Jan Helge Kestel ist neuer Trägervereins-Vorsitzender des Katholikentags

Als Christen sichtbarer werden

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Jan Helge Kestel
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Foto: Dorothee Wanzek

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Jan Helge Kestel vor einem Werbeplakat für Katholikentags-Privatquartiere.

Zum Auftakt der Quartier-Kampagne für den Katholikentag hat sich Anfang Februar Jan Helge Kestel als Trägervereins-Vorsitzender des Katholikentags vorgestellt. Er folgt darin dem früheren Oberbürgermeister Manfred Ruge nach.

„Es ist mir ein Anliegen, dass wir als Christen in der Gesellschaft sichtbar werden“, sagt Jan Helge Kestel, „der Katholikentag bietet dazu eine einzigartige Gelegenheit“. Er möchte, dass es gut weitergeht mit dem Katholikentag, nachdem Manfred Ruge im Dezember als Vorsitzender des Trägervereins zurücktrat. „Mein Ziel ist es, das Katholikentagsmotto ‚Zukunft hat der Mensch des Friedens‘ bei den weiteren Vorbereitungen im Blick zu behalten und bisherige Kritik soweit möglich aufzunehmen und zu berücksichtigen“, sagte Kestel nach seiner Ernennung Ende Januar gesagt.

Einen Katholikentag hat der 52-Jährige bisher noch nicht erlebt, sagte er den Journalisten beim Auftakt der Suche nach Privatquartieren für die Erfurter Großveranstaltung. Beim Katholikentreffen 1987 in Dresden war er allerdings dabei und hat diese Begegnung ostdeutscher Christen in positiver Erinnerung.

„Wir sind doch nicht nur die Problembären!“

„Das war natürlich ein anderer Rahmen, aber auch damals ging es schon darum, sich als Christen in die Gesellschaft einzubringen“, sagte er. Kritisch sehe er, dass Kirche in letzter Zeit oft nur noch als „Problembär“ wahrgenommen werde. Natürlich dürften die Katholiken vor den bestehenden Problemen nicht die Augen verschließen. Insbesondere der Missbrauch müsse sehr ernst genommen und gründlich aufgearbeitet werden.

Darüber sollte seiner Ansicht nach aber nicht vergessen werden, dass die Kirche nach wie vor für sehr viel Positives stehe, dass ihre Werte und ihre frohe Botschaft an vielen Orten überzeugend gelebt werde. „Dass es für die christlichen Schulen und Kitas so lange Warteschlangen gibt, ist doch bezeichnend. Viele Menschen schätzen unser Engagement. Darauf hat auch Manfred Ruge immer wieder hingewiesen“, sagte Jan Helge Kestel. 

Katholiken in Ostdeutschland sollten auch nach außen hin vertreten, wofür sie stehen, wünscht sich der Jurist, „ruhig mit ein wenig mehr Selbstbewusstsein“. Dies im Rahmen eines Katholikentages zu tun, in einer großen Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, sei eine gute Gelegenheit, das zu üben. Dabei könnten Christen, die in der DDR aufgewachsen sind, auch ihre besondere Erfahrung ins Gespräch bringen, schlägt er vor. 

Eine Stärke der Christen sieht Jan Helge Kestel zum Beispiel in ihrer starken Verbundenheit. Darüber hinaus seien sie fähig, Einschränkungen als Chance zu begreifen und ihre Position auch in feinen Zwischentönen zum Ausdruck zu bringen. Als Jugendlicher habe er das zum Beispiel bei Sitzungen des katholischen Karnevalsclubs Helau (KKH) miterlebt. „Ich habe mit einem faszinierten Kribbeln mitverfolgt, wie viel versteckte Kritik an den bestehenden Verhältnissen die Karnevalisten dort anbringen konnten“, erinnert er sich. Jahre später, lange nach dem Zusammenbruch der DDR, war Kestel sogar einmal Erfurter Karnevalsprinz.

Er gehörte eine Zeitlang zum Pfarrgemeinderat und auch zum Kirchenvorstand der Erfurter Wigberti-Gemeinde, die inzwischen in der Pfarrei St. Laurentius aufgegangen ist. Mit wachsenden beruflichen Aufgaben habe er das Engagement in der Gemeinde zurückgefahren. 

Katholische Laien nicht überfordern!

Er nehme jedoch weiterhin wachen Anteil am Leben und an den Veränderungen seiner Gemeinde. Dass es in St. Wigbert keinen eigenen Pfarrer mehr gibt, bewege auch ihn. „Ich bewundere, was Laien alles tun, um das aufzufangen, was bisher von hauptamtlichen Seelsorgern geleistet wurde“, sagt er, wünscht sich zugleich aber auch eine konstruktivere Begleitung durch die Verantwortlichen im Bistum: „Laien können sich nur dann sinnvoll einbringen, wenn ihnen genügend Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht wird, wenn die Vorgaben, die ihnen gemacht werden, stimmig sind.“ 

Er sieht die Kirche in Erfurt da gegenwärtig in einem Lernprozess. Für Priester, die in einer Großpfarrei die Leitung übernehmen, bestünden die Herausforderungen darin, die in Folge zurückgehender Zahlen unvermeidlichen Einschränkungen zu akzeptieren und Gemeindemitglieder für neue Aufgabenfelder zu ermächtigen. Veränderungsprozesse bewegten derzeit Christen in ganz Deutschland. Auch hierfür könnte der Katholikentag eine wertvolle Austauschplattform sein.

 

Zur Person: Silberschmied und Jurist
Jan Helge Kestel wurde 1971 in Erfurt geboren. Er machte zunächst eine Ausbildung zum Silberschmied, bevor er in Freiburg Rechtswissenschaft studierte. Seit 2000 ist er Rechtsanwalt in Erfurt, seit 2020 in eigener Kanzlei. 2015 wurde er Präsident der Rechtsanwaltskammer Thüringen. Er ist auch Sprecher des Thüringer Schlichtungsbeirats

 

Dorothee Wanzek