In Meppen-Bokeloh wird gerade fleißig Saft gepresst
Purer Apfel in der Flasche
Fotos: Petra Diek-Münchow
Jeden Tag kommen kiloweise Äpfel in der Mosterei von Vitus in Meppen-Bokeloh an.
Vor der Mosterei des Meppener Vitus-Werkes stapeln sich die Kisten, bis zum Rand voll gepackt mit frischen Äpfeln. Gerold und Richard Wiechers stellen noch einige mehr dazu. Erst gestern haben die beiden Brüder aus dem ostfriesischen Westoverledingen in ihren Gärten 150 Kilo verschiedene Sorten gepflückt – mit so schönen Namen wie „Geheimrat Dr. Oldenburg“ oder „Seestermüher Zitronenapfel“. „Wollen Sie mal probieren?“, fragt Richard Wiechers und schneidet ein Scheibchen ab. Da sagen Andreas Scheibel und Erik Sand nicht „nein“, bevor sie das Obst zur Saftpresse bringen.
Andreas Scheibel leitet mit Markus Hensen die Gruppe der Vitus-Mosterei. Sie gehört zu den verschiedenen Werkstätten, die die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen im mittleren Emsland betreibt (siehe auch „Zur Sache“). Erik Sand zählt zu dem Team, das von Anfang September bis in den November hinein am Standort in Bokeloh Äpfel, Birnen und Quitten zu leckerem Saft presst: von der Kiste in die Flasche. Seit zwei Jahren betreibt Vitus diese Zweigstelle. Zwölf Frauen und Männer verarbeiten hier täglich mehr als eine Tonne Obst. Und dieses Jahr könnte es laut Scheibel sogar am Ende noch mehr werden. „Wir haben ein echtes Apfeljahr. Gerade ist so richtig Hochsaison.“
Die Brüder Wiechers sind nicht zum ersten Mal in der Mosterei. „Wir waren letztes Jahr sehr zufrieden und deshalb sind wir wieder hier“, sagt Gerold Wiechers. Die 60 Kilometer Strecke nehmen sie dafür gern in Kauf. Andere Kunden reisen nach Worten von Scheibel sogar noch von weiter an, aber die meisten stammen schon aus dem Emsland. „Und alle fahren mit einem Lächeln wieder nach Hause“, berichtet der Gruppenleiter. Die zwei Ostfriesen geben ihm recht. Sie stehen jetzt in der Halle, in der es lecker nach Apfel riecht. Sie schauen zu, wie die Äpfel in die Presse geschüttet werden, wie dann der pure Saft herausfließt, in die Edelstahlfässer gepumpt, erhitzt und in blitzsaubere Flaschen gefüllt wird. „Macht richtig Spaß, das zu sehen“, sagt Richard Wiechers.
Wir waren letztes Jahr sehr zufrieden und deshalb sind wir wieder hier.
Das finden auch Erik Sand und sein Kollege Heinz Robben. Beide arbeiten sonst in anderen Werkstätten von Vitus und haben sich eigens für die Saison in der Mosterei gemeldet. Beide mögen die Abwechslung im Arbeitsalltag, das neue Team und den Kontakt mit den Kunden. Denn die meisten warten einfach, bis der Saft fertig ist, unterhalten sich zwischendurch auch kurz mit den Beschäftigten und bedanken sich. „Alle sind immer sehr freundlich. Das gibt uns das schöne Gefühl, dass wir und unsere Arbeit angenommen werden. Die vertrauen uns ja ihr Obst an“, sagt Erik Sand und bringt damit auf den Punkt, was Wertschätzung bedeutet. Warum beide den Betrieb in Bokeloh auch gern wählen, ist das unmittelbare Erfolgserlebnis. „Wenn man sieht, wie viel Saft hinten ‘rauskommt, sieht man auch sofort, was man geschafft hat. Das freut einen selber und spornt für den nächsten Tag gleich wieder an“, erklärt Heinz Robben.
Anerkennung für „unsere Vitus-Talente“
Solche Erlebnisse sind es, die Piet de Groot und Christian Thien sich für die Menschen mit Behinderungen bei Vitus wünschen. De Groot ist pädagogischer Leiter der Werkstatt in Bokeloh, Thien leitet das Kompetenzfeld Berufliche Qualifizierung und Teilhabe am Arbeitsleben. Beiden ist wichtig, dass Vitus aus einem christlichen Selbstverständnis heraus Menschen mit Behinderungen bei ihrem Anspruch auf Achtung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit unterstützt. „Gott steht auf der Seite eines jeden einzelnen Menschen und gibt die Zusage, dass er von ihm geliebt ist. Aus dieser biblischen Grundaussage definieren sich die Würde des Menschen, sein Wert und Sinn“, erklärt die Einrichtung ihr Leitbild.
Die Mosterei mit ihrem regionalen Angebot passt laut Thien folgerichtig in dieses Konzept hinein. Nicht nur, weil „wir kommunikationsfördernde und nachhaltige Arbeitsplätze bieten, sondern auch allen Kunden ermöglichen, Teil einer besonderen Teilhabegeschichte zu sein“. Er spricht mit viel Anerkennung von „unseren Vitus-Talenten„, die ‚sich selbstwirksam und erfolgreich eine bessere Entgeltsituation, zusätzlich zu ihren Ansprüchen aus der Grundsicherung oder aus Rentenansprüchen, erarbeiten können‘. Piet de Groot ist dabei auch wichtig, die Beschäftigten nach Möglichkeiten in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wenn wir das schaffen, ist es das Beste.“ Schritte dorthin können solche Arbeitsplätze wie in der Mosterei sein, wie in verschiedenen Cafés von Vitus oder in dem Ladenlokal „Krämerei“ mitten in Meppen.
Auch Richard und Gerold Wiechers finden es gut, dass ihre Äpfel in einem inklusiven Betrieb gepresst werden. Lächelnd sehen sie zu, wie sich Flasche um Flasche füllt – mit etwa 150 Stück fahren sie nach einer dreiviertel Stunde nach Hause. Nicht nur für sich allein, „wir haben eine große Familie und teilen das auf. Unsere Kinder freuen sich schon“, sagt Richard Wiechers. Aber bevor sie wieder nach Westoverledingen starten, zapft Andreas Scheibel noch für jeden ein Glas vom frischen süßen Saft direkt aus der Presse. „Mmh, lecker“, sagen alle gleichzeitig nach dem ersten Schluck.
Bis etwa Mitte November verarbeitet die Mosterei Äpfel und Birnen zu Saft. Kontakt und Terminabsprache: Telefon 05931/4939573.
Vitus, Mitglied im Caritasverband, betreibt sechs Werkstätten im mittleren Emsland, in denen 720 Menschen mit Behinderungen arbeiten. Die Beschäftigten sollen eine Perspektive auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekommen. 85 Männer und Frauen sind auf Außenarbeitsplätzen in Betrieben tätig, knapp 50 in sechs Außengruppen wie einem Ladenlokal, Cafés und einer Radstation. Infos: https://www.vitus.info/