Kirchliche Symbolik im Brettspiel

Mönch, ärgere dich nicht

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Ein Mann (Lukas Boch) sitzt an einem Tisch. Vor ihm ein Spielbrett, er hält Spielkarten in der Hand.
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Lukas Boch ist Spieleforscher und Kirchenhistoriker. Seine Lieblingsthemen: Mönche und Klöster auf dem Brettspiel. 

Klöster als Sehnsuchtsorte, fröhlich bierbrauende Mönche und die Jagd nach Reliquien – Brettspiele nutzen kirchliche Symbolik, um Geschichte(n) zu erzählen. Was Spiele mit Kirchengeschichte zu tun haben und warum sie gesellschaftlich relevant sind.

Während die Kirche in der Realität zunehmend mit einem schlechten Image kämpft, erlebt sie in Brettspielen eine erstaunlich positive Darstellung. Lukas Boch, Kirchentheologe und Mitarbeiter im Europäischen Hansemuseum in Lübeck, untersucht dieses Phänomen intensiv. Selbst eine Doktorarbeit hat er zum Thema verfasst. Die Darstellung und Funktion von Kirche, Mönchen und Klöstern im Spiel faszinieren ihn. Boch sagt: „Kirche im Brettspiel ist etwas, das definitiv positiv ist.“  Gerade Klöster spielen dabei eine große Rolle. Die werden häufig als Orte der Regelhaftigkeit und Sehnsucht dargestellt, erzählt Boch. Im Spiel sind sie Schauplätze, an denen alles geordnet, alles stimmig sei. „Ein Kloster ist eigentlich wie gemacht für Spiele. Alles ist geregelt, von Gebetszeiten bis zum wirtschaftlichen Kreislauf der Warenproduktion.“

Spiele erzählen Geschichte(n)

Und häufig seien Spiele gerade das: Simulationen eines Wirtschaftskreislaufs plus Regelwerk. Ein Kloster passt also perfekt auf das Spielbrett. „Es erfüllt nicht nur die Funktion der Warenproduktion“, sagt Boch. Mit Klöstern verbinde man auch das Abgeschiedene und Göttliche. Das fasziniere. Boch unterscheidet zwei Bilder, die Brettspiele über Kirche und auch Mittelalter vermitteln: das idyllische und heimelige sowie das düstere, geheimnisvolle. Besonders Klöster schwanken zwischen diesen Extremen. Sie sind entweder abgeschieden und friedlich oder stecken voller Rätsel. Das Spiel „Der Name der Rose“ – inspiriert von Umberto Ecos gleichnamigen Roman – inszeniert Klöster etwa als mysteriöse Orte. Boch sagt jedoch, die fröhlichen Darstellungen von Kirche, Nonne, Mönch und Kloster dominierten im Brettspiel. In Spielen wie Carcasonne oder Orléans wird der Bau von Kirchen und Klöstern belohnt. Das verbinden Spieler mit Freude. Und auch Mönche ärgern im Spiel nicht, sind stets freundliche Charaktere.

In Orléans zum Beispiel, schützt der Mönch andere Mitspieler vor negativen Ereignissen wie etwa der Pest. Dafür muss man ihn in der Sakristei beten lassen. „Das passt perfekt zur mittelalterlichen Glaubenswelt“, erklärt der Kirchenhistoriker. „Wir schützen uns im Spiel vor Strafe, indem wir uns an jemanden mit einer besonderen Beziehung zu Gott wenden.“ Die Nutzung kirchlicher Symbolik ist in Spielen keine Seltenheit, so Boch. Im Gegenteil. Sie wird mehr. Bei manchen Spielen wird etwa Frömmigkeit zur Ressource – in anderen geht es um die Jagd nach Reliquien. Gleichzeitig verschwinde dabei die christliche Symbolik aus diesen kirchlichen Themen. Im Brettspiel Carcasonne zum Beispiel: Zu Beginn kam noch ein christliches Kreuz vor. Heute nicht mehr. Boch spricht von einer „Profanierung“ christlicher Glaubensorte im Spiel.

