang mit Trauernden

Die Sprachlosigkeit in einfache Worte fassen

Trost spenden

Foto: Thomas G./Pixabay

Je weniger Worte, desto besser. Trost spenden geht oft über einen liebevollen Blick.

Wenn ein Mensch in unserem Umfeld stirbt – der Mann einer Kollegin, ein Nachbar, die Mutter einer Freundin – möchten wir den Trauernden helfen, möchten trösten, zur Seite stehen, stützen. Nur: wie machen wir es richtig, ohne dem anderen wehzutun, ohne uns selber aufzugeben? Ein Gespräch mit Regina Heygster von der Hospizhilfe Bremen e.V.

Frau Heygster, warum sind wir oft so hilflos, wenn es um Trauer geht?

Weil wir ungeübt sind im Trauern. Ich will nicht sagen, dass wir trauerfeindlich sind, aber wir sind auch noch weit davon entfernt, eine trauerfreundliche Gesellschaft zu sein. Das beginnt oft schon in der Kindheit. Wenn wir traurig sind und weinen, weil der Teddy sein Auge verloren hat oder die Puppe kaputtgegangen ist, versuchen die Eltern, uns aufzumuntern und versprechen, etwas Neues zu kaufen. Sie lenken ab von dem, was die Kinder traurig stimmt und wollen sie schnell wieder fröhlich sehen. Wir lernen also, dass es gut ist, wenn wir nicht traurig sind. Das setzt sich im Erwachsenenalter fort, es wird beispielsweise von Trauernden erwartet, dass sie im Berufsalltag bald wieder funktionieren nach dem Motto: Wir alle haben ja schon mal jemanden verloren.

Wie überwinde ich meine Hilflosigkeit? Was kann ich tun, wenn ich der Nachbarin begegne, deren Mann gestorben ist oder der Freundin, die ihre Mutter verloren hat?

Fassen Sie Ihre Sprachlosigkeit in einfache Worte. Manchmal weiß man nicht, was man sagen soll, aber das kann man direkt kommunizieren: „Du, mir fehlen gerade die Worte, aber ich fühle mit dir.“ Was immer möglich ist, sind kleine Gesten: „Ich habe heute Morgen an dich gedacht. Ich bin am Blumenmarkt vorbeigekommen, die Osterblume ist für dich, die soll dir heute einfach ein bisschen Sonne schenken. Ich weiß, es ist keine leichte Zeit.“ Man muss gar nicht unbedingt in ein Gespräch reingehen und über Gefühle sprechen.

Davor fürchten sich ja viele und wechseln aus lauter Unsicherheit die Straßenseite, wenn ihnen der trauernde Nachbar entgegenkommt  ...

… oder sie tun so, als ob sie ihren Schlüssel suchen, und warten vor dem Haus, bis der andere vorbeigegangen ist. Anstatt einfach kurz auf den Nachbarn zuzugehen und zu sagen: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, für Sie ist die Welt jetzt eine andere, aber ich fühle mit Ihnen.“ Man darf auch fragen: „Wie geht’s Ihnen heute?“ Oder auch nach dem Menschen fragen, der gestorben ist. Das vermeiden viele, weil sie denken, dass sie Wunden aufreißen. Aber ich zum Beispiel habe nach dem Tod meiner Eltern noch gern über sie gesprochen.

Plattitüden wie „Kopf hoch, das wird schon wieder“, sollte man aber unbedingt vermeiden, oder?

Natürlich. Aber Plattitüden werden nicht gesagt, weil man dem anderen wehtun will, sondern weil man wirklich nichts anderes gelernt hat. Dann lieber eine Plattitüde, als die Straßenseite zu wechseln.

Regina Heygster
Regina Heygster vom Hospizverein Bremen begleitet Trauernde und bietet Kurse an. Foto: privat

Wie geht das: Trost spenden?

Je weniger Worte, desto besser. Trost geht über einen lieben Blick, ein liebevolles „Guten Morgen, schön, dass du da bist“. Wenn es passt, kann ich jemanden auch in den Arm nehmen. Damit sage ich ohne Worte: „Ich fühle mit dir.“ Man sollte nach seinem Herzen gehen und nicht aus einem Pflichtgefühl heraus handeln.  

Wie kann ich einem Trauernden im Alltag beistehen?

Wenn jemand in der Nachbarschaft trauert, oder eine Kollegin, kann ich zum Beispiel fragen, ob ich ein paar Apfelsinen aus dem Supermarkt mitbringen soll. Oder ich lade zu einer gemeinsamen Kaffeepause ein. Oder ich bringe ein Stück selbstgebackenen Kuchen mit: „Hey, ich weiß gar nicht, ob dir danach ist, aber mir war danach, dir etwas mitzubringen.“ Wichtig ist: den Trauernden nicht zwangsbeglücken und ihm immer die Wahl lassen. Trauernde wollen gefragt werden: Möchtest du Besuch, ja oder nein? Bei Trauernden darf man überhaupt nichts persönlich nehmen.

Und welche Grenzen gelten für mich als Trauerbegleiter?

Überfordern Sie sich nicht. Hinterfragen Sie: Kann ich diesen Menschen jetzt begleiten? Nicht nur, weil jemand trauert, habe ich die Kraft, ihm über einen längeren Zeitraum zur Seite zu stehen. Manchmal stimmt auch einfach die Chemie nicht. Nicht jeden Nachbarn, jeden Kollegen, mögen wir. Dann reicht eine ordentliche Kondolenzkarte, ein freundlicher Gruß. 

 

Anja Sabel

Den nächsten Trauerkurs für Freunde, Kollegen und Lebensbegleiter von trauernden Menschen startet der Hospizverein Bremen im April. Auf der Webseite finden Sie auch weitere Angebote.