Legenden mit christlichen Bezügen
Was Sagen über Görlitz sagen

Foto: Michael Burkner
Gemälde der Stadt Görlitz von Iris Band (im Besitz des St. Benno Verlags Leipzig)
Haben Sie schon die Gestalt entdeckt, die unter dem Dach der Peterskirche in einer Ecke hängt? Mit von Angst gequälten Gesichtszügen, verschränkten Beinen und über sich geschlagenen Händen blickt sie zwischen den Regenrinnen der Kirche herab. Es ist ein Zimmermann, der der Legende nach beim Bau der Kirche den Halt verlor und in die Tiefe stürzte, im Fall aber eine Axt in einen Balken schlagen konnte. So hängt er nun an der Mauer und wartet bis heute auf seine Rettung.
Etwas weiter, am nördlichen Innenstadtrand steht die Kapelle des Heiligen Grabs. Heute ist sie eine Touristenattraktion, nicht zuletzt aufgrund ihrer auffälligen Ähnlichkeit mit dem Heiligen Grab in Jerusalem, die selbstverständlich kein Zufall ist: Im 15. Jahrhundert trat der Görlitzer Bürgermeistersohn Georg Emmerich eine Wallfahrt nach Jerusalem an, um Buße zu tun, weil er eine Tuchmachertochter außerehelich entjungfert und damit einen Aufstand der Branche provoziert hatte. Vom Heiligen Land war Georg so begeistert, dass er beschloss, in der Heimat das Heilige Grab nachbauen zu lassen. Auf einer zweiten Jerusalem-Reise nahm er einen Baumeister mit, der mit genauen Plänen die Replik in Görlitz anfertigte. Die Bürgerschaft hatte ihren Groll auf den jungen Mann übrigens schon während der ersten Pilgerreise vergessen und ihn 1483 zum Nachfolger seines Vaters als Bürgermeister gewählt.
Franziskanerkloster birgt viele Geschichten
Ebenfalls ein gutes Ende findet eine Sage, die im damaligen Franziskanerkloster spielt. Seine Klosterkirche ist heute die Dreifaltigkeitskirche am Obermarkt. Dass ihre Glocken noch immer einige Minuten zu früh schlagen, geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Damals wollte eine Gruppe Verräter den Rat der Stadt absetzen, ermorden und die Stadt anzünden. Sie trafen sich heimlich in einem Haus in der heutigen Verrätergasse und gingen erst unbemerkt nach Hause, wenn die Turmuhr schlug und der Nachtwächter des Klosters verschwunden war. Eines Tages aber schlug die Uhr zu früh, der Wächter bemerkte die dunklen Gestalten in der Nacht und zeigte sie am folgenden Tag an. So wurde das Unheil abgewendet und im Gedenken daran schlägt die Uhr bis heute einige Minuten zu früh.
Weniger ruhmreich verhielt sich ein Ordensmann des Klosters in der Sage des Klötzelmönchs. Der Legende nach wurde ein junger Reisender in der Klosterkirche versehentlich über Nacht eingesperrt, weil er erschöpft beim persönlichen Gebet einschlief. Mitten in der Nacht wurde er so Zeuge einer grausamen Szene: Ein Mönch schleifte den leblosen Körper einer jungen Frau in die Kirche und versteckte ihn unter einer Platte im Altarraum. Als der junge Mann am nächsten Tag von einem Vermisstenfall in der Stadt hörte, erstattete er sofort Anzeige und der Täter wurde schnell überführt. Als Strafe wurde der grausame Mönch lebendig eingemauert, doch seine Seele fand keine Ruhe und noch lange hörte man das Klappern seiner hölzernen Schuhe in den Klostergebäuden. Erst als seine Gebeine bei Umbauten gefunden und in geweihter Erde begraben wurden, hörte der Spuk auf. Dort, wo sein Opfer bei ihrer verwitweten Mutter lebte, ist heute das „Hotel zum Klötzelmönch“ – selbstverständlich ganz ohne klappernde Geisterschritte.