„Spiele erzählen Geschichten und sind wie Bücher und Filme aber gleichzeitig auch historische Quellen, Teile unserer Populär-Kultur“, sagt Boch. Sie funktionierten nur auf eine andere Weise. Spiele kommunizieren über Bilder, Texte und vor allem jedoch Regeln. Will heißen: Wenn etwa Reliquien im Spiel besonders mächtig sind, dann vermittle das ein Narrativ über die Bedeutung solcher Gegenstände im realen Leben. Historisch korrekt müssen solche Darstellungen in Spielen jedoch nicht sein, sagt Boch. Stattdessen geben Brettspiele Einblick in die heutige Vorstellung von Vergangenheit.

Das Brettspiel als Spiegel der Gesellschaft

Brettspiele haben einen besonderen Stellenwert in der Populär-Kultur, so Boch. Sie spiegeln die Gesellschaft und ihre Sehnsüchte wider. „Die spielende Gesellschaft sucht oft nach Einfachheit, Abgeschiedenheit und Qualitätsbewusstsein.“ Gerade Klöster stehen noch heute dafür. Man nehme das Beispiel der fröhlich bierbrauenden Mönche, die häufig auch in Brettspielen auftauchen, so Boch. Bier aus Klöstern, das sei heute noch sehr beliebt. Das gehe einher mit etwas Urtümlichen, etwas das in der Abgeschiedenheit und in guter Qualität gebraut wird. Angesichts einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft mag es widersprüchlich erscheinen, dass kirchliche Themen in Spielen dennoch so präsent sind. Boch sieht darin jedoch keinen Gegensatz: „Die Menschen wenden sich zwar von der Institution Kirche ab, das Bedürfnis nach Transzendenz, Erlösung und einer Beziehung zum Göttlichen bleibt aber bestehen.“ Spiele übernehmen hier eine neue Rolle, indem sie religiöse Inhalte aufgreifen, ohne sie direkt an die Kirche zu binden.

Menschen an einen Tisch bringen

Brettspiele bieten aber noch mehr: Sie sind vor allem ein sozialer Akt, fördern Dialog und Gemeinschaft, sagt Boch. „Sie können kulturelle Brücken schlagen und Menschen, im wahrsten Sinne des Wortes, an einen Tisch bringen.“ Gerade in Gemeinden könnten Brettspiele daher eine Möglichkeit sein, Austausch und Zusammenhalt zu stärken. Außerdem glaubt Boch vehement, dass Spiele mit kirchlichen Bezügen zur gesellschaftlichen Diskussion beitragen können, spricht von „Kirchengeschichtskultur“. Fakt sei: Immer weniger Menschen würden mit Kirche sozialisiert. Bezüge, die sie in der Gesellschaft noch hätten, fänden sich seltener in den Gemeinden – mehr in den Massenmedien. „Also in Filmen, Büchern oder auch Brettspielen“, sagt Boch. Letztlich sei es gut, dass Kirche im Spiel auftauche, denn: „Wenn sie in der Populär-Kultur nicht mehr besprochen würde, zeige das, dass ihre Relevanz dahin wäre.“

Übrigens

2026 kuratiert Boch im Europäischen Hansemuseum in Lübeck eine Ausstellung zum Thema.

Lisa Discher

Zur Person

Lukas Boch ist Historiker und Spieleforscher und arbeitet an seiner Promotion über „Die Inszenierung des Mittelalters im modernen Brettspiel als Teil populärer (Kirchen)Geschichtskulturen“. Er ist verantwortlich für den Bereich Brettspiele am Bonn Lab for Analog Games and Imaginary Play an der Universität Bonn und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Europäischen Hansemuseum Lübeck, wo er die Ausstellung „Games machen Mittelalter“ vorbereitet, die im Oktober 2026 eröffnet.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Einsatz von (Brett-)Spielen in Ausstellungen. Er ist Mitglied des Arbeitskreis Geisteswissenschaften und Digitale Spiele  und mitverantwortlich für das Projekt Mittelalter Digital. Zuletzt erschienen: „Von bierbrauenden Mönchen und kriegerischen Nonnen. Klöster und Klerus in analogen und digitalen Spielen“ im Verlag Kohlhammer.